Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Leipziger Partycrasher
RB rückt durch Sieg über Stuttgart näher an die Bayern heran – Fokus gilt aber anderem Titel
(Sid/dpa) - Julian Nagelsmann lächelte gönnerhaft, als Matchwinner Amadou Haidara mit erhobenem Daumen und breitem Grinsen kurz nach Abpfiff ein Selfie schoss. Wie ein feixender Partycrasher sah der Trainer von RB Leipzig allerdings nur in dieser Situation aus. Durch das 2:0 (0:0) gegen den VFB Stuttgart haben seine Profis zwar die „Sofa-meisterschaft“von Bayern München am viertletzten Spieltag verhindert. Die eigene Chance auf die Schale ist aber verschwindend gering, weswegen Nagelsmann gleich auf eine andere Trophäe schielte.
„Es war wichtig, eine gute Leistung mit einem guten Ergebnis vor einem K.o.-spiel zu paaren“, sagte der Coach bei Sky. Am Freitag nämlich zählt es, dann spielt RB im Halbfinale des Dfb-pokals beim Abstiegskandidaten Werder Bremen um das Ticket nach Berlin. „Wir werden total engagiert ins Spiel gehen und wollen ins Finale. Für die Bremer läuft es ja nicht so gut, daher haben sie im Pokal nichts zu verlieren“, meinte Mittelfeldspieler Kevin Kampl, warnte aber: „Der Dfb-pokal schreibt ja seine eigenen Geschichten.“
Für die Meisterschaft bräuchte es hingegen eine mittlere Fußball-sensation. Trotz der Tore von Haidara (46.) und Emil Forsberg (67., Foulelfmeter) beträgt der Rückstand auf den FC Bayern, der am Samstag bei Mainz 05 (1:2) seinen ersten Titelmatchball vergeben hatte, kaum aufholbare sieben Punkte. Deshalb sprach Nagelsmann auch lieber über das eigene Spiel. „Mit der ersten Aktion nach der Pause machen wir das 1:0. Danach hatten wir doch sehr viele Chancen, da kann man auch vier oder fünf Tore schießen“, sagte der Coach, der als Wunschkandidat der Bayern auf die Nachfolge des abwanderungswilligen Hansi Flick gilt. Dass seine aktuellen Bosse Oliver Mintzlaff und Markus Krösche am Rande der Partie keine Interviews geben wollten, lockte Nagelsmann nicht aus der Reserve: „Es gibt keine neue Entwicklung. Vielleicht gibt es ja eine neue Currywurst, und sie sind deswegen gerade nicht da.“
Gegen Stuttgart tat sich Leipzig in den ersten Minuten durchaus schwer, beide Teams liefen viel – doch Torchancen ließen die Abwehrreihen kaum zu. Erst der Platzverweis gegen Stuttgarts Naouirou Ahamada (14.) brachte etwas Schwung rein. Der Franzose hatte Haidara mit offener Sohle getroffen, Schiedsrichter Deniz Aytekin zog nach Ansicht der Videobilder Rot.
RB drückte in der Folge mehr, Christopher Nkunku (16.) scheiterte aus spitzem Winkel an Vfb-torwart Gregor Kobel. Tormöglichkeiten kreierten die Gastgeber aber auch in dieser Phase zu wenige, weil der VFB sich stark zurückzog. Leipzig fand gegen die schwäbische Wand selten den Raum für den letzten Pass. Das Ergebnis waren einige Halbchancen nach Standards sowie ein Schuss aus dem Getümmel von Nkunku (37.), den Kobel zur Ecke lenkte.
Nach der Pause kam Leipzig mit beeindruckender Entschlossenheit aus der Kabine, eine exzellente Flanke von Dani Olmo köpfte Haidara mit dem ersten Angriff wuchtig ins Netz. Nach einer tollen Kombination mit Nkunku tauchte Haidara (52.) plötzlich alleine vor Kobel auf, der erneut in höchster Not parierte. Aus ähnlicher Lage hielt der Schweizer Schlussmann danach gegen Alexander Sörloth (57.).
Kobel lief in dieser Phase zur Höchstform auf, als er auch noch einen Volley von Angelino (63.) inklusive Olmos Nachschuss entschärfte. Es brauchte ein Foul von Vfb-verteidiger Konstantinos Mavropanos an Forsberg, um den Torwart ein zweites Mal zu überwinden. Leipzigs Schwede trat selbst an und verwandelte sicher in die rechte Ecke. „Ich wollte unbedingt Revanche, denn er hat meinen letzten Elfer gehalten. Er hat heute ein großes Spiel gemacht, ein Klasse-torhüter“, lobte der Schwede Vfb-keeper Kobel.
Die Stuttgarter kämpften zwar aufopferungsvoll bis zum Ende, gaben aber in 90 Minuten keinen einzigen Torschuss ab. Das war seit der Datenerfassung 2004/05 in einem Bundesliga-spiel laut Opta zuvor nur Werder Bremen beim 0:6 beim FC Bayern im Oktober 2014 passiert. Coach Pellegrino Matarazzo fand die Rote Karte für das schwache Offensivspiel und die vierte Niederlage in Folge mitentscheidend: „In Unterzahl können wir schwer hoch pressen gegen Leipzig. Wir wussten, dass wir dadurch kompakter stehen müssen. Das hat das Spiel komplett verändert.“