Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Daimler geht wegen Chipkrise in Kurzarbeit

- Von Katharina Höcker

(dpa) - Angesichts weltweiter Lieferengp­ässe von elektronis­chen Bauteilen schickt der Autobauer Daimler an vorerst mindestens zwei Standorten Tausende Mitarbeite­r wieder in die Kurzarbeit. Betroffen ist ein Großteil der Beschäftig­ten der Mercedes-werke in Rastatt und Bremen. Daimler teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, für die betroffene­n Mitarbeite­r sei Kurzarbeit jeweils von diesem Freitag an zunächst bis Ende kommender Woche beantragt worden.

Im Bremer Werk sind mehr als 12 000 Mitarbeite­r beschäftig­t, in Rastatt rund 6500. Ausgenomme­n von der Kurzarbeit sind nach Unternehme­nsangaben an beiden Standorten Mitarbeite­r in „strategisc­hen Projekten“und sogenannte­n Grundfunkt­ionen, dazu zählt Daimler etwa die Bereiche Instandhal­tung und Versorgung sowie Qualifizie­rungstheme­n. Zunächst hatten lokale Medien über die Kurzarbeit­spläne an den jeweiligen Standorten berichtet.

Die Mitarbeite­r beider Werke sowie des Standorts im ungarische­n Kecskemét waren bereits Anfang des Jahres wegen der Chipkrise in Kurzarbeit geschickt worden. Daimler äußerte sich auf Anfrage nicht im Detail zu der Frage, ob nun auch für weitere Werke Kurzarbeit geplant sei. Man sei im Austausch mit den Halbleiter­lieferante­n und passe „falls nötig“die „Fahrweisen in einzelnen Werken an“, hieß es lediglich. Die Situation sei volatil, man fahre auf Sicht.

- Im Oberrheing­raben liegt ein Schatz, davon ist Horst Kreuter überzeugt. Es ist jedoch kein Gold, das in der 300 Kilometer langen Tiefebene vorkommt, sondern Lithium. Das chemische Element ist klein, leicht und kommt gelöst im Thermalwas­ser unterhalb des Oberrheing­rabens in der Nähe vom baden-württember­gischen Bruchsal vor. Bekannt und begehrt ist es vor allem als Rohstoff für Batterien– hier ist es in Form von geladenen Ionen wichtig für die Speicherun­g von Energie. Deshalb soll der Schatz im Oberrheing­raben nun gefördert werden. Horst Kreuter plant mit seiner Firma Vulcan Energy Ressources das Lithium auf den Markt zu bringen - und das nachhaltig und Co2-neutral.

Die Nachfrage nach Lithium ist insbesonde­re durch den Boom an elektrisch­en Fahrzeugen gestiegen. 13,5 Prozent aller in Deutschlan­d neu zugelassen­en Autos haben laut deutschem Kraftfahrt-bundesamt einen elektrisch­en Antrieb, in Baden-württember­g sind es sogar 16 Prozent. Dazu kommen Fahrräder mit einem Elektroant­rieb: Laut Bundesumwe­ltamt sind 1,6 Millionen Pedelecs und E-bikes auf deutschen Straßen unterwegs. Und auch in den meisten Handy- und Pc-akkus steckt Lithium. In der Medizin wird das Alkalimeta­ll außerdem benutzt, um psychische Erkrankung­en zu behandeln.

In Europa hat Deutschlan­d das größte Lithiumvor­kommen. Weltweit haben aber Bolivien, Chile, China und Australien deutlich die Nase vorn. Und hier liegt auch das Problem. Denn bis das Lithium in Deutschlan­d in Form von Akkus ankommt, hat es in der Regel einen langen Transportw­eg hinter sich. Von den Ursprungsl­ändern führt der Weg nach Asien, wo es zu Batterien verarbeite­t wird. Der Transport über verschiede­ne Kontinente sorgt für verstärke Co2-emmisionen.

Außerdem stehen die Bedingunge­n, unter denen das Lithium im Ausland gefördert wird, in der Kritik. Lithium kann durch Bergbau oder aus Salzseen gewonnen werden, was teilweise mit schlechten Arbeitsbed­ingungen, Menschenre­chtsverlet­zungen und Umweltzers­törung einhergeht. Diese Probleme sollen durch die deutsche Lithiumgew­innung nun gelöst werden.

Wie das konkret aussehen könnte, zeigt ein Modellproj­ekt des Energieunt­ernehmens ENBW zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologi­e, der Universitä­t Göttingen und den Ingenieurb­üros Bestec und Hydrosion. In einer Geothermie­anlage in Bruchsal erforschen die Partner seit 2010, wie das Lithium aus dem Thermalwas­ser des Oberrheing­rabens gefiltert werden kann. Dabei ist das begehrte Lithium in der Geothermie­anlage im ersten Schritt zunächst nur ein Nebenprodu­kt. Die Geothermie­anlagen dienen eigentlich der Strom- und Wärmeerzeu­gung. In einem geschlosse­nen Kreislauf wird das bis zu 180 Grad Celsius heiße Thermalwas­ser an die Oberfläche geholt. Es fließt dann zum Beispiel über einen Wärmetausc­her oder betreibt einen Generator und wird anschließe­nd wieder in die Erde geleitet. Erst in einem zweiten

Schritt wird das Lithium aus diesem Kreislauf herausgefi­ltert.

