Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Pandemie – eine schlechte Zeit für Einbrecher
Das Polizeipräsidium Reutlingen legt seine Kriminalstatistik für das vergangene Jahr 2020 vor
(sz) - Die Pandemie ist eine schlechte Zeit – vor allem für Einbrecher. Denn weil so viele Menschen von zuhause aus arbeiten, sinken die Chancen für Berufsverbrecher. Das ist zumindest eine Annahme, die aus der jetzt erschienenen Kriminalstatistik 2020 des Polizeipräsidiums Reutlingen hervorgeht.
Die Kriminalitätsbelastung im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen lag im Jahr 2020 mit 4021 Straftaten pro 100 000 Einwohner (2019: 4471) erneut deutlich unter dem baden-württembergischen Durchschnitt von 4852. Exakt 49 867 Straftaten hat das Polizeipräsidium im vergangenen Jahr registriert. 2019 waren es noch 55 301, ein Rückgang um über neun Prozent und somit die niedrigste Fallzahl seit über 16 Jahren.
Verantwortlich hierfür sind insbesondere deutliche Rückgänge bei den Diebstahlsdelikten und bei den Betrugsdelikten. Auch die Fallzahlen der Wohnungseinbruchskriminalität sanken auf einen historischen Tiefstand. Mit 30 317 Fällen wurden zwar 1307 Straftaten weniger aufgeklärt als im Vorjahr mit 31 624. Dennoch konnte die Aufklärungsquote um 3,6 Punkte auf 60,8 Prozent gesteigert werden.
Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen ist im vergangenen Jahr auf 22 308 (2019: 23 541) erneut gesunken. Der Rückgang erstreckt sich auf alle Altersgruppen. Die Zahl der tatverdächtigen jungen Menschen unter 21 Jahren liegt mit 4624 sogar deutlich unter dem Vorjahresniveau von 5320. Die Zahl der
nichtdeutschen Tatverdächtigen
war mit 8899 (2019: 9705) rückläufig. Der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen verringerte sich auf 39,9 Prozent (2019: 41,2). Ohne die Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asyl- oder Freizügigkeitsgesetz, die fast ausschließlich nur von Ausländern begangen werden können, ist ein Rückgang der Tatverdächtigenzahl bei Nichtdeutschen um drei Prozent auf 7655 (2019: 7839) festzustellen. Somit sind diese Zahlen im dritten Jahr in Folge rückläufig.
Auch die Zahl der tatverdächtigen Asylbewerber beziehungsweise Flüchtlinge – ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asyl- oder Freizügigkeitsgesetz – sind rückläufig. Sie ist um 5,5 Prozent auf insgesamt 1855 (2019: 1963) gesunken. Dies entspricht einem Anteil von 8,8 Prozent aller Tatverdächtigen (2019: 9,0 Prozent).
Diebstahlsdelikte bilden mit 12 105 Fällen (2019: 14 318) nach wie vor den Großteil aller registrierten
Straftaten, haben aber im Vorjahresvergleich um über 15 Prozent abgenommen.
Beim Wohnungseinbruchsdiebstahl reduzierte sich die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent auf 456 Straftaten (2019: 702). Dies ist die niedrigste Fallzahl seit 36 Jahren. Polizeipräsident Udo Vogel sagt: „Diese erfreuliche Entwicklung wurde natürlich auch durch die Corona-pandemie beeinflusst. Die Bürgerinnen und Bürger waren mehr zu Hause, was die Tatgelegenheiten deutlich reduziert hat.“
Bei den Betrugsdelikten beschäftigte überwiegend der sogenannte „Callcenter- oder Telefonbetrug“die Polizei. Bei diesem bundesweiten Kriminalitätsphänomen werden massenhaft aber gezielt ältere Menschen von Kriminellen angerufen, die sich als Polizeibeamte, verdeckte Ermittler oder auch als Staatsanwälte ausgeben und mittels Lügengeschichten versuchen, an Geld oder Wertsachen der Angerufenen zu gelangen.
Mitunter treten die meist aus dem Ausland agierenden Täter auch als angebliche Enkel oder nahe Verwandte auf, die sich angeblich in einer akuten Notlage befinden und dringend Geld zur Abwendung einer Haftstrafe benötigen. Aber auch Gewinnversprechen, für deren Auszahlung zunächst eine vierstellige Bearbeitungsgebühr fällig wird, sind eine gängige Masche.
Im vergangenen Jahr hat das Polizeipräsidium Reutlingen nach einer internen Statistik 2877 (2019: 2743) Fälle des Callcenter- bzw. Telefonbetrugs, davon 108 (2019: 90) vollendete Taten mit einem finanziellen Gesamtschaden von über 2,2 Millionen Euro (2019: knapp 1,6 Millionen Euro) registriert.
Die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stark beeinträchtigenden Fälle der Straßenkriminalität sind nun im dritten Jahr in Folge rückläufig. Die Zahlen belaufen sich auf insgesamt 7089 Fälle (2019: 8402), was einen Rückgang um 1313 Fälle also um 15,6 Prozent ausmacht.
Die ebenfalls die Bevölkerung stark beunruhigenden
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
sind entgegen der landesweiten Entwicklung
2020 um nochmals fast fünf Prozent auf insgesamt 826 (2019: 869) gesunken. Bei den sexuellen Belästigungen fiel der Rückgang mit 20,8 Prozent deutlicher aus. Hier sank die Fallzahl um 37 von 178 (2019) auf 141 Straftaten.
Bei den wurde mit insgesamt 55 Fällen ein Fünfjahreshoch erreicht. Zwölf Delikte mehr als im Vorjahr (43) bedeuteten eine Zunahme um 27,9 Prozent. In diesem Deliktsbereich sind die absoluten Fallzahlen gering, jedoch handelt es sich um die gravierendsten Straftaten. Von den 55 Tötungsdelikten (darunter 15 Morde, 28 Totschlagsdelikte, acht fahrlässige Tötungen) wurden 16 vollendet. Über 90 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden.
Entgegen allgemeiner Erwartung im Zusammenhang mit der Coronapandemie und der landesweiten Entwicklung wuchsen die Fälle häuslicher Gewalt im Bereich Reutlingen nicht an, sondern verringerten sich um 13,4 Prozent von 1128 (2019) auf 977 Straftaten. Allerdings spiegelt die Statistik nur die angezeigten Fälle
Straftaten gegen das Leben
wider.
Seit Jahren erstmals leicht rückläufig sind die Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte. Im Vergleich zum Vorjahr (466 Fälle) wurden im Jahr 2020 mit 446 insgesamt 20 Fälle weniger erfasst. Bis auf zwei Fälle konnten alle Taten aufgeklärt werden.
2020 wurden 208 (2019: 207) Polizistinnen und Polizisten verletzt, einer davon schwer. Die häufigsten Verletzungen entstanden durch Schläge (32) und Tritte (41). Nicht selten stehen die Täter dabei unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Polizeipräsident Vogel: „Tätliche Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen sind Angriffe auf den Rechtsstaat und auf unsere Gesellschaft. Hiergegen gehen wir entschieden vor und werden auch künftig alle Straftaten konsequent zur Anzeige bringen – dies gilt auch für Übergriffe auf Rettungskräfte, Ordnungsdienste der Kommunen und Feuerwehrleute. Wer sich tagtäglich für die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, verdient Respekt und Anerkennung.“