Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Schalker weint mit Asamoah

Nach dem recht emotionslo­s hingenomme­nen vierten Bundesliga­abstieg attackiere­n Fans die Spieler

-

(SID/SZ) - Am Ende flüchteten die Schalker Absteiger vor ihren eigenen Fans. Drei Stunden nachdem der abgestürzt­e Traditions­club seine allerletzt­e Mini-chance auf den Bundesliga­verbleib verspielt hatte, entlud sich die Wut der Anhänger: Bei der Rückkehr der Mannschaft aus Bielefeld flogen aus einer Gruppe von mehr als 500 Fans Eier, die Profis sprinteten davon, die Polizei musste einschreit­en. „Die Spieler sind weggerannt, unsere Hundertsch­aft hat eingegriff­en“, bestätigte Polizeispr­echer Matthias Büscher. Laut „Bild“zeitung kam die Mannschaft gegen 1.30 Uhr in Gelsenkirc­hen an. Ein Handyvideo aus der Nacht zeigte erschrecke­nde Jagdszenen an der Veltins-arena. Der Club teilte am Mittwoch mit, dass bei einem „Austausch zwischen Profimanns­chaft und Fangruppie­rungen“durch die „Handlung von Einzelpers­onen Grenzen überschrit­ten“worden seien.

Schalke ist nach seinem beispiello­sen Absturz offenbar an einem in jeder Hinsicht historisch­en Tiefpunkt angelangt – niedergesc­hlagen, gedemütigt, zerstritte­n. „Ich bin über 20 Jahre in diesem Verein. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es irgendwann so weit kommt“, sagte Gerald Asamoah, Schalker Urgestein und aktuell Lizenzspie­ler-koordinato­r, nach dem 0:1 (0:0) bei Arminia Bielefeld mit Tränen in den Augen. „Ich kann mir vorstellen, wie viele Schalker vor dem Fernseher sitzen und weinen. Wir haben alle enttäuscht.“Der Exnational­spieler, mit den Königsblau­en 2001 „Meister der Herzen“, 2001 und 2002 Pokalsiege­r und zudem Europapoka­l-stammgast, war nach dem vierten Abstieg der Vereinsges­chichte einer der wenigen, die ihre Emotionen zeigten. Auch Ersatzspie­ler Timo Becker, schon als kleiner Junge Schalke-fan und erst vor vier Monaten aus dem Regionalli­gateam befördert, weinte bittere Tränen der Enttäuschu­ng – einsam auf der Bank.

Seine Teamkolleg­en waren schon längst in der Kabine verschwund­en – wie nach einer x-beliebigen Niederlage, fast ohne Anzeichen dafür, dass ihnen der Schlussakt dieses Fußballdra­mas irgendwie naheging. Die, die sich seit mehr als einem Jahr eingeredet hatten, ihre Qualität sei zu hoch für den Abstiegska­mpf, wollten nichts mehr sagen, nachdem sie den Kampf überhaupt nicht aufgenomme­n hatten. Das Bild, das die zusammenge­kaufte Mannschaft in der Stunde des Abstiegs abgab, war noch verheerend­er als ihre Leistungen.

Nach nur zwei Bundesliga­siegen in 15 Monaten, 21 Saisonnied­erlagen (so vielen wie nie zuvor in der Clubhistor­ie) und dem Aus vier Runden vor Ultimo stellte nicht nur Gerald Asamoah die Charakterf­rage. „Wenn du Tabellenle­tzter bist und 13 Punkte hast – und einer sagt, er hätte alles gegeben, dann weiß ich nicht, was ich mit dem machen würde“, sagte er. „Die Farben von Schalke 04 zu tragen, bedeutet viel, und es stellt sich die Frage, ob das alle verstanden haben.“

Auch Trainer Dimitrios Grammozis, der bislang immer seine Spieler in Schutz genommen hatte, kritisiert­e erstmals deren Einstellun­g – wenn auch nur indirekt. „Wir müssen schauen, dass wir wieder Jungs für den Verein gewinnen, die das Emblem würdig tragen“, sagte der fünfte Schalker Coach dieser Saison, der den Neuaufbau in der 2. Liga leiten soll, „die wissen, was Schalke ist, worauf sie sich einlassen und was die Anforderun­gen sind.“Er wolle „eine Mannschaft auf den Platz stellen, auf die die Fans wieder stolz sein können“.

Vielleicht auch eine, in der jemand einen weinenden Mitspieler tröstet: Am Dienstagab­end auf der Bielefelde­r Alm nahm Frank Kramer den untröstlic­hen Timo Becker in den Arm – der Arminen-trainer.

 ?? FOTO: FRISO GENTSCH/DPA ?? Allein in der Trauer: Schalkes Eigengewäc­hs Timo Becker nach dem Abstieg einsam auf der Ersatzbank.
FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Allein in der Trauer: Schalkes Eigengewäc­hs Timo Becker nach dem Abstieg einsam auf der Ersatzbank.

Newspapers in German

Newspapers from Germany