Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Lieferengpässe bei Arzneien
Apotheker und Hausärzte warnen vor Mangel
(dpa) - Den Apotheken und Hausärzten machen weiter Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln zu schaffen. Im vergangenen Jahr waren 16,7 Millionen Packungen nicht verfügbar, für die es Rabattverträge mit den gesetzlichen Kassen gibt, ergab eine Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstitutes für den Deutschen Apothekerverband (DAV). Das waren etwas weniger als 2019 mit 18 Millionen Packungen. Am stärksten von Lieferproblemen betroffen waren unter anderem Blutdrucksenker, Magensäureblocker und Schmerzmittel. Während Hausärzte Lieferengpässe als Alltagsproblem beschreiben, betont das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, es stünden oft alternative Medikamente bereit.
Apotheken hätten jeden Tag personellen und logistischen Aufwand, um Patienten mit gleichwertigen Austauschpräparaten zu versorgen, wenn ein bestimmtes Medikament eines Herstellers nicht lieferbar ist, hieß es. In der Pandemie sei dies schwieriger geworden, da zur Reduzierung von Kontakten wiederholte Apothekenbesuche vermieden werden sollten.
Die Lage etwas entschärft hätten rechtliche Erleichterungen bei der Auswahl von Ersatzmedikamenten wegen der Corona-krise. „Diese pharmazeutische Beinfreiheit beim Einsatz vorrätiger Medikamente sollte unabhängig von der Pandemie erhalten bleiben“, sagte der Davvorsitzende Thomas Dittrich am Mittwoch. „Lieferengpässe waren schon vor Corona da, und es wird sie auch danach geben.“
Vorübergehend nicht verfügbare Arzneimittel sind ein alltägliches Problem bei Hausärzten, berichtet Hans-michael Mühlenfeld, Vorstandsvorsitzender des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband. „An vier von fünf Tagen in der Woche erleben wir, dass gewisse Medikamente nicht zu bekommen sind.“Eine Systematik, was warum fehle, sei nicht zu erkennen. „Gefühlt ist die Lage in den vergangenen Jahren schlimmer geworden.“
Teilweise könnten Ärzte auf wirkstoffgleiche Arzneien ausweichen, manche Tabletten schmeckten dann aus Sicht von Patienten anders oder ließen sich anders aufteilen, sagt der Mediziner. In anderen Fällen seien auch Substanzen nicht verfügbar, dann bleibe nur, etwas Ähnliches zu verschreiben. Mühlenfeld sieht den Kostendruck im Gesundheitswesen als Problem. Die medizinische Versorgung lasse sich nicht marktwirtschaftlich lösen. Er warnt aber vor einer Dramatisierung von Lieferengpässen: „Vor einer großflächigen Unterversorgung mit Arzneien kann in Deutschland keine Rede sein.“
Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM) sieht bei Lieferengpässen keinen Grund für Alarmstimmung. Die Behörde beobachtet derzeit rund 190 Lieferengpässe bei rund 100 000 zugelassenen Arzneimitteln – ein Anteil von knapp 0,2 Prozent. Unter den vorübergehend knappen Medikamenten befänden sich viele, für die es eine Reihe wirkstoffgleicher Nachahmerarzneien gebe. „Ein Lieferengpass muss also nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, da oftmals andere Arzneimittel zur Verfügung stehen.“