Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Daimler geht wegen Chipkrise in Kurzarbeit
(dpa) - Angesichts weltweiter Lieferengpässe von elektronischen Bauteilen schickt der Autobauer Daimler an vorerst mindestens zwei Standorten Tausende Mitarbeiter wieder in die Kurzarbeit. Betroffen ist ein Großteil der Beschäftigten der Mercedes-werke in Rastatt und Bremen. Daimler teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, für die betroffenen Mitarbeiter sei Kurzarbeit jeweils von diesem Freitag an zunächst bis Ende kommender Woche beantragt worden.
Im Bremer Werk sind mehr als 12 000 Mitarbeiter beschäftigt, in Rastatt rund 6500. Ausgenommen von der Kurzarbeit sind nach Unternehmensangaben an beiden Standorten Mitarbeiter in „strategischen Projekten“und sogenannten Grundfunktionen, dazu zählt Daimler etwa die Bereiche Instandhaltung und Versorgung sowie Qualifizierungsthemen. Zunächst hatten lokale Medien über die Kurzarbeitspläne an den jeweiligen Standorten berichtet.
Die Mitarbeiter beider Werke sowie des Standorts im ungarischen Kecskemét waren bereits Anfang des Jahres wegen der Chipkrise in Kurzarbeit geschickt worden. Daimler äußerte sich auf Anfrage nicht im Detail zu der Frage, ob nun auch für weitere Werke Kurzarbeit geplant sei. Man sei im Austausch mit den Halbleiterlieferanten und passe „falls nötig“die „Fahrweisen in einzelnen Werken an“, hieß es lediglich. Die Situation sei volatil, man fahre auf Sicht.
- Im Oberrheingraben liegt ein Schatz, davon ist Horst Kreuter überzeugt. Es ist jedoch kein Gold, das in der 300 Kilometer langen Tiefebene vorkommt, sondern Lithium. Das chemische Element ist klein, leicht und kommt gelöst im Thermalwasser unterhalb des Oberrheingrabens in der Nähe vom baden-württembergischen Bruchsal vor. Bekannt und begehrt ist es vor allem als Rohstoff für Batterien– hier ist es in Form von geladenen Ionen wichtig für die Speicherung von Energie. Deshalb soll der Schatz im Oberrheingraben nun gefördert werden. Horst Kreuter plant mit seiner Firma Vulcan Energy Ressources das Lithium auf den Markt zu bringen - und das nachhaltig und Co2-neutral.
Die Nachfrage nach Lithium ist insbesondere durch den Boom an elektrischen Fahrzeugen gestiegen. 13,5 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Autos haben laut deutschem Kraftfahrt-bundesamt einen elektrischen Antrieb, in Baden-württemberg sind es sogar 16 Prozent. Dazu kommen Fahrräder mit einem Elektroantrieb: Laut Bundesumweltamt sind 1,6 Millionen Pedelecs und E-bikes auf deutschen Straßen unterwegs. Und auch in den meisten Handy- und Pc-akkus steckt Lithium. In der Medizin wird das Alkalimetall außerdem benutzt, um psychische Erkrankungen zu behandeln.
In Europa hat Deutschland das größte Lithiumvorkommen. Weltweit haben aber Bolivien, Chile, China und Australien deutlich die Nase vorn. Und hier liegt auch das Problem. Denn bis das Lithium in Deutschland in Form von Akkus ankommt, hat es in der Regel einen langen Transportweg hinter sich. Von den Ursprungsländern führt der Weg nach Asien, wo es zu Batterien verarbeitet wird. Der Transport über verschiedene Kontinente sorgt für verstärke Co2-emmisionen.
Außerdem stehen die Bedingungen, unter denen das Lithium im Ausland gefördert wird, in der Kritik. Lithium kann durch Bergbau oder aus Salzseen gewonnen werden, was teilweise mit schlechten Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung einhergeht. Diese Probleme sollen durch die deutsche Lithiumgewinnung nun gelöst werden.
Wie das konkret aussehen könnte, zeigt ein Modellprojekt des Energieunternehmens ENBW zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie, der Universität Göttingen und den Ingenieurbüros Bestec und Hydrosion. In einer Geothermieanlage in Bruchsal erforschen die Partner seit 2010, wie das Lithium aus dem Thermalwasser des Oberrheingrabens gefiltert werden kann. Dabei ist das begehrte Lithium in der Geothermieanlage im ersten Schritt zunächst nur ein Nebenprodukt. Die Geothermieanlagen dienen eigentlich der Strom- und Wärmeerzeugung. In einem geschlossenen Kreislauf wird das bis zu 180 Grad Celsius heiße Thermalwasser an die Oberfläche geholt. Es fließt dann zum Beispiel über einen Wärmetauscher oder betreibt einen Generator und wird anschließend wieder in die Erde geleitet. Erst in einem zweiten
Schritt wird das Lithium aus diesem Kreislauf herausgefiltert.
