Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Rücktrittsskandal tut Bischof Mixa immer noch weh
Der frühere Augsburger Oberhirte wird am Sonntag 80 Jahre alt – Er bleibt kantig und uneinsichtig
- Kräftig, markant, polarisierend: Coronabedingt muss das Interview mit dem ehemaligen Augsburger Bischof Walter Mixa zum 80. Geburtstag übers Telefon geführt werden. Schnell steht fest: Der Geistliche, der am Sonntag bei bester Gesundheit seinen Ehrentag feiern kann, hat von seiner seit Jahrzehnten bekannten Kantigkeit nichts verloren. Man könnte sagen: Uneinsichtigkeit. „In der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals kann man es auch übertreiben“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Dass er selbst im Jahr 2010 nach Gewalt- und Untreue-vorwürfen sein Amt niederlegen musste, schmerzt ihn nach wie vor: „Was da geschehen ist, bleibt unwahrhaftig“, resümiert Mixa, „das kann ich nur im Gebet ertragen.“
Walter Mixa, 1941 im heute polnischen Königshütte in Oberschlesien geboren, wuchs nach der kriegsbedingten Flucht in Heidenheim an der
Brenz nördlich von Ulm auf. 1970 weihte ihn der Augsburger Bischof Josef Stimpfle zum Priester. Als Pfarrer begeisterte der hervorragende, dem Volk stets nahe Prediger Mixa viele junge Männer, die sich für den Priesterberuf entschieden. Papst Johannes Paul II. förderte solche charismatischen, häufig gleichzeitig schwierigen Charaktere, kirchliche
Konservative: In den Folgejahren kletterte Mixa die Karriereleiter hoch. 1996 wurde er zum Bischof von Eichstätt und 2000 zum katholischen Militärbischof für die Bundeswehr ernannt, 2005 von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Augsburg.
Doch er blieb kantig: Unvergessen ist seine Attacke auf die damalige Bundesfamilienministerin und heutige Eu-kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und ihre Kita-ausbaupläne: Damit würden Frauen zu „Gebärmaschinen“degradiert, polterte Mixa. Bei einem weiteren Auftritt stellte er den Holocaust an den Juden und Abtreibungen in einen fragwürdigen Zusammenhang.
2010, mit den ersten Hinweisen auf den bis heute nicht endgültig aufgearbeiteten Missbrauchsskandal, holte Mixa die Vergangenheit ein. Als Pfarrer im oberbayerischen Schrobenhausen soll er Heimkinder geohrfeigt und Gelder veruntreut haben. „Die eine oder andere Watschn“räumte der Bischof ein. Weitere Vorwürfe
wurden laut, Mixa habe Gelder zweckentfremdet. Durch seine als autoritär empfundene Amtsführung war der Rückhalt in der Diözese Augsburg nicht mehr gegeben. Vorermittlungen wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Letztlich wurde der Druck, auch aus Reihen der bischöflichen Mitbrüder, zu groß. In einer Zeit, in der die Kirche weltweit mit schweren Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs und Gewalt gegen Kinder zu kämpfen hatte, war Mixa nicht mehr zu halten. Er musste seinen Rücktritt anbieten. Papst Benedikt XVI. nahm das Ersuchen ungewöhnlich schnell an. Mixa aber widerrief plötzlich, wollte persönlich mit dem Kirchenoberhaupt reden. Sein Bischofsamt bekam er gleichwohl nicht zurück.
Heute lebt Mixa in Gunzenheim im Landkreis Donau-ries, leitet Wallfahrten, lässt sich von alten Freunden zu Gottesdiensten einladen. Durch die Pandemie aber ist er „Gefangener im eigenen Haus“.