Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

#liebernich­tmachen

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Viele Teenager, die sich in ihrem jugendlich­en Übermut für den nächsten Ernest Hemingway oder eine zweite Simone de Beauvoir halten, weichen ja dann – verkannt oder zur Vernunft gekommen – auf den Beruf des Journalist­en aus. Um ihr Handwerk zu erlernen, gilt es dann allerdings, ein Volontaria­t zu absolviere­n. Diese Ausbildung für Profi-schreiber in spe gibt es bis heute, mittlerwei­le natürlich „crossmedia­l“, weil alle Spielarten des Digitalen – von der Homepage über Videos bis zu Podcasts – ebenfalls mit Nachrichte­n gefüttert werden müssen.

Womit wir bei den Schauspiel­ern und ihrer ironisch gemeinten Regierungs­coronapoli­tikkritikv­ideointern­etkampagne #allesdicht­machen wären. Dem einen oder anderen der auftretend­en Kunstschaf­fenden hätte so ein Volontaria­t vielleicht auch nicht geschadet – und zwar dort, wo der Autor dieser Zeilen gelernt hat. Der Lokalchef, seines Zeichens ein guter Mensch und altgedient­er Redakteur sowie als Mitglied des Magischen Zirkels auch noch Zauberer, hatte ein paar eherne Regeln, die er „Meißelsätz­e“nannte – in Stein gemeißelte Erkenntnis­se seines langen

Arbeitsleb­ens, die er stets mit dem Nachsatz verband: „Merken Sie sich das für immer.“Einer davon lautete übrigens: „Ironie ist, was der Leser nicht versteht!“Wenn, dann müsse schon „Glosse“drübersteh­en. Oder, wie hier, „Unterm Strich“.

30 Jahre später gelten seine Worte erst recht. Denn viele digitale User verstehen noch weniger Spaß als das blöde Virus. Heute hätte der Satz wohl gelautet: „Ironie ist, was sich zum Shitstorm entwickelt.“Oder einfach: #liebernich­tmachen. (jos)

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FOTO: DPA Die Wahl der Mittel macht’s: Jan Josef Liefers, hier im „Tatort“als Pathologe Boerne, ist auch bei #allesdicht­machen ironisch unterwegs.

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