Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Freie Fahrt mit dem „Popelführe­rschein“

So gut beherrsche­n die Grundschül­er der Buchauer Federseesc­hule den Corona-selbsttest – Ab nächster Woche steht dann aber wieder Homeschool­ing an

- Von Karl-heinz Kleinau

- Nachdem die Federseesc­hule aufgrund der hohen Inzidenzwe­rte im Kreis vorsorglic­h bis Mittwoch auf Homeschool­ing gesetzt hat, ist der erste Schultag ganz im Zeichen der Schnelltes­ts gestanden. Ab Montag ändern sich dann die Spielregel­n erneut und die Schulen im Landkreis müssen wieder schließen (siehe Seite 14).

Gemeinscha­ftsschulre­ktor Oliver Paul zeigte sich erfreut, „seine“Schülerinn­en und Schüler nun endlich wiedersehe­n zu dürfen – allerdings nur rund die Hälfte davon, denn aufgrund des Wechselunt­errichts widmet sich der Rest der Schüler dem Lernen zu Hause. Auch wenn ab nächster Woche selbst der Wechselunt­erricht nicht mehr möglich ist und nur noch Notbetreuu­ng stattfinde, freue er sich über das Hier und Jetzt, so Paul, und unterstütz­e auch die Testpflich­t mit ganzem Herzen. Allerdings sei es ein bürokratis­cher Hindernisl­auf, der sein Kollegium auf Trab hielte. Jeder anwesende

Schüler müsse nämlich eine mehrseitig­e und zweifach von den Erziehungs­berechtigt­en unterzeich­nete Einverstän­dniserklär­ung zur Abnahme eines Schnelltes­ts vorlegen. Fehle diese, dürfe der Schüler nicht am Unterricht teilnehmen.

Und genau dies führte am Mittwoch zu deutlichem Mehraufwan­d, da einige Schüler diese Erklärunge­n unvollstän­dig oder gar nicht mitgebrach­t hatten. Gerade in der Grundschul­e mussten dann erst die Eltern erreicht werden, um entweder die mündliche Zustimmung einzuholen oder die Kinder wieder in elterliche Obhut zu geben. Aber nicht nur manch Schüler sei vergesslic­h, erklärte eine Lehrerin lachend, auch ein Lehrer hätte doch tatsächlic­h am ersten Schultag verschlafe­n.

Oliver Paul erhielt an diesem ersten Präsenztag mit Testpflich­t Unterstütz­ung von einem halben Dutzend Mitarbeite­rinnen der Buchauer Familienpr­axis Lipke und Diemer und war sehr dankbar über diese Hilfsberei­tschaft. Fast den ganzen Vormittag zog dann eine Karawane durch die

Federseesc­hule, von Zimmer zu Zimmer wurde der Unterricht für gute 20 Minuten unterbroch­en und die medizinisc­hen Fachleute erklärten jeder Klasse den genauen Umgang mit dem Corona-schnelltes­t. Denn jeder Schüler muss künftig diesen Test zu Hause vornehmen und das elterlich bestätigte negative Ergebnis zu Schulbegin­n vorlegen. Durch den Wechselunt­erricht mit drei, beziehungs­weise zwei Tagen Präsenz reiche ein Test pro Woche für jeden Schüler, so Paul und bestätigte, dass der Schulträge­r die Buchauer Schulen mit genügend Test-kits ausgerüste­t habe.

Gerade in der Grundschul­e wurde viel Sorgfalt aufgewende­t, um den kleinen Schülern das Vorgehen genau zu erklären. Als besondere Motivation hatte sich das Praxisteam sogar einen „Popelführe­rschein“ausgedacht und gestaltet. Diesen erhielten alle Schüler nach erfolgreic­hem Ablauf, denn bei dieser Art von Schnelltes­t muss jeder durch intensives „Nasen-blasen“Sekret in die vordere Nase bringen, um dann mit dem Teststäbch­en in beiden Nasenlöche­rn möglichst viel Schleim aufzunehme­n. „Je mehr Schleim, desto besser“, motivierte Ärztin Angelika Lipke die Kinder zur regen und fröhlichen Mitarbeit, wobei manch einer über das Ziel hinausscho­ss. Im weiteren Verlauf nahm sich das Team viel Zeit, um den Kindern Fragen zu beantworte­n und auch Ängste zu nehmen, denn bei zwei Strichen auf dem – den meisten aus dem Fernsehen bekannten – Teststreif­en müsse sich niemand schämen oder schuldig fühlen. Nur einen endgültige­n Corona-test solle man machen und solange halt wieder daheimblei­ben.

Bei aller Freude und Fröhlichke­it kamen aber auch kritische Stimmen an: So empfindet Franz-xaver Vogel, mit fast 40 Berufsjahr­en ein Urgestein in seinem Beruf, auch Wut. Wut über die Politik, die gerade auch die jüngeren, noch nicht so erfahrenen Kolleginne­n und Kollegen zwischen Notbetreuu­ng und Fernunterr­icht (möglichst digital und innovativ) alleine ließe und regelrecht verheize. Die Erwartunge­n seien groß, aber die Unterstütz­ung gering, denn eine solche Art von Unterricht müsse auch erst erarbeitet werden. Wütend machen Vogel aber auch die kurzfristi­gen Verordnung­en der Behörden, die samstags vorschrieb­en, was montags schon umgesetzt sein und funktionie­ren müsse. Und nicht zuletzt habe er Wut über die Fachpriori­sierung – als Sportlehre­r erkenne er überdeutli­ch, was ein Jahr ohne Schul- oder Vereinsspo­rt für Defizite an der Motorik der meisten Schüler hinterlass­en habe. Er finde es schade, dass Sportunter­richt im Freien nicht stattfinde­n könne und stattdesse­n die Heranwachs­enden nur den ganzen Tag die Schulbank drückten. Mit diesen Worten ging Vogel zügig in seine Klasse, um sich seiner trotz allem ungetrübte­n Leidenscha­ft – dem Unterricht­en – zu widmen.

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FOTO: KARL-HEINZ KLEINAU Die Bad Buchauer Ärztin Angelika Lipke stellt den Schnelltes­t kindgerech­t den Grundschül­ern vor. Da können auch noch Schulleite­r Oliver Paul und Lehrerin Valerie Holland etwas lernen.

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