Das ist allerdings eine Herausforderung, denn das Wasser enthält auch noch andere Salze. „Das Thermalwasser hier hat 120 Gramm Salze pro Liter Wasser. Das ist vierfach so hoch konzentriert wie Meerwasser“, sagt Klemens Slunitschek. Er ist Geoökologe und Geochemiker und arbeitet im Rahmen seiner Promotion an dem Pilotprojekt mit. „Wir brauchten also eine sehr selektive und schnelle Methode“, erläutert er.
Die Lösung ist ein sogenannter Sorbent, also ein chemischer Stoff, mit dem nur das Lithium reagiert und so an ihm haften bleibt. In der Pilotanlage wird dafür Manganoxid verwendet. „Sorbenten wie Manganoxid gibt es zum Beispiel als feines Pulver. Diese Form ist aber eher unter Laborbedingungen sinnvoll“, erklärt Slunitschek. In der Anlage in Bruchsal nutzt man daher eine Art Granulat oder mit Manganoxid beschichtete Oberflächen. In welcher Form das Manganoxid zugegeben wird, um möglichst effektiv zu filtern, ist aktuell noch Gegenstand der Forschung. In einer sogenannten Desorptionslösung wird das Lithium dann wieder vom Manganoxid getrennt und kann weiter verarbeitet werden.
Eine zentrale Fragestellung des Projekts: Wie viel Lithium ist im Oberrheingraben überhaupt vorhanden? Mithilfe eines Farbstoffes, der in den Wasserkreislauf gegeben wird, wird das unterirdische Reservoir in Bruchsal untersucht. Die Vermutung: Das heiße Thermalwasser wäscht immer wieder neues Lithium aus dem Gestein. „Das Lithium ist für unsere Vorstellungen beinahe unverbrauchbar“, sagt Thomas Kölbel, Geowissenschaftler beim Energieversorger ENBW. Er ergänzt: „Das ergibt eine Menge von 20 000 Autobatterien pro Jahr nur in Bruchsal.“Um den Jahresbedarf an Akkus für deutsche Elektroautos zu decken, reicht das Lithium aus dem Oberrheingraben damit allerdings nicht. Lithium muss auch in Zukunft importiert werden.
Der Vorteil an der Kombination von Geothermie und Lithiumgewinnung wiederum ist die Energiebilanz. Da durch die Geothermie Strom und Wärme gewonnen werden, erzeugt diese Gewinnung von Lithium keine Emissionen – im Gegenteil. „Wir haben sogar eine negative Co2-bilanz“, betont Horst Kreuter von Vulcan Energy Ressources. Das deutschaustralische Unternehmen fördert auch in Australien Lithium, will sich aber nun verstärkt auf den europäischen Markt fokussieren. Zehn Geothermie-anlagen will das Unternehmen am Oberrheingraben daher bauen. „Die Nachfrage steigt rasant. Der größte Abnehmer der entstehenden Batterien wird sicherlich die Automobilindustrie sein“, sagt Kreuter.
Ein Verkaufsargument für das von Vulcan Energy Ressources vertriebene Lithium: Die Lieferkette soll vollständig transparent sein. Dafür hat sich das Unternehmen einen Partner gesucht. Circulor hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ressourcen mit einem Herkunftsnachweis zu versehen und die komplette Wertschöpfungskette nachvollziehbar zu machen. „Das gilt insbesondere für risikobehaftete Stoffe mit potenziell hoher Auswirkung auf die Umwelt wie Lithium“, erläutert Luise Müllerhofstede, Geschäftsführerin der Circulor Gmbh. Die Idee: Die Käufer von Elektroautos sollen sicher sein können, woher das Lithium in den Akkus kommt. Denn meistens geht der Rohstoff zuerst nach China, wo er zu Batterien verarbeitet wird. Erst dann kaufen ihn Abnehmer aus der Automobilindustrie in Form von Akkus ein.
Aktuell liegt der Lithiumpreis nach S&P Platts bei etwa 13 000 Usdollar pro Tonne Lithiumhydroxid. Aber: Eine Knappheit des Rohstoffes zeichnet sich ab. Die könnte den Preis nach oben treiben. Es ist außerdem noch nicht klar, wie viel das deutsche Lithium im Vergleich zum Rohstoff aus dem Ausland kosten wird. Einen Vorteil hat Vulcan Energy Ressources jedoch: Die europäische Batterieverordnung und der C02-pass machen die Einfuhr von Lithium und Batterien aus dem Ausland teurer. Die Chance besteht also, dass das deutsche Lithium sogar günstiger wird. Und auch die Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit könnten den deutschen Rohstoff beliebter machen. Horst Kreuter ist sich daher sicher: „Mit unserer deutschen Produktion haben wir die besten Chancen unsere Nachhaltigkeit auch nachzuweisen.“Zwischen 2024 und 2025 soll die kommerzielle Lithiumgewinnung dann starten.