Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kampf um die Fläche
Naturverbände kritisieren Verwaltungsgemeinschaft Riedlingen für den vorgesehenen Flächenverbrauch
- Detailliert, 233 Seiten dick und Stein des Anstoßes: Der jüngste Entwurf der Fortschreibung des Flächennutzungsplans für die Region Riedlingen erzürnt gleich drei Naturschutzverbände. Der Bund für Naturschutz und Umwelt Deutschland, der Landesnaturschutzverband Baden-württemberg und der Naturschutzbund Deutschland üben deutliche Kritik am Vorgehen der Verwaltungsgemeinschaft Riedlingen, in den kommenden Jahren zu großflächig Grund und Boden für den Bau von Wohn- und Gewerbegebieten auszuweisen. In der schriftlichen Stellungnahme, die dieser Zeitung vorliegt, sprechen die Naturschützer davon, die betroffenen Kommunen unternähmen keine Anstrengungen, eine höhere Einwohnerdichte zu erreichen. Zugleich würde trotz der „immensen Flächenausweisung“der geforderte Biotopverbund nicht auf den Weg gebracht. Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung und des Landes würden missachtet. „Der vorgelegte Plan ist damit kein lenkender und gestaltender Rahmenplan, sondern eine Flächen-verbrauchs-wunschsammlung der beteiligten Gemeinden“, heißt es in dem Schreiben. Die Umweltschützer nehmen außerdem noch zahlreiche einzelne Entwurfsplanungen der Gemeinden und Städte kritisch unter die Lupe.
Der sogenannte Vorentwurf der Fortschreibung des Flächennutzungsplans, öffentlich zugänglich auf der Internetseite der Stadt Riedlingen, beschreibt recht genau, wie Riedlingen, Ertingen, Dürmentingen, Langenenslingen, Unlingen, Uttenweiler und Altheim in den kommenden 15 bis 30 Jahren ihre Flächen nutzen wollen. Darin sind unter anderem folgende Anmeldungen angezeigt: Zusätzlich zu den vorhandenen Reserveflächen sind 53,58 Hektar für Wohnbau und knapp 65 Hektar Gewerbe geplant. Nicht im Plan vermerkt sind Grundstücke für den Interkommunalen Gewerbe- und Industriepark Donau-bussen (IGI Dobu), der künftig insgesamt 82 Hektar groß sein wird.
Unmutsbekundungen kommen aber auch aus den Reihen der Gemeinderatsmitglieder in der Region: Sie bemängeln zum einen die fehlende Ausweisung des IGI Dobu im jetzt vorliegenden Flächennutzungsplan. Zum anderen ist der Entwurf nicht den Ratsmitgliedern vorgelegt und in den öffentlichen Gremien diskutiert worden. So hat beispielsweise die Fraktion Bürgerliste im Riedlinger Gemeinderat ein Schreiben an Bürgermeister Marcus Schafft aufgesetzt, in dem sie bedauert, die Fortschreibung des Flächennutzungsplans sei nur in der Versammlung der Verwaltungsgemeinschaft beraten worden. Es sei wichtig, über den Entwurf in den kommunalen Gremien zu diskutieren, zumal bestimmte Punkte des Plans aus ihrer Sicht fehlerhaft dargestellt seien.
Bürgermeister Marcus Schafft entgegnet: „Die Gemeinderäte haben nur mittelbar mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans zu tun. Die Versammlungen des Gemeindeverwaltungsverbandes sind öffentlich. Und da kann auch jeder Gemeinderat teilnehmen. Wir haben im Übrigen die Ratsmitglieder schriftlich über die Arbeit an dem Flächennutzungsplan informiert“, sagt er der SZ. Von der Kritik der Umweltschützer sei die Stadtverwaltung „nicht unberührt“. Er und seine Mitarbeiter nähmen die Hinweise an. Zugleich macht Schafft aber auch klar, die
Stadt strebe eine Verdichtung in der Kernstadt an, um den Flächenverbrauch zu verringern. „Zum Beispiel am Tuchplatz haben wir nachverdichtet.“Auch an der Klinge seien mit den jetzigen Bebauungsplänen, abgesehen von dem großen Loch, die Wohnbauflächen ausgeschöpft. Der Flächennutzungsplan werde laufend fortgeschrieben und könne im Bedarfsfall geändert werden. „Es ist Aufgabe des Bebauungsplans, nicht des Flächennutzungsplans, wie dicht gebaut wird.“
Dem stimmt auch Martin Samain zu, stellvertretender Direktor des Regionalverbands Donau-iller zu. „Im Bebauungsplan können Kommunen vorschreiben, wie viele Wohneinheiten und Stockwerke auf einer Fläche errichtet werden sollen.“Allerdings betrachtet er die Erarbeitung eines Flächennutzungsplans als ein langfristiges Projekt, bei dem es sinnvoll sei, „die Öffentlichkeit frühzeitig zu beteiligen“. Ebenso sei es rechtlich nicht zwangsläufig notwendig, den geplanten IGI Dobu in den Vorentwurf des Flächennutzungsplans der Region Riedlingen aufzuführen. Aber es wäre sinnvoll. Der Regionalverband werde den Plan zu gegebener Zeit prüfen und mit dem Regionalplan abgleichen. Bezüglich des Flächennutzungsplans für die Region Riedlingen sei ihm noch unklar, wie einige Flächen in den Bedarfsplan eingeflossen seien. Er sehe noch Verdichtungspotenzial, zum Beispiel auch im Riedlinger Wohngebiet Klinge.
Der Regionalverband Donau-iller gibt für Mittelzentren wie Riedlingen eine Zielmarke der Wohndichte von 80 Menschen pro Hektar vor. Riedlingen hat derzeit ungefähr eine Wohndichte von 47 Hektar, die umliegenden Orte deutlich weniger. Bürgermeister Marcus Schafft rechnet in den nächsten Jahren mit einem Bevölkerungswachstum und will das mit der Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätzen untermauern. Schließlich brauche man mehr Einwohner, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und die Aufgaben eines Mittelzentrums zu erfüllen. „Wir streben aber eine Einwohnerdichte von 60 Menschen pro Hektar an. Wir können uns nicht mit Stuttgart vergleichen, die 90 Einwohner pro Hektar als Zielgröße haben.“
Als ein Treiber des hohen Flächenverbrauchs im ländlichen Raum gilt der sogenannte Paragraf 13b des Baugesetzbuches. Demnach dürfen Kommunen Baugebiete im Schnellverfahren planen und benötigen nur sehr eingeschränkt Umweltgutachten. Das könnte auch der Grund sein, warum im Flächennutzungsplan der Region Riedlingen zu Beginn der Aufstellung des Entwurfs Anfang 2017 noch 13 Flächen beinhaltet und nunmehr 98.
Das einstige Mitglied des Riedlinger Gemeinderats, Roland Uhl, sagt: „In Riedlingen funktioniert die Nachverdichtung nicht, zum Beispiel in der Grüninger Siedlung oder an der Klinge. Wir müssten die entsprechenden Satzungen ändern und bestehende Flächen in der Kernstadt bebauen anstatt neue bebauen.“