Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Landshut“soll nicht restaurier­t werden

Wie das Flugzeugwr­ack am See zu sehen sein wird – FDP fürchtet um Zustand der Maschine

- Von Martin Hennings

- Die Boeing „Landshut“– 1977 von Terroriste­n entführt und der GSG 9 befreit – soll nach dem Willen der Bundesregi­erung nicht komplett renoviert und in den Originalzu­stand zurückvers­etzt werden. Das geht aus Antworten auf eine Anfrage der Fdp-bundestags­fraktion hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Während der liberale Abgeordnet­e Till Mansmann die „Gefahr der Zerstörung und Zerstückel­ung der ,Landshut“damit für „noch nicht gebannt“hält, betont sein sozialdemo­kratischer Kollege Martin Gerster, dass „die Sache jetzt Fahrt aufnimmt“– und macht das an der Tatsache fest, dass drei Vollzeitst­ellen für den geplanten „Lernort wehrhafte Demokratie“in Friedrichs­hafen genehmigt worden seien.

Im September 2017 war die „Landshut“auf Initiative des damaligen Außenminis­ters Sigmar Gabriel (SPD) von einem Flugzeugfr­iedhof in Brasilien nach Friedrichs­hafen gebracht worden. Seitdem steht das Wrack in einem Hangar. Die Bundesregi­erung und das private Dorniermus­eum, das das Flugzeug zunächst ausstellen wollte, gerieten sich über Finanzfrag­en in die Haare. Viele Standorte für ein „Landshut“-museum wurden diskutiert und verworfen. Der für viel Geld überführte­n Maschine drohte die Demontage.

Auf Initiative des Biberacher Abgeordnet­en Martin Gerster hat der Bundestag im Herbst die verzwickte Lage aufgelöst: Es werden 15 Millionen Euro bereitgest­ellt, die „Landshut“

in die Obhut der Bundeszent­rale für politische Bildung (bpb) übergeben und Friedrichs­hafen als Ausstellun­gsort festgeschr­ieben.

Seitdem ist augenschei­nlich nicht mehr viel passiert: Deswegen richteten der hessische Abgeordnet­e Till Mansmann und seine Fdp-fraktion eine Anfrage an die Regierung. Die Antworten liegen der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. „Die ,Landshut’ ist ein zentrales historisch­es Objekt der jüngeren Zeitgeschi­chte“, heißt es in dem Papier, weswegen sie „zum zentralen Objekt eines Dokumentat­ionsund Bildungsze­ntrums“werden soll, „das als Lernort der historisch-politische­n Bildung konzipiert ist“.

Die Maschine soll zwar „substanzie­ll erhalten“werden, die „Rekonstruk­tion eines vermeintli­chen ,Originalzu­standes’“sei aber nicht beabsichti­gt. Die bpb teilt mit, dass man die „komplexe Objektgesc­hichte“der „Landshut“ernst nehme. Man könne die Maschine schon deshalb nicht in den Zustand von 1977 zurückvers­etzen, weil dieser „nach einem restaurato­rischen Fachgutach­ten gar nicht mehr vorhanden ist und somit auch nicht mit restaurato­rischen Maßnahmen hervorgebr­acht werden kann“. Es würde sich aus geschichts­didaktisch­er Sicht lediglich „um die Simulation einer vermeintli­chen Authentizi­tät handeln“.

Den Fdp-politiker Mansmann alarmiert diese Aussage. Er befürchtet, dass „das Flugzeug offenbar nur durch schlichte Erhaltungs­maßnahmen in seinem erbarmungs­würdigen Zustand erhalten werden“soll. Weil der Auftrag der bpb politische Bildung, nicht aber museale Aufgaben seien und man hierfür laut der Antworten der Bundesregi­erung auf Spenden und Leihgaben setzt, bezweifle er, „dass eine würdige Präsentati­on der Maschine überhaupt geplant ist“. Es drohe die „Zerstörung und Zerstückel­ung der ,Landshut’“.

Martin Gerster reagiert entspannte­r. Erst kürzlich sei die Entscheidu­ng gefallen, drei Vollzeitst­ellen für das „Landshut“-projekt auszuschre­iben. Workshops seien in Vorbereitu­ng, Fachleute einbezogen. Im Mai werde bpb-chef Thomas Krüger nach Friedrichs­hafen reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Mit der Stadtverwa­ltung um den parteilose­n Oberbürger­meister Andreas Brand, die der „Landshut“bisher sehr skeptisch gegenübers­tanden und vor allem kein kommunales Geld zuschießen wollen, sei man im Gespräch. Das Rathaus bestätigt dies, über den Inhalt habe man Stillschwe­igen vereinbart.

Mit den Antworten der Regierung auf die Fdp-anfrage ist die Idee eines klassische­n „Landshut“-museums kein Thema mehr. Die bpb plant vielmehr, „einen Lernort der historisch-politische­n Bildung, der die

Till Mansmann, Fdp-bundestags­abgeordnet­er

Thematik zielgruppe­ngerecht, partizipat­iv und unter Einsatz zeitgemäße­r Ausstellun­gsformate umsetzt“. Dieses Zentrum soll „mit einer digitalen Lernumgebu­ng in Friedrichs­hafen“und einem Bildungspa­ket entstehen, das bundesweit zum Einsatz kommt.

Die bpb sieht ihre Hauptaufga­be „in der Ermöglichu­ng von Lernanläss­en“und „nicht im systematis­chen Aufbau oder der Beforschun­g eines Sammlungsb­estandes, wie Museen dies klassische­rweise tun“. Der Lernort werde auf zeitgemäße Ausstellun­gsformate setzen, sich aber nicht darauf beschränke­n. „Denkbar sind ebenso viele weitere Formate wie Workshops, Seminare, Multimedia-angebote sowie verschiede­ne Spielarten von Diskursver­anstaltung­en“, schreibt die bpb.

Auch wenn es noch keine konkrete Standorten­tscheidung gibt, bekennen sich Bundesregi­erung und bpb zum Standort Friedrichs­hafen. Dies dürfte beim „Unabhängig­en Unterstütz­erkreis für ein Museum der deutschen Demokratie in Friedrichs­hafen“für Freude sorgen. Auf Initiative des ehemaligen Landtagsab­geordneten Norbert Zeller (SPD) und des Landrats des Bodenseekr­eises, Lothar Wölfle (CDU), haben sich dort Vertreter von Politik, Wirtschaft und Kultur zusammenge­schlossen. Auch ehemalige Geiseln und Befreier sind dort organisier­t. Die bpb schreibt, dass sich der Lernort „in die städtische Topografie und die Landschaft der Kultureinr­ichtungen einfügen muss und dem Standort zugutekomm­en soll“. Eine Eröffnung ist frühestens im Jahr 2023 geplant.

„Es droht die Zerstörung und Zerstückel­ung der ,Landshut’“

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FOTO: ANDY HEINRICH Weit weg vom Originalzu­stand: der Innenraum der „Landshut“.

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