Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wie Menschen vor tausenden Jahren lebten
Schelklinger Archäologe Rudi Walter forscht für die Uni Tübingen am Hohle Fels
- Für Rudi Walter geht ein Traum in Erfüllung. Er darf für die Universität Tübingen direkt vor der eigenen Haustür forschen: an der bekannten Fundstätte Hohle Fels bei Schelklingen. Seit Januar ist der 54-jährige Schelklinger als Experimentalarchäologe mit einer halben Stelle fest bei der Uni Tübingen angestellt. „Ich liebe die Schönheit der Alb“, betont Walter. Dass er bald auch dank der eigenen Forschungen die Zusammenhänge an der Schelklinger Ausgrabungsstätte Hohle Fels, die auch Teil des Unesco-welterbes ist, noch besser verstehen kann, „ist ein unfassbar tolles Gefühl“, sagt Walter.
Der Anlass für die Stelle war allerdings ein trauriger: Nachdem Reiner Blumentritt, der Vorsitzende der Museumsgesellschaft Schelklingen, 2019 überraschend verstarb, fehlte der Universität ein Ansprechpartner vor Ort. „Reiner Blumentritt war ein unglaublich geschichtsbegeisterter Mensch. Er war immer da und hat Führungen und Ausgrabungen am Hohle Fels viele Jahre ehrenamtlich koordiniert“, erklärt Rudi Walter. Mit dem Schelklinger Experimentalarchäologen Walter beschäftigt die Universität nun einen geeigneten Forscher, der als Schelklinger nicht nur viele Lücken, die Blumentritt hinterlassen hat, schließen soll, sondern auch selbst wissenschaftlich an der Universität arbeiten kann.
Für Rudi Walter ist das auch die Rückkehr an eine alte Wirkungsstätte: Von 1994 bis 2001 hat er Ur- und Frühgeschichte in Tübingen studiert und später dort auch seinen Magister gemacht. Thema: Knochennadeln aus der Eiszeit. „Dafür habe ich auch am Hohle Fels ausgegraben, deswegen kenne ich mich dort sehr gut aus“, erklärt er. Nach seinem Studium hat er sich selbstständig gemacht, baute in seiner Schelklinger Werkstatt für Museen und Filme Steinzeitwerkzeuge und Ausrüstungen getreu den Originalen von damals nach. „Meine Werkzeuge waren schon in etwa 50 Filmen zu sehen“, sagt Walter. Teilweise hat er auch selbst vor der Kamera mitgespielt.
Nun erwarten ihn an der Universität aber neue Herausforderungen und Aufgaben. Gemeinsam mit der italienischen Forscherin Flavia Venditti ist er dabei, ein Labor für materielle Hinterlassenschaften aufzubauen. „Wir forschen für ein sogenanntes Material
Culture Lab. Dabei untersuchen wir, wie die Menschen vor tausenden Jahren Werkzeuge benutzt haben. Wir wollen so die Werkzeugkultur der Eiszeit besser verstehen“, erklärt Rudi Walter. Der Experimentalarchäologe baut im Labor die Werkzeuge aus Knochen oder Stein nach und vergleicht sie gemeinsam mit seiner italienischen Kollegin mit den Originalen, die Forscher bei Ausgrabungen gefunden haben. Dafür ist er jeden Donnerstag an der Universität Tübingen vor Ort. „Es gibt viel zu tun, macht aber extrem viel Spaß und wir sind ein gutes Team“, betont Rudi Walter. Vor allem sei das Institut international und Menschen „aus aller Herren Länder arbeiten hier sehr gut zusammen“.
Doch der Schelklinger Archäologe arbeitet an der Universität nicht nur in der Forschung, er bringt auch Studierenden
in bestimmten Seminaren etwas über die Experimentalarchäologie bei. In einem Seminar über Neandertal-zeitliche Werkzeuge habe seine Kollegin Flavia Venditti den theoretischen Teil übernommen und Walter den Studierenden beim Praxisteil im Labor die Herangehensweise mit verschiedenen Materialien gezeigt. „Es ist toll, mit den Studierenden zu arbeiten, weil man auch viel voneinander lernt“, erklärt er. Exkursionen im Freien, dann auch am Hohle Fels bei Schelklingen, gehören nun ebenfalls zu den Aufgaben des Archäologen.
Für den Schelklinger Bürgermeister Ulrich Ruckh ist Rudi Walter nun erster Ansprechpartner vor Ort, der bei Treffen oder Planungen über die Forschungen am Hohle Fels die Interessen der Stadt in die Fachsprache übersetzen kann. „Es ist wichtig, dass die Stadt Schelklingen so auch das wissenschaftliche Niveau sowie bei anderen Fundplätzen halten kann“, erklärt Walter.
Für den Sommer stehen bereits einige Projekte in den Startlöchern. Professor Nicholas Conard, der schon seit 1997 am Hohle Fels Ausgrabungen durchführt, wird im Sommer eine erneute Ausgrabung leiten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dann wird auch Rudi Walter in seiner Heimat vor Ort sein. Außerdem leitet Walter mit seiner italienischen Kollegin im Sommer ein Seminar über knöcherne Werkzeugmaterialien aus der Eiszeit. „Der Praxisteil ist dann in Schelklingen. Dort werden wir den Umgang mit den Werkzeugen erproben und vielleicht werden auch Nähnadeln am Hohle Fels ausgegraben“, betont er.
Rudi Walters Freude, als Schelklinger in Schelklingen die archäologischen Erkenntnisse voranzubringen, ist riesig. Der Experimentalarchäologe liebt seine Arbeit und hält sie in der heutigen Zeit für wichtiger denn je. In der Archäologie gehe es darum, die Wurzeln der Menschen besser zu verstehen, aber „sie zeigt auch die Schönheit der Dinge. Durch die Archäologie sehen die Menschen, dass andere vor tausenden Jahren immer noch ihre Spuren hinterlassen haben und das gibt den Leuten Halt und Sinn in ihrem Leben“, betont Rudi Walter. Mit seinen Forschungen in Tübingen und am Hohle Fels will der Schelklinger nun auch seine Spuren hinterlassen.