Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Schuldig, aber nicht zu bestrafen“
Freispruch im Kirchenasyl-prozess gegen Benediktinermönch – Richterin betont Glaubens- und Gewissensfreiheit – Ein Urteil mit „Signalwirkung“
nicht unverzüglich abgeschoben worden. Damit sei es zu einer faktischen Duldung gekommen.
Während der Staatsanwalt bei seiner Forderung bleibt, schließt sich die Amtsrichterin der Argumentation von Bruder Abraham und des Verteidigers an. Weil der Mönch gesagt habe, er akzeptiere zur Rettung der Menschenwürde eines Flüchtlings auch eine Freiheitsstrafe, habe er aus Glaubensund Gewissensfreiheit gehandelt. Glaubens- und Gewissensfreiheit sei nicht nur ein Abwehrrecht, sondern es müsse dadurch auch aktives Tun möglich sein. Sonst hätten die Väter des Grundgesetzes es ausgeschlossen. „Dass es an dem aktiven Tun in den Jahren vor dem Entstehen des Grundgesetzes gefehlt hat, das weiß nun wirklich jeder.“Die Richterin verweist zudem darauf, der Mönch habe keine Grundrechte Dritter tangiert. Der Angeklagte habe zwar die Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt, wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt, rechtswidrig begangen. Die Gewissensfreiheit sei jedoch „ein schrankenloses Grundrecht“.
Aber die Juristin weiß auch, dass sie nicht das letzte Wort hat, dass ihr Urteil „nicht die letzte Entscheidung in dieser Sache gewesen ist“. Sie rechne damit, dass die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt. Dies sei durchaus auch in ihrem Sinne: „Wir brauchen eine Grundsatzentscheidung bei diesem Thema – da hilft alles nichts“, erläutert die Kitzinger Amtsrichterin.
Immer wieder wenden Kritiker ein, dass nur die bayerische Justiz in dieser Härte gegen Geistliche und Ordensangehörige vorgeht. Erstmals, so Bethäuser, sei jetzt ein solcher Fall vor einem Amtsgericht verhandelt worden. Damit habe ein Gericht sich inhaltlich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Die nächsten Verfahren folgen: Nach Auskunft des bayerischen Justizministeriums wurden im Freistaat 2020 27 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl gegen Kirchenangehörige neu eingeleitet. Wie viele davon noch anhängig sind, konnte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage nicht sagen.