Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ohne Groll und mit dem abgeschobenen Kapitän
Der VFB Stuttgart kehrt zurück an den Ort des jüngsten Abstieges – doch richtig interessiert dieser Fakt keinen
- Auch wenn die Vergangenheit immer in die Gegenwart hineinreicht, so wichtig wie vielleicht einige Fans nehmen die Verantwortlichen des VFB Stuttgart das Rückkehr-spiel beim 1. FC Union Berlin (15.30/Sky) nicht – zumindest historisch. Hatte schon Sportvorstand Sven Mislintat verkündet: „Wir hegen keinen Groll“, zog einen Tag vor der Rückkehr zum Ort, an dem vor knapp zwei Jahren der jüngste Vereinsabstieg besiegelt wurde, nun auch Pellegrino Matarazzo nach: „Die Spieler verbinden Union Berlin nicht mit dem Abstieg. Es ist nicht so, dass wir nach Berlin fahren und an den Abstieg denken. Es gibt keine Rachegedanken oder das Bedürfnis etwas wieder gutmachen zu wollen“, stellte der Vfb-trainer klar.
Das heißt natürlich nicht, dass man nicht gewinnen will. Jedoch aus anderen Gründen. Denn statt Groll gibt es in Berlin eine weitaus verlockendere Motivation. „Im Gegenteil: Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung, weil sie in einer Tabellenregion stattfindet, die beiden Vereinen schmeckt“, sagte Mislintat: „Wir freuen uns darauf und können da ja auch einen Verein überholen, wenn wir da drei Punkte machen.“Die in der Geschichte der Bundesliga schon beinahe verehrte Nichtabstiegs-40punkte-grenze spielt dabei keine Rolle. „Ich habe schon vor Wochen gesagt, dass das Ziel Klassenerhalt abgehakt ist. Ich war zudem nie ein Fan der 40-Punkte-regel“erklärte Matarazzo.
Auf zu neuen Zielen also. Und das könnte sowohl bei Union Berlin als auch beim VFB Stuttgart das internationale Geschäft sein, auch wenn das die Verantwortlichen naturgemäß nicht so offensiv formulieren wollen. „Wir wollen immer den maximalen Erfolg. Ziel sind immer die drei Punkte. Wir wollen also gewinnen und dann sehen, wohin die Reise geht“, sagte Matarazzo.
Leicht wird es gegen die Berliner sicherlich nicht. Schönheitspreise gebe es in der Hauptstadt ebenfalls nicht zu gewinnen. Allgemein ist „Union die Mannschaft, die aus meiner Sicht am besten verteidigt in der Liga“. Wie der Trainer das Bollwerk sprengen will, darüber wollte er so wenig Worte wie möglich verlieren. „Ich möchte nicht zu viel verraten. Nur so viel: Es wird wichtig sein, dass wir das Verhalten vom Gegner kennen und rechtzeitig die Räume erkennen und vor allem hartnäckig sind“, so Matarazzo, der Unions-topstürmer Max Kruse keinen „Wachhund“an die Seite stellen will. „Das muss die Mannschaft im Griff haben.“
Dazu könnten auch Gonzalo Castro sowie Daniel Didavi gehören, die im Relegationsspiel vor zwei Jahren in Berlin eingewechselt wurden. Über Castro, den Noch-kapitän, der im Sommer den Verein verlassen muss, fielen Matarazzo die Worte dann doch nicht ganz so leicht. „Bei Gonzo ist es sicherlich die schwierigste Personalentscheidung, die wir treffen mussten. Er ist menschlich und sportlich überragend. Aber es gibt verschiedene Gründe, etwa die finanziellen Rahmenbedingungen und auch die Kaderstruktur.“Für Samstag sei Castro jedoch eine Option: „Gonzo haben wir zuletzt geschont. Wir gehen davon aus, dass er wieder ins Mannschaftstraining einsteigen und dann dabei sein kann.“