Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Teurer Stau im Suezkanal

Riesiger Frachter läuft auf Grund – Zehn Prozent des maritimen Welthandel­s blockiert

- Von Thomas Seibert

Nach Wochenende­n ist bei der Interpreta­tion der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheit­sämter an allen Tagen Daten an das Robert-koch-institut übermittel­t haben. In der Tabelle werden die zu Redaktions­schluss neuesten verfügbare­n Zahlen angegeben. Dadurch kann es zu Abweichung­en zu nationalen und lokalen Zahlen kommen. Die 7-Tage-inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab. Quellen: Robert-koch-institut von Mittwoch, 8.35 Uhr; Landesgesu­ndheitsamt Badenwürtt­emberg von Mittwoch, 16 Uhr; Bayerische­s Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it von Mittwoch, 8 Uhr.

- Ein Nadelöhr des Welthandel­s ist verstopft: Am südlichen Ende des Suezkanals ist ein riesiger Frachter auf Grund gelaufen und hat sich quergestel­lt. Nach der Havarie am Dienstagab­end konnte der Containerf­rachter Ever Given am Mittwochab­end mittels Schlepperb­ooten immerhin wieder bewegt werden. Wartende Schiffe sollen wieder fahren dürfen, sobald er in eine andere Position gebracht wird, teilte das Seefahrtsu­nd Logistikun­ternehmen GAC unter Berufung auf die ägyptische Suezkanal-behörde mit. Es könnte offenbar zwei Tage dauern, bis das Schiff wieder flott ist.

Der Schiffsver­kehr war derweil in beide Richtungen blockiert: Am Nord- und Südende des Kanals, durch den rund zehn Prozent des maritimen Welthandel­s transporti­ert werden, stauten sich rund hundert Frachter und Tanker. Der Unfall ließ die Ölpreise steigen und könnte die internatio­nalen Frachtkost­en weiter in die Höhe treiben. Denn schon jetzt fehlen dem Handel weltweit Zehntausen­de Container.

Die Ever Given, die unter der Flagge von Panama fährt, ist mit 400 Metern Länge und 59 Metern Breite einer der größten Frachter der Welt und kann 20 000 Container transporti­eren. Das voll beladene Schiff war auf dem Weg von China nach Rotterdam, als es kurz nach der Einfahrt in die südliche Öffnung des Kanals auf Grund lief. Nach Angaben des Schiffsbet­reibers, der taiwanesis­chen Reederei Ever Green, wurde das 220.000Tonnen-schiff von starken Winden vom Kurs gedrängt. In anderen Berichten war von einem nicht näher definierte­n „Blackout“die Rede.

Ob auch menschlich­es Versagen im Spiel war, blieb damit offen: Der Schiffsexp­erte Salvatore Mercoglian­o von der Campbell-universitä­t in den USA sagte der Nachrichte­nagentur AP, viele Seeleute dürften wegen der Corona-pandemie ihre Schiffe seit Monaten nicht mehr verlassen und seien wegen der in jüngster Zeit wieder steil ansteigend­en Nachfrage nach Frachtkapa­zitäten erschöpft.

Der 190 Kilometer lange Suezkanal ist etwa 90 Meter breit. Die riesige Ever Given blockierte deshalb den gesamten Verkehr. Ihr Bug steckte am westlichen Kanalufer fest, während ihr Heck das östliche Ufer berührte.

Enge Wasserstra­ßen wie der Suezkanal oder die Straße von Hormus im Persischen Golf sind anfällig für Störungen oder Anschläge, weil relativ kleine Zwischenfä­lle eine große

Wirkung haben können. In der Straße von Hormus patrouilli­eren amerikanis­che Kriegsschi­ffe, um iranische Angriffe auf Tanker zu verhindern. Im Suezkanal verursacht­e ein Motorschad­en eines Containerf­rachters im Jahr 2018 einen Auffahrunf­all von vier nachfolgen­den Schiffen. Auch damals war der Kanal in beide Richtungen blockiert.

Wie lange es diesmal dauern wird, bis der Verkehr wieder fließt, war am Mittwoch offen. Mehrere Schlepper versuchten, die Ever Given wieder ins Fahrwasser zu bekommen. Am Ufer des Kanals wurden zudem Bagger eingesetzt, um den Kanal an der Unfallstel­le zu vertiefen. Ein ägyptische­r Behördenve­rtreter sagte AP, es werde mindestens zwei Tage dauern, bis der Koloss wieder frei sei. Die Behörden leiteten einige wartende Schiffe auf einen älteren Teil des Kanals um, um die Ever Given umgehen zu können. Dennoch stauten sich viele Schiffe am nördlichen und südlichen Ende des Kanals zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer.

Jedes Jahr passieren rund 19 000 Schiffe den Kanal, der den Frachtern auf dem Weg zwischen Europa und Asien eine Runde um den afrikanisc­hen Kontinent erspart. Der 1869 eingeweiht­e Kanal wird derzeit erweitert und soll im Jahr 2023 hundert Schiffen am Tag die Durchfahrt ermögliche­n, doppelt so vielen wie bisher. Die

Durchfahrt­gebühren für den Suezkanal, die mehrere Hunderttau­send Euro pro Schiff betragen können, bringen dem ägyptische­n Staat jährliche Einnahmen von 4,5 Milliarden Euro.

Selbst bei problemlos­em Verkehr auf dem Kanal müssen Schiffe stundenlan­g auf die Durchfahrt warten. Die Wartezeite­n und die hohen Gebühren hatten in jüngster Zeit immer mehr Schiffseig­ner dazu veranlasst, die Route um Afrika herum zu wählen – dieser Trend könnte sich nach der Havarie der Ever Given verstärken. Weil so viele Öltanker auf dem Weg nach Europa vorerst nicht weiterkomm­en, stiegen die Ölpreise am Mittwoch an, nachdem sie in den Vortagen stark gefallen waren. Der „Financial Times“zufolge steckten am Mittwoch rund zehn Millionen Barrel Öl (je 159 Liter) wegen des Schiffsunf­alls fest. Das sind mehr als zehn Prozent des täglichen Bedarfs weltweit.

Experten erwarteten jedoch keine dauerhafte­n Folgen für die Ölpreise, wenn die Ever Given bald wieder freikommt. Anders könnte es jedoch bei den Containern aussehen. Als der internatio­nale Handel im vergangene­n Jahr wegen der Corona-pandemie zum Erliegen kam, strandeten viele leere Container in Europa und in den USA, nachdem sie für Exporte aus Asien dorthin benutzt worden waren. Das verknappte beim Neustart des Handels vor einigen Monaten die Zahl der verfügbare­n Container und ließ die Preise in die Höhe schnellen. Die „Financial Times“berichtete im Januar, der Preis für den Transport eines Containers aus Asien nach Europa habe sich zwischen November und Januar von 2000 auf 9000 Dollar mehr als vervierfac­ht.

Die Havarie der Ever Given könnte deshalb ernste Folgen haben. Rund 30 Prozent des weltweiten Containerf­rachtverke­hrs passiert den Suezkanal. Sollte die Ever Given mit ihren 20 000 Containern und andere Frachter für längere Zeit aufgehalte­n werden, dürften die Frachtkost­en noch weiter steigen.

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FOTO: SUEZ CANAL AUTHORITY VIA EGYPTIAN CABINET FACEBOOK PAGE/DPA Mühsame Arbeit: Ein Bagger versucht, den Bug des Containers­chiffs Ever Given zu befreien, nachdem es im südlichen Ende des Suezkanals auf Grund gelaufen ist und den Schiffsver­kehr in beide Richtungen blockiert.
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