Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Prozess: Waldorfleh­rer verweigert Maske

Pädagoge: „diktatoris­che“Vorgabe – Das sagen Kultusmini­sterium und Schulamt dazu

- Von Johannes Rauneker

- Endet diese Pädagogen-ära im Zwist? 30 Jahre unterricht­ete Fritz P. (Name geändert) an der Ulmer Waldorfsch­ule in der Römerstraß­e. Bis ihm die Schule inmitten der Pandemie kündigte. Grund: Der Lehrer weigerte sich, Maske zu tragen, legte auch ein Attest vor. Nun wird der Fall vor dem Ulmer Arbeitsger­ichts verhandelt.

Wie andere Schulen auch, hat das Coronaviru­s die Waldorfsch­ule in der Römerstraß­e (es gibt zwei Waldorfsch­ulen in Ulm) wie aus heiterem Himmel getroffen. Und gleichzeit­ig für ein ebenso unvermitte­ltes Zerwürfnis mit einem langjährig­en Pädagogen gesorgt. 30 Jahre unterricht­ete Fritz P. an der Schule, eine bewährte Zusammenar­beit.

Wer mit Hartmut Semar, dem Geschäftsf­ührer der Schule telefonier­t, erlebt einen etwas zerknirsch­t wirkenden Leiter. Es habe sich nicht abgezeichn­et, dass seine Schule und der langjährig­e Pädagoge mittlerwei­le nur noch über Anwälte kommunizie­ren. Was ist passiert?

Angesichts der Gefahr, die von dem Virus ausgeht, hatte sich die Waldorfsch­ule im vergangene­n Jahr eigene Hygienesta­ndards auferlegt. Zu denen gehört: Auch Lehrer müssen Maske tragen. Fritz P. protestier­te und lehnte ab – aus medizinisc­hen Gründen. Worauf die Schule eine Lösung präsentier­te: Sie bot P. an, ein Gesichtssc­hild aufzuziehe­n, das nicht direkt auf Mund und Nase aufliegt. Der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt P.: Auch das Schild vertrage er gesundheit­lich nicht.

Nachdem ihn die Schule abgemahnt hatte, und P. sich trotzdem weiter weigerte, Maske oder Schild zu tragen, sprach sie um den Jahreswech­sel die Kündigung aus. Weil es sich bei der Waldorfsch­ule um eine private Einrichtun­g handelt, war P. nicht beim Land, sondern über den Verein angestellt, der hinter der Waldorfsch­ule steht.

Im März der Versuch, die Sache ohne Gerichtsen­tscheidung zu lösen. Eine Güteverhan­dlung vor dem Arbeitsger­icht verlief vielverspr­echend. Man einigte sich auf eine Abfindung, 27 500 Euro sollte der Lehrer bekommen, inklusive späterer Betriebsre­nte. Konkret lautete die Forderung des Lehrers aber: Dass er wieder eingestell­t wird. Einer seiner Anwälte ist der „Querdenken“-anwalt Markus Haintz.

Doch aus der Einigung wurde nichts. Innerhalb der Frist widersprac­h P. der Lösung, mit der er einen Schlussstr­ich hätte ziehen können. Begründung: Das Vorgehen der Schule, die selbst auch von Corona und Quarantäne­fällen betroffen war, sei „rechtswidr­ig“gewesen.

Und was ist mit Lehrern, die wie Fritz P. vorgeben, aus medizinisc­hen Gründen tatsächlic­h keine Masken oder Ähnliches tragen zu können, die Atteste vorlegen können? Skepsis ist angebracht. Kultusmini­steriumssp­recher Reinhard verweist auf Fälle, in denen Ärzte solche Atteste nicht wegen des Gesundheit­sschutzes, sondern ihrer eigenen Gesinnung ausgestell­t hätten. Weil sie selbst Masken-gegner sind.

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“entpuppt sich Fritz P. zumindest als Masken-skeptiker. Er verweist auf angebliche Studien, die nachweisen würden, dass Kinder gesundheit­lich leiden, wenn sie Masken tragen müssen. Ins Detail seiner Auffassung will er nicht gehen, schimpft lieber über die Presse; „erschütter­t“sei er, wie unlängst schon über sein Fall berichtet worden sei.

Aber es gibt sie, die Ausnahmen. Von der Maskenpfli­cht befreit sind an Schulen jene (Lehrer), „die glaubhaft machen können, dass ihnen dies aus gesundheit­lichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist“, so das Kultusmini­sterium. Dies gilt zum Beispiel für Menschen mit einer entspreche­nden Behinderun­g. Bestehen aber begründete Zweifel am Attest, kann die Schule ein qualifizie­rtes Attests verlangen, in dem die Diagnose „nachvollzi­ehbar medizinisc­h begründet wird“.

Fritz P. greift die Schulleitu­ng an, weil er die schulinter­nen Hygienevor­gaben als „diktatoris­che“und eigenmächt­ige Vorgabe empfindet. Und er beruft sich ausgerechn­et auch auf Landes-vorschrift­en. Diese hätten zum Zeitpunkt, als er von der Schule „geflogen“ist, besagt: Wer aus medizinisc­hen Gründen keine Masken tragen kann – vorausgese­tzt natürlich, das Attest wurde korrekt ausgestell­t –, der müsse lediglich Abstand halten. Daran habe er sich gehalten.

Sein „Vergehen“, um das es im Grunde gehe, sei es gewesen, gegen die schulinter­nen Hygienereg­eln verstoßen zu haben. Regeln, die allerdings gar nicht wirksam seien, weil sie aus seiner Sicht auf falscher Grundlage eingeführt wurden. Von „oben“befohlen und nicht, wie eigentlich nötig, als gemeinsam getroffene Vereinbaru­ng zwischen Lehrern und Schulleitu­ng. In diese Kerbe will er schlagen, das ist für ihn der Casus Knaxus.

Ob die Schule Fritz P. wieder einstellen muss (aktuell bekommt er kein Gehalt), muss das Arbeitsger­icht in der Verhandlun­g entscheide­n. Der Prozess soll in der zweiten Jahreshälf­te über die Bühne gehen. Spätestens 2023 wäre aber auch für Fritz P. definitiv Schluss, dann winkt der Ruhestand.

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FOTO: DPA Immer wieder Streitthem­a: Masken an Schulen. Ein Ulmer Lehrer und eine Waldorfsch­ule zanken vor Gericht.

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