Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Viele Senioren haben Angst, etwas kaputt zu machen“
Wie können ältere Menschen Smartphone, Tablet und PC nutzen? Ehrenamtliche Mentoren bieten Unterstützung
- Gerade in der Corona-pandemie zeigt sich: Der Alltag wird immer digitaler. Vor allem Senioren stellt dies oft vor Herausforderungen. Jetzt wollen ehrenamtliche Digital-mentoren den älteren Menschen den Umgang mit der modernen Technik und den Möglichkeiten von PC, Smartphone und Tablets erklären. Der Mittelbiberacher Herrmann Schnirring ist einer von ihnen. Andreas Spengler hat mit ihm gesprochen.
Warum sollten sich Senioren heutzutage überhaupt mit der digitalen Welt beschäftigen?
Vermutlich gibt es eine ganze Reihe von Senioren, die sich bei den Themen Internet, Smartphones und soziale Medien nicht fit fühlen. Manche dachten vielleicht, sie müssten sich nicht mehr einarbeiten und stellen jetzt in der Pandemie fest, dass das doch nützlich wäre. Sie erkennen vielleicht, dass zum Beispiel ein Smartphone die Möglichkeit bietet, über Video-telefonie mit Kindern und Enkeln zu sprechen. Und einige stellen vielleicht fest, dass auch in der Heimatgemeinde vieles inzwischen online abläuft. Wie wichtig das Internet ist, haben manche vielleicht auch erkannt, beim Versuch, einen Impftermin zu ergattern. Wenn man sich gar nicht auf die digitale Welt einlassen möchte, wird die Organisation des täglichen Lebens und der Aufwand, den man dafür betreiben muss, immer größer.
Haben Sie Erfahrungen, wo für viele Senioren die größten Hürden liegen?
Ich habe kein vorgefertigtes Angebot. Für mich ist es wichtig, erst mal zu erfahren, wo brauchen Senioren Unterstützung. Ich bin ja selbst schon 66 Jahre alt und es gibt viele in meinem Alter, die sich eigentlich gut in den digitalen Bereich eingearbeitet haben, andere fühlen sich aber unsicher und meine Vermutung ist, dass vor allem die Generation über 70 Unterstützung benötigt.
Sie waren selbst medienpädagogischer Berater am Kreismedienzentrum und Lehrer, und haben sich nun zum Digital-mentor bei der Seniorenakademie Donau-oberschwaben ausbilden lassen. Was reizt Sie an dieser neuen Aufgabe?
Ich hatte solch eine Aufgabe zuviele nächst gar nicht auf dem Schirm. Mir geht es nicht darum, den Senioren eine bunte, schillernde digitale Welt anzubieten. Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Senioren auch verunsichert sind, was das Thema angeht. Deshalb möchte ich auch das Thema Sicherheit im Netz aufgreifen und den Senioren neben den positiven Möglichkeiten der digitalen Welt auch zeigen, wie sie sich schützen können und wo sie vorsichtig sein müssen.
Was sollten Senioren mitbringen, die an dem Angebot teilnehmen möchten?
Sie sollten Interesse an dem Thema haben und gerne auch schon konkrete Fragen. Manche haben vielleicht auch schon etwas Erfahrung, kommen aber an der einen oder anderen Stelle nicht weiter. Neben technischen Fragen soll es bei den Treffen natürlich auch konkret um Inhalte gehen, also zum Beispiel, was kann ich mit den Geräten machen: vom Kommunizieren und Video-telefonie bis zum Einkaufen und den Möglichkeiten im Gesundheitsbereich oder für Hobbys wie Reisen oder Wandern. Wichtig ist mir ja auch: Es soll keine Konkurrenz sein zu Bildungseinrichtungen. Unser Ansatz ist, dass sich die Leute treffen, Unterstützung erhalten, Antworten bekommen. Außerdem wäre es auch mein Wunsch, dass neben Thomas Zell und mir auch weitere Ehrenamtliche hinzukommen.
Was sollten die Ehrenamtlichen mitbringen?
Sie sollten über Grundkenntnisse im Umgang mit den Medien verfügen und sich mit Computer und Smartphone auskennen, man muss aber kein Experte sein.
Mittelbiberach ist eine der ersten Gemeinden im Landkreis, in der das Projekt startet. Inwiefern ist die Gemeinde selbst involviert?
Die Gemeinde hat ja ein Onlineportal und bietet da auch viele Möglichkeiten an. Angedacht ist, dass die Gemeinde bei einer gemeinsamen Veranstaltung, voraussichtlich im Herbst, ihren Onlineservice vorstellt und wir unser Projekt.
Ich könnte mir schon vorstellen, dass manche Senioren Vorbehalte gegenüber dem Thema haben. Was sagen Sie denen?
Senioren haben vielleicht Angst, dass sie etwas kaputt machen. Aber wenn man an das Thema herangeführt wird, kann man am Ende gar nicht so viel falsch machen. Wenn die Senioren selbst keinen Computer oder Smartphone haben, könnten sie zunächst eventuell mit Leihgeräten üben. Aber es ist natürlich eine Hürde, da mache ich mir keine Illusionen. Bei den Jugendlichen, mit denen ich bei meinen Projekten zu tun hatte, war es das Gegenteil. Die haben von Anfang an wild ausprobiert mit allen positiven und negativen Folgen.
Was ist das Ziel der Digital-mentoren? Sollen alle Senioren, die daran teilnehmen, später auf Facebook, Skype und Whatsapp unterwegs sein?
Für mich geht es darum, den Senioren Dinge zu ermöglichen, die für ihr Leben bereichernd und wichtig sind. Ob das für den einen eher die Möglichkeit ist, leichter mit den Enkeln in Kontakt zu kommen oder für den anderen beim Wandern über das Smartphone zu navigieren und sich zu orientieren. Dazu kommt der Gesundheitsbereich, wenn man zum Beispiel nicht mehr so mobil ist. Dafür werden wir auch noch extra vom Landesmedienzentrum geschult.
Provokant gefragt: Wäre es nicht eher die Aufgabe der Öffentlichkeit die schnelllebige, immer digitaler werdende Welt ein Stück weit zu bremsen und zu sagen, wir gehen wieder zum Ursprünglichen zurück. Also vielleicht wieder mehr Briefe schreiben statt Emails?
Das schließt sich für mich überhaupt nicht aus. Ich selbst habe jetzt wieder angefangen mit dem Füllfederhalter Briefe zu schreiben. Mir geht es nicht darum, die Senioren dazu zu bringen, alles digital und immer schneller zu erledigen. Sondern eben zu erkennen, was bringt mir für mein persönliches Leben Vorteile und was nicht. Ob sich die Senioren dann auch irgendwann mal Handy-fastentage verordnen müssen, weiß ich noch nicht (lacht). Mir geht es gar nicht nur darum, nur die schöne neue digitale Welt aufzuzeigen. Ich möchte sinnvolle Unterstützungen anbieten, da Senioren sonst Gefahr laufen, auf Dauer abgehängt zu werden.