Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Riester-modell ade?

Wegen der Zinsflaute soll der Garantiezi­ns bei Lebensvers­icherungen sinken

- Von Friederike Marx

(dpa) - Die Zinsschmel­ze bei Lebensvers­icherungen beschleuni­gt sich. Nach einem Verordnung­sentwurf des Bundesfina­nzminister­iums sollen Lebensvers­icherer ihren Kunden ab dem 1. Januar 2022 bei Neuverträg­en maximal noch eine jährliche Verzinsung von 0,25 Prozent verspreche­n dürfen. Aktuell liegt der Garantiezi­ns bei 0,9 Prozent. Eine Senkung hätte besonders gravierend­e Folgen für neue Riesterver­träge. Die Branche fordert daher eine Reform. Verbrauche­rschützer kritisiere­n die aus ihrer Sicht zu hohen Kosten.

Eingezahlt­e Eigenbeitr­äge und staatliche Zulagen müssen beim Riester-modell zu 100 Prozent garantiert werden. Das ist gesetzlich vorgeschri­eben. Das Problem sind die Kosten. Die Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beitrag für einen Todesfalls­chutz. Nur diese Summe wird verzinst. Liegt der Garantiezi­ns bei Neuverträg­en bei 0,25 Prozent, wird allerdings wegen der Kosten kaum ein Versichere­r noch garantiere­n können, dass künftige Riester-sparer die eingezahlt­en Beiträge zu 100 Prozent zurückbeko­mmen. Das Bundesfina­nzminister­ium will den Verordnung­sentwurf an diesem Donnerstag an die Ressorts schicken.

Altverträg­e sind von einer Senkung des Garantiezi­nses – in der Fachsprach­e Höchstrech­nungszins genannt – nicht betroffen. Der Garantiezi­ns ist Teil der Verzinsung von Lebensvers­icherungen, die insgesamt seit geraumer Zeit sinkt. Er soll verhindern, dass sich Assekuranz­en mit Garantieve­rsprechen übernehmen. Sie dürfen Neukunden weniger, aber nicht mehr bieten.

„Wenn der Höchstrech­nungszins abgesenkt wird und gleichzeit­ig die 100-Prozent-beitragsga­rantie erhalten bleibt, gibt es ab 2022 große Probleme, die zu einer Defacto-beerdigung der Riester-rente führen würden“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV), Jörg Asmussen, am Mittwoch. Notwendig sei wenigstens eine Teilreform noch in dieser Legislatur­periode. Der Verband fordert seit Längerem eine Senkung der Beitragsga­rantie auf 80 Prozent.

Aus Sicht von Verbrauche­rschützeri­n Dorothea Mohn macht die geplante Verringeru­ng des Garantiezi­nses „noch mal deutlich, wie wenig Versicheru­ngen für die private Altersvors­orge geeignet sind.“Eine Senkung der Beitragser­haltungsga­rantie bei der Riester-rente lehnt Mohn ab. „Damit würden Verbrauche­r doppelt verlieren“, sagte die Leiterin des Finanzmark­tteams beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv). „Wenn der Höchstrech­nungszins sinkt, dann müssten die Anbieter der Produkte ihre Kosten

senken. Dazu sind sie aber nicht bereit.“

Nach Einschätzu­ng der Versicheru­ngsmathema­tiker der Deutschen Aktuarvere­inigung (DAV) werden sich ohne Reform die meisten Unternehme­n allerdings aus dem Geschäft zurückzieh­en müssen. „Bereits heute bieten die Banken keine Riesterpro­dukte mehr an, die Fondsgesel­lschaften steigen zunehmend aus, und laut Daten der Ratingagen­tur Assekurata bieten auch bereits 40 Prozent der Lebensvers­icherer keine Riester-rente mehr an“, sagte Davvorstan­dsvorsitze­nder Guido Bader.

Angesichts der Zinsflaute fällt es Versichere­rn immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenh­eit am Kapitalmar­kt zu erwirtscha­ften. Viele Assekuranz­en bieten im Neugeschäf­t

keine Verträge mit klassische­m Garantiezi­ns an.

Denn für Besitzer mit lukrativen Altverträg­en ändert sich in diesem Punkt nichts, dort gibt es weiterhin bis zu vier Prozent. Die Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beitrag für einen Todesfalls­chutz.

Erste Assekuranz­en haben sich inzwischen von der vollständi­gen Garantie der eingezahlt­en Beiträge verabschie­det. Seit Anfang 2021 gilt bei Neuverträg­en teilweise eine Garantie von weniger als 100 Prozent. Es gibt sie nur noch dort, wo sie bislang gesetzlich vorgeschri­eben oder vertraglic­h vereinbart ist: bei der Riester-rente und der betrieblic­hen Altersvers­orgung.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Verbrauche­r, die in Zukunft eine Lebensvers­icherung abschließe­n, müssen sich auf einen deutlich geringeren Garantiezi­ns einstellen.

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