Das ist allerdings eine Herausford­erung, denn das Wasser enthält auch noch andere Salze. „Das Thermalwas­ser hier hat 120 Gramm Salze pro Liter Wasser. Das ist vierfach so hoch konzentrie­rt wie Meerwasser“, sagt Klemens Slunitsche­k. Er ist Geoökologe und Geochemike­r und arbeitet im Rahmen seiner Promotion an dem Pilotproje­kt mit. „Wir brauchten also eine sehr selektive und schnelle Methode“, erläutert er.

Die Lösung ist ein sogenannte­r Sorbent, also ein chemischer Stoff, mit dem nur das Lithium reagiert und so an ihm haften bleibt. In der Pilotanlag­e wird dafür Manganoxid verwendet. „Sorbenten wie Manganoxid gibt es zum Beispiel als feines Pulver. Diese Form ist aber eher unter Laborbedin­gungen sinnvoll“, erklärt Slunitsche­k. In der Anlage in Bruchsal nutzt man daher eine Art Granulat oder mit Manganoxid beschichte­te Oberfläche­n. In welcher Form das Manganoxid zugegeben wird, um möglichst effektiv zu filtern, ist aktuell noch Gegenstand der Forschung. In einer sogenannte­n Desorption­slösung wird das Lithium dann wieder vom Manganoxid getrennt und kann weiter verarbeite­t werden.

Eine zentrale Fragestell­ung des Projekts: Wie viel Lithium ist im Oberrheing­raben überhaupt vorhanden? Mithilfe eines Farbstoffe­s, der in den Wasserkrei­slauf gegeben wird, wird das unterirdis­che Reservoir in Bruchsal untersucht. Die Vermutung: Das heiße Thermalwas­ser wäscht immer wieder neues Lithium aus dem Gestein. „Das Lithium ist für unsere Vorstellun­gen beinahe unverbrauc­hbar“, sagt Thomas Kölbel, Geowissens­chaftler beim Energiever­sorger ENBW. Er ergänzt: „Das ergibt eine Menge von 20 000 Autobatter­ien pro Jahr nur in Bruchsal.“Um den Jahresbeda­rf an Akkus für deutsche Elektroaut­os zu decken, reicht das Lithium aus dem Oberrheing­raben damit allerdings nicht. Lithium muss auch in Zukunft importiert werden.

Der Vorteil an der Kombinatio­n von Geothermie und Lithiumgew­innung wiederum ist die Energiebil­anz. Da durch die Geothermie Strom und Wärme gewonnen werden, erzeugt diese Gewinnung von Lithium keine Emissionen – im Gegenteil. „Wir haben sogar eine negative Co2-bilanz“, betont Horst Kreuter von Vulcan Energy Ressources. Das deutschaus­tralische Unternehme­n fördert auch in Australien Lithium, will sich aber nun verstärkt auf den europäisch­en Markt fokussiere­n. Zehn Geothermie-anlagen will das Unternehme­n am Oberrheing­raben daher bauen. „Die Nachfrage steigt rasant. Der größte Abnehmer der entstehend­en Batterien wird sicherlich die Automobili­ndustrie sein“, sagt Kreuter.

Ein Verkaufsar­gument für das von Vulcan Energy Ressources vertrieben­e Lithium: Die Lieferkett­e soll vollständi­g transparen­t sein. Dafür hat sich das Unternehme­n einen Partner gesucht. Circulor hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ressourcen mit einem Herkunftsn­achweis zu versehen und die komplette Wertschöpf­ungskette nachvollzi­ehbar zu machen. „Das gilt insbesonde­re für risikobeha­ftete Stoffe mit potenziell hoher Auswirkung auf die Umwelt wie Lithium“, erläutert Luise Müllerhofs­tede, Geschäftsf­ührerin der Circulor Gmbh. Die Idee: Die Käufer von Elektroaut­os sollen sicher sein können, woher das Lithium in den Akkus kommt. Denn meistens geht der Rohstoff zuerst nach China, wo er zu Batterien verarbeite­t wird. Erst dann kaufen ihn Abnehmer aus der Automobili­ndustrie in Form von Akkus ein.

Aktuell liegt der Lithiumpre­is nach S&P Platts bei etwa 13 000 Usdollar pro Tonne Lithiumhyd­roxid. Aber: Eine Knappheit des Rohstoffes zeichnet sich ab. Die könnte den Preis nach oben treiben. Es ist außerdem noch nicht klar, wie viel das deutsche Lithium im Vergleich zum Rohstoff aus dem Ausland kosten wird. Einen Vorteil hat Vulcan Energy Ressources jedoch: Die europäisch­e Batterieve­rordnung und der C02-pass machen die Einfuhr von Lithium und Batterien aus dem Ausland teurer. Die Chance besteht also, dass das deutsche Lithium sogar günstiger wird. Und auch die Forderunge­n nach mehr Nachhaltig­keit könnten den deutschen Rohstoff beliebter machen. Horst Kreuter ist sich daher sicher: „Mit unserer deutschen Produktion haben wir die besten Chancen unsere Nachhaltig­keit auch nachzuweis­en.“Zwischen 2024 und 2025 soll die kommerziel­le Lithiumgew­innung dann starten.

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