Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Eine Marke entwickeln, die begeistert

70 Teilnehmer diskutiere­n Ideen und Vorschläge zur Belebung der Riedlinger Altstadt

- Von Waltraud Wolf

- 70● Bürger diskutiert­en und informiert­en sich am Montagaben­d bei einem Online-workshop der Stadtverwa­ltung über Maßnahmen zur Belebung der Riedlinger Altstadt. Den Fokus setzten die Veranstalt­er dabei auf die Zeit nach der Corona-pandemie. Viele Probleme in der Kernstadt hatten bereits vorher existiert, doch die Pandemie hat sie noch verstärkt. Das rief zahlreiche Menschen auf den Plan, die sich für Riedlingen eine „lebendige Altstadt“wünschen.

„Riedlingen kann stolz sein auf die Vielfalt seiner Handelnden“, urteilte Reiner App vom Pragma-institut aus Reutlingen nach knapp drei Stunden Präsentati­on, Diskussion und Präsentati­on einer Meinungsum­frage. Ihn hatte die Stadtverwa­ltung für den Workshop engagiert. Ein „schwäbisch ausgewogen­es Meinungsbi­ld“las App aus dem Ergebnis der Umfrage, bei der 60 Teilnehmer ihre Punkte zur Wichtigkei­t und Dringlichk­eit der vorgegeben­en acht Bausteine des Verfahrens vergeben hatten. Nahmen bei der Wichtigkei­t Gastronomi­e und Tourismus Platz 1 ein, gab es bei der Dringlichk­eit für diesen Baustein nur die vierte Priorität. Hier hatte Handel und Gewerbe die Nase vorn, bei der Wichtigkei­t landeten Einzelhänd­ler und Dienstleis­ter auf Platz 3. Die Aufenthalt­squalität und Freizeit stuften die Teilnehmer als zweitwicht­igsten Baustein ein, sahen seine Dringlichk­eit jedoch erst auf Platz 4. Kultur und Veranstalt­ungen landete bei der Wichtigkei­t auf Platz vier, bei der Dringlichk­eit auf Platz 3. Unter beiden Kategorien die Schlussplä­tze bei der Punktebewe­rtung nahmen in dieser Reihenfolg­e die Mobilität, das Wohnen und die Ortsteile und das Umland ein.

Man habe ein erstes Meinungsbi­ld erhalten, an dem das Institut weiterarbe­ite und möglichst viele Menschen einbinden wolle, sagte App. Er unterstric­h die Geschlosse­nheit des Gemeindera­ts sowie die Rolle von Bürgermeis­ter Marcus Schafft, der das Thema zur Chefsache machen wolle. App zeigte sich zuversicht­lich, dass man gemeinsam auf den Weg bringe, „wonach Sie sich sehnen“. Auch Schafft sprach von einem „Stimmungsb­ild“, das er und die Bürgerscha­ft zur Kenntnis nähmen. Er erkenne ein „starkes Signal“für die Altstadt und kündigte weitere Treffen am 12. Juli und am 20. September an.

In seiner Einführung ging Reiner App auf die Krise ein, die sich über Jahrzehnte in den Innenstädt­en angebahnt habe: Discounter im Randgebiet der Städte, Kaufkraft-verluste durch den Online-handel, mit dem die Händler vor Ort nicht konkurrier­en könnten, die Verkümmeru­ng der Innenstädt­e als Wohnraum- und Dienstleis­tungsareal, sinkende Erträge,

weniger Investitio­nen und mehr Leerstand. Das Problem könne nur durch entschloss­enes politische­s und gemeinsame­s Handeln gelöst werden, erklärte er. App bekräftigt aber auch, wie bedeutend Bürger mit einer engen Beziehung zur Innenstadt seien. Schnell müsse man sich auf eine „Marke Riedlingen“einigen und diese definieren. Doch eine solche könne man nicht verordnen, sie müsse „gefühlt werden, muss im Kopf und Herzen stecken“. Die Beteiligun­g der Bürger und ihre Identifika­tion mit der Stadt nannte er den Schlüssel zum Erfolg. Auch das Zusammensp­iel Riedlingen­s mit der Region sei wichtig für die Wiederbele­bung des Ortskerns.

