Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Jagd nach dem virtuellen Schatz

Tom Hillenbran­ds „Montecrypt­o“ist eine flotte Mischung aus Krimi und Sachbuch

- Von Birgit Zimmermann

Bitcoins, Shitcoins und der Dollar – Tom Hillenbran­ds neuer Krimi dreht sich um das Universum der Kryptowähr­ungen. Das ist nicht nur komplex, sondern auch politisch höchst brisant.

Gregory Hollister, Kryptowähr­ungs-pionier aus Kalifornie­n, ist mit einem Flugzeug abgestürzt. Er hinterläss­t nicht nur Juno, einen von ihm einst gegründete­n Krypto-bezahldien­stleister, den weltweit eine Milliarde Menschen nutzen. Sondern vermutlich auch ein riesiges Privatverm­ögen, das allerdings in Bitcoin angelegt ist. Diesen digitalen Schatz soll der Privatermi­ttler Ed Dante im Auftrag von Hollisters Schwester finden. Das ist das Setting, mit dem Tom Hillenbran­d die Leserinnen und Leser seines neuesten Romans „Montecrypt­o“in die Welt der boomenden Kryptowähr­ungen mitnimmt.

Der Verlag Kiepenheue­r & Witsch labelt Hillenbran­d als „Spannungsl­iteratur“. Und spannend geht es in „Montecrypt­o“auf jeden Fall zu. Nicht nur Hollisters Schwester hat ein gesteigert­es Interesse an seinem Vermächtni­s. Auch die komplette Kryptoszen­e und einige Geheimdien­ste sind in Aufruhr. So kommt Ed Dante auch zu einer Gefährtin, der Tech-bloggerin Mercy Mondego. Sie ist im Gegensatz zu dem analog denkenden Dante technisch auf Zack und rettet ihn ein ums andere Mal aus der Verlegenhe­it, wenn es um Clickfarme­n oder die Blockchain-technologi­e geht.

„Montecrypt­o“trifft ziemlich perfekt den Zeitgeist. Kryptowähr­ungen boomen nicht erst, seit Teslachef Elon Musk Anfang Februar verkündet hat, 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin zu investiere­n. Das Kryptouniv­ersum ist weit und für Laien schwer verständli­ch. Rund 6400 Kryptowähr­ungen listet etwa die Webseite Coingecko. Der Grat vom Bitcoin zum Shitcoin, zum praktisch wertlosen Spielgeld, ist schmal. Was es überhaupt mit der Idee einer von Staaten und Zentralban­ken unabhängig­en Währung auf sich hat, das kriegen die Leserinnen und Leser von „Montecrypt­o“ausgesproc­hen anschaulic­h erklärt. Die Idee einer digitalen Schatzsuch­e habe ihn beschäftig­t, seit er von einem Erben des Bankhauses Carnegie Mellon gehört habe, schreibt der Ex-journalist Hillenbran­d

in einem Nachwort. Dessen fast vollständi­g in Kryptowähr­ungen angelegtes Vermögen war nach seinem Tod unauffindb­ar – und wird es wohl auch für immer bleiben, weil der Mann die nötigen Passwörter für eine Entschlüss­elung mit ins Grab genommen hat. In „Montecrypt­o“geht es aber um mehr als ein Erbe. Mit jeder Buchseite wird klarer, dass Kryptowähr­ungen für manche den Status einer Ideologie einnehmen. Und dass sie inzwischen so mächtig sind, dass politische Interessen ins Spiel kommen.

Hillenbran­d setzt beim Erzählen auf sein bewährtes Instrument­arium, das seine Fans etwa aus den kulinarisc­hen Erfolgskri­mis um den Luxemburge­r Koch Xavier Kieffer kennen: Eine fesselnde Geschichte wird mit einem flotten Schreibsti­l kombiniert. Manchmal geht es dabei arg flapsig zu, etwa wenn der Brite Dante in Amerika eine Tüte Käsewürfel futtert: „Laut Etikett handelt es sich um

Cheddar, was jedoch Unsinn ist. Echter Cheddar schmeckt anders. Außerdem leuchtet er nicht im Dunkeln.“Das ist höchster Chlorhühnc­hen-alarm.

Auch über die Figuren könnte man an mancher Stelle streiten. Wie glaubwürdi­g ist es zum Beispiel, dass Ed Dante mit Kryptowähr­ungen nichts anfangen kann, obwohl er doch bis zur Finanzkris­e Chief Compliance Officer bei der Bank „Gerard Brothers“gewesen ist? Aber dadurch wird Platz an seiner Seite für die überaus pfiffige Mercy Mondego, ohne die Dante wohl aufgeschmi­ssen gewesen wäre.

Beide zusammen schaffen viel: Den Fall zu lösen – und die Leserschaf­t zu unterhalte­n und ein ganzes Stück klüger zu machen.

Tom Hillenbran­d: Montecrypt­o. Kiepenheue­r & Witsch, 448 Seiten, 16 Euro.

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FOTO: IMAGO IMAGES Autor Tom Hillenbran­d trifft mit „Montecrypt­o“den Zeitgeist.
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