Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Unruhe hinter den Ihk-kulissen
Zweite Spitzenkraft schmeißt hin – Welche Rolle spielt Ihk-präsident Jan Stefan Roell?
Ulm - Exodus an der Spitze der IHK Ulm. Der Wirtschaftsverband, der zwischen Ulm und Biberach rund 38 000 Firmen vertritt, muss einen weiteren Abgang verkraften. Nach dem im März angekündigten Ausscheiden von Hauptgeschäftsführer Max-martin Deinhard kehrt nun auch dessen Stellvertreter Ralf Börsig der Industrie- und Handelskammer den Rücken. Unklar ist, welche Rolle bei diesem Stühlerücken der Präsident der IHK, Jan Stefan Roell, gespielt hat.
Die IHK Ulm ist in Aufruhr, hinter den Kulissen scheint es zu rumpeln. Im März ließ Max-martin Deinhard, der als Hauptgeschäftsführer die Geschicke des Wirtschaftshauses mit Sitz in der Ulmer Olgastraße noch bis Endes des Jahres maßgeblich bestimmt, wissen, dass es ihn nach Emden zur dortigen IHK ziehe. Das klang auf der einen Seite verständlich, schließlich bekommt er damit die Gelegenheit, dem Job, den er in Ulm von Beginn an mit Seriosität, aber auch Agilität ausfüllte, in seiner Heimat nachzukommen. Er könne damit näher bei seiner Familie sein, so Deinhard.
Bemerkenswert war es für viele trotzdem: Dass der noch nicht einmal 40-Jährige die Brocken in Ulm schon nach mehreren Monaten hinschmeißt. Angetreten hatte er seinen Posten erst im Januar des vergangenen Jahres. Als Nachfolger des langjährigen Geschäftsführers Otto Sälzle, stolze 23 Jahre wirkte der streitlustige Jurist Sälzle bei der IHK. Doch mit der Kontinuität im hauptamtlichen Bereich der IHK Ulm scheint es fürs Erste vorbei.
Denn auch Deinhards Stellvertreter, Ralf Börsig (56) – verantwortlich für das Schlüsselressort Finanzen –, will sich neu orientieren. Dies gaben er sowie die IHK am Mittwoch bekannt. Auch er soll der IHK aber noch bis Ende des Jahres erhalten bleiben.
Erst Deinhard, nun der Abgangs seines Stellvertreters Börsig, der der IHK Ulm immerhin ganze 28 Jahre diente und mit Deinhard in den vergangenen Monaten gut zusammengearbeitet haben soll (zuletzt gewannen die beiden ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen den Bundesverband der Freien Kammern). Beobachter werten den mehr oder weniger geschlossenen Rückzug der hauptamtlichen Spitze als Signal, dass es hinter den Kulissen zu Meinungsverschiedenheiten, wenn nicht gar zu einem Zerwürfnis gekommen ist.
Dass Unruhe im Haus ist, bestätigt Ralf Börsig am Mittwoch der
„Schwäbischen Zeitung“, wenngleich indirekt. Seine Hoffnung sei, sagte er angesprochen auf seine Demission, dass „nun Ruhe einkehrt“. Die IHK Ulm sei „mein Haus“. Die Mitarbeiter leisteten klasse Arbeit, hängten sich rein. Deshalb müsse es nun darum gehen, die frei gewordenen Stellen so schnell wie möglich und mit so guten Leuten wie möglich zu besetzen. „Dem ordne ich meine restliche Zeit bei der IHK unter“, sagte Börsig, der nicht verraten will, wo und in welcher Funktion er den laut Pressemitteilung „persönlichen Neustart“wagen wird. So viel nur: Er bleibe der Region erhalten.
Dass er jedoch ähnliche Beweggründe hatte wie sein Chef, die IHK zu verlassen, beziehungsweise in Deinhard einen engen Vertrauten sieht, darauf deutet seine Antwort hin auf die Frage, ob er bei der IHK geblieben wäre, wenn auch Deinhard geblieben wäre. Der SZ sagt Börsig: Dies sei eine hypothetische Frage, aber es sei gut möglich, dass er trotzdem gegangen wäre. Bedeutet im Umkehrschluss: Nicht ausgeschlossen, dass er ohne die Kündigung Deinhards ebenso die Stellung gehalten hätte.
Im Zusammenhang mit internen Differenzen bei der IHK fällt immer wieder der Name von Jan Stefan Roell,
dem Präsidenten der IHK. Anders als der Hauptgeschäftsführer füllt er sein Amt ehrenamtlich aus, und er ist Max-martin Deinhard auch nicht weisungsbefugt. Allerdings leitet er die Vollversammlung der IHK, das wichtigste Gremium der IHK. „Sie bestimmt den Kurs der IHK Ulm“, lautet ein Statut.
Und bald sogar noch mehr? Zumindest soll Roell Pläne vorantreiben, unken Kritiker, die ihm und der Vollversammlung mehr Macht einräumen könnten. Kam es darüber zum Bruch?
Roell widersprach dieser Lesart in der Vergangenheit immer wieder. Es gehe lediglich darum, die Zusammenarbeit der Organe der IHK (Präsidium, Vollversammlung, Hauptgeschäftsführer) zu optimieren, die Arbeitsweise zu modernisieren. Dass es zwischen ihm und Deinhard Meinungsverschiedenheiten gibt, auch das bestritt der Ihk-präsident zuletzt stets vehement.
Wie es nun weitergeht? Als einen neuen Nachfolger für Börsig präsentierte die IHK am Mittwoch Jonas Pürckhauer, bislang unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung. Besonders verdient habe sich dieser zuletzt beim Bewältigen der Corona-krise gemacht, ihm sei es mit zu verdanken, dass die IHK Ulm ihren
Mitgliedsbetrieben jene große Unterstützung habe geben können, die sie gegeben habe.
Um die gerissene Lücke zu füllen, soll nun aber noch ein zweiter, ein weiterer Stellvertreter für den Hauptgeschäftsführer gefunden werden, der sich, wie Börsig, in erster Linie um die Ihk-finanzen kümmern wird.
Wenn es dabei bleibt und nicht noch weitere Abgänge vom Bord der Ulmer IHK vermeldet werden.