Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Freie Fahrt mit dem „Popelführerschein“
So gut beherrschen die Grundschüler der Buchauer Federseeschule den Corona-selbsttest – Ab nächster Woche steht dann aber wieder Homeschooling an
- Nachdem die Federseeschule aufgrund der hohen Inzidenzwerte im Kreis vorsorglich bis Mittwoch auf Homeschooling gesetzt hat, ist der erste Schultag ganz im Zeichen der Schnelltests gestanden. Ab Montag ändern sich dann die Spielregeln erneut und die Schulen im Landkreis müssen wieder schließen (siehe Seite 14).
Gemeinschaftsschulrektor Oliver Paul zeigte sich erfreut, „seine“Schülerinnen und Schüler nun endlich wiedersehen zu dürfen – allerdings nur rund die Hälfte davon, denn aufgrund des Wechselunterrichts widmet sich der Rest der Schüler dem Lernen zu Hause. Auch wenn ab nächster Woche selbst der Wechselunterricht nicht mehr möglich ist und nur noch Notbetreuung stattfinde, freue er sich über das Hier und Jetzt, so Paul, und unterstütze auch die Testpflicht mit ganzem Herzen. Allerdings sei es ein bürokratischer Hindernislauf, der sein Kollegium auf Trab hielte. Jeder anwesende
Schüler müsse nämlich eine mehrseitige und zweifach von den Erziehungsberechtigten unterzeichnete Einverständniserklärung zur Abnahme eines Schnelltests vorlegen. Fehle diese, dürfe der Schüler nicht am Unterricht teilnehmen.
Und genau dies führte am Mittwoch zu deutlichem Mehraufwand, da einige Schüler diese Erklärungen unvollständig oder gar nicht mitgebracht hatten. Gerade in der Grundschule mussten dann erst die Eltern erreicht werden, um entweder die mündliche Zustimmung einzuholen oder die Kinder wieder in elterliche Obhut zu geben. Aber nicht nur manch Schüler sei vergesslich, erklärte eine Lehrerin lachend, auch ein Lehrer hätte doch tatsächlich am ersten Schultag verschlafen.
Oliver Paul erhielt an diesem ersten Präsenztag mit Testpflicht Unterstützung von einem halben Dutzend Mitarbeiterinnen der Buchauer Familienpraxis Lipke und Diemer und war sehr dankbar über diese Hilfsbereitschaft. Fast den ganzen Vormittag zog dann eine Karawane durch die
Federseeschule, von Zimmer zu Zimmer wurde der Unterricht für gute 20 Minuten unterbrochen und die medizinischen Fachleute erklärten jeder Klasse den genauen Umgang mit dem Corona-schnelltest. Denn jeder Schüler muss künftig diesen Test zu Hause vornehmen und das elterlich bestätigte negative Ergebnis zu Schulbeginn vorlegen. Durch den Wechselunterricht mit drei, beziehungsweise zwei Tagen Präsenz reiche ein Test pro Woche für jeden Schüler, so Paul und bestätigte, dass der Schulträger die Buchauer Schulen mit genügend Test-kits ausgerüstet habe.
Gerade in der Grundschule wurde viel Sorgfalt aufgewendet, um den kleinen Schülern das Vorgehen genau zu erklären. Als besondere Motivation hatte sich das Praxisteam sogar einen „Popelführerschein“ausgedacht und gestaltet. Diesen erhielten alle Schüler nach erfolgreichem Ablauf, denn bei dieser Art von Schnelltest muss jeder durch intensives „Nasen-blasen“Sekret in die vordere Nase bringen, um dann mit dem Teststäbchen in beiden Nasenlöchern möglichst viel Schleim aufzunehmen. „Je mehr Schleim, desto besser“, motivierte Ärztin Angelika Lipke die Kinder zur regen und fröhlichen Mitarbeit, wobei manch einer über das Ziel hinausschoss. Im weiteren Verlauf nahm sich das Team viel Zeit, um den Kindern Fragen zu beantworten und auch Ängste zu nehmen, denn bei zwei Strichen auf dem – den meisten aus dem Fernsehen bekannten – Teststreifen müsse sich niemand schämen oder schuldig fühlen. Nur einen endgültigen Corona-test solle man machen und solange halt wieder daheimbleiben.
Bei aller Freude und Fröhlichkeit kamen aber auch kritische Stimmen an: So empfindet Franz-xaver Vogel, mit fast 40 Berufsjahren ein Urgestein in seinem Beruf, auch Wut. Wut über die Politik, die gerade auch die jüngeren, noch nicht so erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zwischen Notbetreuung und Fernunterricht (möglichst digital und innovativ) alleine ließe und regelrecht verheize. Die Erwartungen seien groß, aber die Unterstützung gering, denn eine solche Art von Unterricht müsse auch erst erarbeitet werden. Wütend machen Vogel aber auch die kurzfristigen Verordnungen der Behörden, die samstags vorschrieben, was montags schon umgesetzt sein und funktionieren müsse. Und nicht zuletzt habe er Wut über die Fachpriorisierung – als Sportlehrer erkenne er überdeutlich, was ein Jahr ohne Schul- oder Vereinssport für Defizite an der Motorik der meisten Schüler hinterlassen habe. Er finde es schade, dass Sportunterricht im Freien nicht stattfinden könne und stattdessen die Heranwachsenden nur den ganzen Tag die Schulbank drückten. Mit diesen Worten ging Vogel zügig in seine Klasse, um sich seiner trotz allem ungetrübten Leidenschaft – dem Unterrichten – zu widmen.