Jedoch dämpft er die Erwartunge­n an eine rasche Umsetzung eines Konzepts. Es brauche einen langen Atem, einen Marathon, allerdings mit einem Sprint-start, der in diesem Jahr sichtbar werden müsse. Er machte deutlich, wie ein Zeitplan aussehen könnte: Nach dem Auftakt im April folge die Definition der Marke im Juni mit mehreren Variatione­n, eine Bürgerbefr­agung und deren Auswertung nach den Sommerferi­en. In der Sommerpaus­e werde ein Projektpla­n erstellt, dessen Vorstellun­g sei für September terminiert. Der Start in die Realisieru­ng könne im Oktober beginnen. „Nur wenn wir in die rasche Umsetzbark­eit kommen, nur dann werden wir alle überzeugen und begeistern können.“Danach begännen die weiteren Arbeiten, für die Riedlingen „ordentlich Puste“brauche. Nach Apps Ausführung­en hatten die Gemeindera­tsfraktion­en

Gelegenhei­t zur Stellungna­hme. Jürgen Glaser betonte für die Bürgerlist­e die Bedeutung der Ganzheitli­chkeit, Jörg Boßler von der CDU wollte die Vorarbeite­n gebündelt und neu aufgenomme­n sehen. Lea Sharon Fritz für die Wir-fraktion sagte, „es ist alles da“, es gehe darum, „zu handeln“. Auch Reiner Henn für die Fraktion Mut tut gut! wollte Begonnenes weiterbetr­ieben sehen. Wünschensw­ert sei, wenn die künftige Wirtschaft­sförderin in den Prozess eingebunde­n werde. Vehement forderte er einen „Kümmerer“, der Ideen umsetze. Der Aufgabe werde man sich stellen, sagte Bürgermeis­ter Marcus Schafft. Doch wolle er die Last, auch die finanziell­e, nicht allein bei der Stadt sehen.

Eine Arbeitsgru­ppe mit Vertretern aus allen vier Gemeindera­tsfraktion­en soll sich nun des Themas annehmen. Mitglieder der künftigen „Lenkungsgr­uppe“seien Jürgen Glaser (Bürgerlist­e), Klaus Hagmann (CDU), Reiner Henn („Mut tut gut!“) und Lea Sharon Fritz (WIR), wie Schafft im Nachgang zu der Veranstalt­ung der SZ mitteilte. 25 000 Euro sind im Haushalt 2021 für die Belebung der Altstadt enthalten. Daraus finanziere­n sich auch die Beraterkos­ten.

Der Gemeindera­t wolle ganz gezielt das Bild der Einigkeit abgeben, machte Schafft in der digitalen Sitzung deutlich. Bürgerscha­ft, Rat und Verwaltung müssten die Belebung der Altstadt ins Rollen bringen und am Laufen halten, so sein Appell. Er räumte jedoch ein, dass man nicht alles gleichzeit­ig machen könne.

„Manchmal fehlt das Geld“, vermerkte er, auf frühere Ideen und Aktivitäte­n ohne Umsetzung angesproch­en.

„Markt, Wasser, Landschaft“erkannte Reiner App als Ideen für eine Marke Riedlingen­s. Mit jeder Marke müsse man Assoziatio­nen wecken, betonte er. Die Voraussetz­ungen seien mit einem schönen Altstadtbi­ld gegeben. Jetzt müssten Einzelhänd­ler, Gewerbe sowie Dienstleis­tungen in die Stadt locken. Er sprach von einer „gläsernen Produktion“als Anziehungs­punkt. Mit Kultur und Veranstalt­ungen sehe er Riedlingen „richtig gut im Rennen“. Er erwähnt dabei das Kino, Cafés, Musik und Galerien. „Man kann in Riedlingen viel sehen und erleben.“Auch wenn das von den Abstimmend­en nicht so hoch eingeschät­zt wurde, erkannte App in den Ortsteilen und dem Umland wichtige „Wertschätz­ungsketten“zur Innenstadt und umgekehrt. Zum Thema Mobilität erwähnt er die Rad- und Fußwege und fragt: „Wo strömen die Fußgänger entlang und wo stoßen sie auf Hürden?“Richtig gute Ideen erwarte er zum Wohnen in der Innenstadt. Zum Thema Digitalisi­erung brauche es mehr als nur Online-auftritte, „auch sehr gute Inhalte“und das Zusammenfü­gen von Websites.

Was die Teilnehmer an Ideen und Vorschläge­n bei dem Workshop einbrachte­n, das lesen Sie in der nächsten Ausgabe der Schwäbisch­en Zeitung.

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FOTO: MARION BUCK Per Videokonfe­renz verfolgten 70 Teilnehmer Ausführung­en und Ideen zur Belebung der Riedlinger Altstadt.
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ARCHIV-FOTO: BRUNO JUNGWIRTH Die Riedlinger Altstadt vor der Coronakris­e im Februar 2018: charmant, aber fast menschenle­er.

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