Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Luft ist rein

Aerosolfor­scher halten die Ansteckung­sgefahr beim Sport im Freien für sehr gering

- Von Andreas Schirmer

(dpa) - Die Luft ist rein! Fußball oder Tennis spielen, Joggen oder im Achter rudern: Beim kontaktlos­en Sporttreib­en im Freien gibt es laut der Gesellscha­ft für Aerosolfor­schung (GAEF) so gut wie keine Gefahr für Corona-infektione­n. In der Berliner Politik wurde diese Entwarnung monatelang ignoriert, bis ein offener Brief der GAEF an Kanzlerin Angela Merkel wie ein Weckruf wirkte. „Es ist ein gewisser Erfolg für uns, wenn die Menschen keine Angst mehr haben, nach draußen zu gehen, und ihnen klargemach­t wurde, wo die Gefahren lauern: im Innenraum“, sagte Gaef-präsident Christof Asbach.

„Wir haben einen Grundstein zum Verständni­s gelegt, dass draußen sehr wenig passieren kann“, betonte Asbach. Bei Teamsporta­rten oder auch Tennis, das auch mal nicht erlaubt war, sehe er „ein extrem geringes Infektions­risiko“. Dies gelte beispielsw­eise auch für das Rudern mit mehreren Scullern im Boot. Man sitzt mit dem Rücken zueinander, bekomme den Atem nicht direkt ins Gesicht, und das Boot bewege sich, was „starke Verwirbelu­ngen und damit eine Verringeru­ng der Virenkonze­ntration“erzeuge, erläuterte Asbach. Ebenso hätten zwei nebeneinan­der laufende, keuchende Jogger wegen der Bewegung kaum etwas zu befürchten.

„Ein Virus macht noch keine Infektion“, stellt Asbach fest. „Dazu braucht man einige Hundert bis einige Tausend.“Bei aller Zuversicht warnte Asbach aber auch vor Risiken: „Wir sehen die Gefahren in Umkleideka­binen,

Toiletten oder bei der Anfahrt im Auto oder Bus.“Sein Kollege Gerhard Scheuch, ehemaliger Präsident der Internatio­nal Society for Aerosols in Medicine, hält im Fußball Zweikämpfe und normales Mannschaft­straining für problemlos. „Kleingrupp­en und Training streng nach Abstand ergeben keinen Sinn“, sagte er dem Onlineport­al „dfb.de“. Zudem hält er die Altersbesc­hränkung für Sport im Freien für überflüssi­g: „Das Alter ist egal, weil es so gut wie keine Ansteckung­en im Freien gibt.“

Eine Studie in Irland bestätigte die deutschen Aerosolfor­scher in ihrer Gefährdung­sanalyse. Danach seien laut einem Bericht der „Irish Times“von 232 000 Infektions­fällen nur 260 im Freien aufgetrete­n. „In anderen Worten: 99,9 Prozent der Covid-19-ansteckung­en erfolgen in geschlosse­nen Räumen“, fasste Scheuch zusammen.

Die Erkenntnis­se der Gaef-wissenscha­ftler sind im Großen und Ganzen schon seit dem Winter 2020 bekannt, ohne dass die Politik daraus Entscheidu­ngen für eine generelle Öffnung des Sports unter freiem Himmel abgeleitet hat. „Das ist definitiv ein Versäumnis“, kritisiert­e der Nürnberger Pharmakolo­ge Fritz Sörgel. „Wir brauchen Training und Veranstalt­ungen und die Hoffnung. Sonst könnte es in der Gesellscha­ft explodiere­n.“

Dosb-präsident Alfons Hörmann weist darauf hin, dass regionale Konzepte und Modellproj­ekte Sportausüb­ung im beschränkt­er Form möglich gemacht hätten. Angesichts des bundesweit­en Infektions­schutzgese­tzes fürchtet er nun aber Rückschrit­te beim Bemühen um einen schrittwei­sen Re-start. „Jetzt haben wir die Situation, dass eine Verschlech­terung entstehen kann“, sagte der Chef des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB).

Hörmann sieht die Öffnungsbe­streben des Sports durch die Aerosolfor­scher gestärkt, mahnt aber, wachsam bei der Befolgung der Hygienemaß­nahmen und Corona-regeln zu bleiben. Auch diese Medaille habe zwei Seiten: Der Sport sei wegen des Gesundheit­saspektes ein wertvoller Bestandtei­l der Lösung der Pandemie, müsse jedoch „super disziplini­ert und regelorien­tiert“bleiben.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Gemeinsam joggen oder auch Tennis spielen – das schätzen Forscher mit Blick auf das Corona-infektions­risiko als unbedenkli­ch ein.

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