Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

EU verschärft das Tempo beim Klimaschut­z

Co2-ausstoß soll bis 2030 noch stärker gesenkt werden – Was das für die Wirtschaft bedeutet

- Von Igor Steinle

- Nun ist es offiziell: Nach monatelang­en Verhandlun­gen wird die Europäisch­e Union ihr gemeinsame­s Klimaziel anheben. 15 Stunden dauerte der Brüsseler Verhandlun­gsmarathon, bis Vertreter der Staaten und des Eu-parlaments sich am frühen Mittwochmo­rgen einigen konnten, den Ausstoß des klimaschäd­lichen Kohlendiox­ids bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Bisher hat das Ziel 40 Prozent gelautet. Bis 2050 möchte die EU überhaupt kein CO2 mehr emittieren, zumindest nicht mehr, als es durch Maßnahmen wie etwa Aufforstun­g wieder einfangen kann.

In Deutschlan­d hatte man den Beschluss auf Eu-ebene mit Spannung erwartet. Zwar war klar, dass es ein höheres Ziel geben wird, nicht jedoch, wie hoch es letztlich ausfallen wird. Das ist deswegen von großer Bedeutung, da, je nachdem wie die Einsparung­en über die Eu-länder verteilt werden, auf die Bundesrepu­blik zusätzlich­e Anstrengun­gen zukommen werden. So lautete das nationale Einsparzie­l Deutschlan­ds bisher schon minus 55 Prozent.

Der „Expertenra­t für Klimafrage­n“, der qua Gesetz die deutschen Einsparans­trengungen beurteilt, schätzt, dass sich aus dem strengeren Eu-ziel für Deutschlan­d eine Minderung von 62 bis 68 Prozent ergibt. Was das konkret bedeutet, skizzierte Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD): „Der Ausbau von Sonnen- und Windkraft muss beschleuni­gt werden, der Kohleausst­ieg wird schneller kommen als bisher geplant.“

Schon tags zuvor hatte sie angekündig­t, das Ende der Kohleverst­romung werde wohl bereits bis 2030 stattfinde­n und nicht erst wie geplant 2038. Christoph Bals, Geschäftsf­ührer der Umweltorga­nisation „Germanwatc­h“schätzt, dass die Beschlüsse „ungefähr eine Verdopplun­g des Klimaschut­z-tempos“bedeuten.

In der Wirtschaft wurde der Beschluss verhalten bis positiv aufgenomme­n. Als „ambitionie­rten, aber notwendige­n Schritt“kommentier­te der Maschinenb­auverband VDMA die Eu-beschlüsse. Es komme nun „auf eine faire Lastenteil­ung“an, heißt es beim Verband der Chemischen

Industrie (VCI). Mehr Unterstütz­ung für eine Umstellung auf klimafreun­dlichere Verfahren forderte die Stahllobby.

Kritik kam hingegen von Umweltverb­änden. Die Beschlüsse wiesen „in die richtige Richtung, blieben aber „hinter den Möglichkei­ten der EU zurück“, sagte der Präsident des Deutschen Naturschut­zrings (DNR), Kai Niebert. Er kritisiert­e, dass in die Treibhausg­asbilanz auch die Co2einspar­leistung, die Wälder oder Moore erbringen, eingerechn­et werden soll. Die tatsächlic­he Emissionsm­inderung betrage damit nur rund 53 Prozent.

Das war auch einer der Hauptstrei­tpunkte, der die Gespräche in Brüssel in die Länge gezogen hat. Das Parlament, das sich für 60 Prozent weniger Emissionen eingesetzt hatte, konnte zumindest eine Deckelung der Beiträge der „Co2-senken“erreichen.

Für die EU war es eine Einigung in letzter Minute. So konnte sie eine

Blamage abwenden, denn mit den Beschlüsse­n will man an diesem Donnerstag auf einem von Us-präsident Joe Biden einberufen­en virtuellen Klimagipfe­l glänzen. Es wird erwartet, dass auch Biden für die USA ein neues Klimaziel für 2030 vorschlägt, nachdem er wieder ins Pariser Klimaabkom­men eingetrete­n ist und, wie die EU, Klimaneutr­alität bis 2050 als Langfristz­iel ausgerufen hat. China will dieses Ziel zehn Jahre später erreichen. Eine der großen Fragen ist deswegen, welche

Regeln auf dem Weg in eine Co2freie Welt gelten. „Klimaschut­z ist ein Kernpunkt des geopolitis­chen Kräftemess­ens zwischen den USA und China geworden“, sagt Bals deswegen zu der Bedeutung des Treffens.

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FOTO: PATRICK PLEUL /DPA Wasserdamp­f kommt aus den Türmen eines Braunkohle­kraftwerks: Das Ende der Kohleverst­romung wird laut Umweltmini­sterin Svenja Schulze wohl bereits bis 2030 stattfinde­n und nicht erst wie geplant 2038.

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