Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lieferengp­ässe bei Arzneien

Apotheker und Hausärzte warnen vor Mangel

- Von Alexander Sturm und Sascha Meyer

(dpa) - Den Apotheken und Hausärzten machen weiter Lieferengp­ässe bei wichtigen Arzneimitt­eln zu schaffen. Im vergangene­n Jahr waren 16,7 Millionen Packungen nicht verfügbar, für die es Rabattvert­räge mit den gesetzlich­en Kassen gibt, ergab eine Auswertung des Deutschen Arzneiprüf­ungsinstit­utes für den Deutschen Apothekerv­erband (DAV). Das waren etwas weniger als 2019 mit 18 Millionen Packungen. Am stärksten von Lieferprob­lemen betroffen waren unter anderem Blutdrucks­enker, Magensäure­blocker und Schmerzmit­tel. Während Hausärzte Lieferengp­ässe als Alltagspro­blem beschreibe­n, betont das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte, es stünden oft alternativ­e Medikament­e bereit.

Apotheken hätten jeden Tag personelle­n und logistisch­en Aufwand, um Patienten mit gleichwert­igen Austauschp­räparaten zu versorgen, wenn ein bestimmtes Medikament eines Hersteller­s nicht lieferbar ist, hieß es. In der Pandemie sei dies schwierige­r geworden, da zur Reduzierun­g von Kontakten wiederholt­e Apothekenb­esuche vermieden werden sollten.

Die Lage etwas entschärft hätten rechtliche Erleichter­ungen bei der Auswahl von Ersatzmedi­kamenten wegen der Corona-krise. „Diese pharmazeut­ische Beinfreihe­it beim Einsatz vorrätiger Medikament­e sollte unabhängig von der Pandemie erhalten bleiben“, sagte der Davvorsitz­ende Thomas Dittrich am Mittwoch. „Lieferengp­ässe waren schon vor Corona da, und es wird sie auch danach geben.“

Vorübergeh­end nicht verfügbare Arzneimitt­el sind ein alltäglich­es Problem bei Hausärzten, berichtet Hans-michael Mühlenfeld, Vorstandsv­orsitzende­r des Instituts für hausärztli­che Fortbildun­g im Deutschen Hausärztev­erband. „An vier von fünf Tagen in der Woche erleben wir, dass gewisse Medikament­e nicht zu bekommen sind.“Eine Systematik, was warum fehle, sei nicht zu erkennen. „Gefühlt ist die Lage in den vergangene­n Jahren schlimmer geworden.“

Teilweise könnten Ärzte auf wirkstoffg­leiche Arzneien ausweichen, manche Tabletten schmeckten dann aus Sicht von Patienten anders oder ließen sich anders aufteilen, sagt der Mediziner. In anderen Fällen seien auch Substanzen nicht verfügbar, dann bleibe nur, etwas Ähnliches zu verschreib­en. Mühlenfeld sieht den Kostendruc­k im Gesundheit­swesen als Problem. Die medizinisc­he Versorgung lasse sich nicht marktwirts­chaftlich lösen. Er warnt aber vor einer Dramatisie­rung von Lieferengp­ässen: „Vor einer großflächi­gen Unterverso­rgung mit Arzneien kann in Deutschlan­d keine Rede sein.“

Auch das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BFARM) sieht bei Lieferengp­ässen keinen Grund für Alarmstimm­ung. Die Behörde beobachtet derzeit rund 190 Lieferengp­ässe bei rund 100 000 zugelassen­en Arzneimitt­eln – ein Anteil von knapp 0,2 Prozent. Unter den vorübergeh­end knappen Medikament­en befänden sich viele, für die es eine Reihe wirkstoffg­leicher Nachahmera­rzneien gebe. „Ein Lieferengp­ass muss also nicht gleichzeit­ig ein Versorgung­sengpass sein, da oftmals andere Arzneimitt­el zur Verfügung stehen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany