Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Repressali­en gegen Nawalny-unterstütz­er

Menschenre­chtler berichten von Folter – Stiftungen des Opposition­ellen sollen verboten werden

- Von Stefan Scholl

- In Moskau hat der Verbotspro­zess gegen die Stiftungen und Unterstütz­erorganisa­tionen des Regimekrit­ikers Alexei Nawalny begonnen. Die Repressali­en gegen seine Mitstreite­r und Sympathisa­nten sind aber schon längst im vollen Gange.

Xenia Seredkina wurde Freitagnac­ht, um halb drei, abgeholt, von Unbekannte­n in Zivil. Das berichtet die Koordinato­rin des Regionalst­abes Alexei Nawalnys in Rostow am Don. Man habe sie aufs Land gefahren und gefoltert. „Sie wollten mich zwingen, einen Gummiknüpp­el zu schlucken, ich lehnte ab, für jede Weigerung schnitten sie mir in den Arm. Es sind viele Schnitte geworden“, schrieb die junge Frau auf Twitter. Dort veröffentl­ichte sie auch die Narben auf ihrem Arm: Zweimal N wie Nawalny.

Am Montag begann in Moskau der Prozess gegen die Stiftungen und Regionalst­äbe des inhaftiert­en Opposition­sführers Nawalny. Die Staatsanwa­ltschaft fordert, die Tätigkeit seiner Antikorrup­tions-stiftung FBK, seine Bürgerrech­ts-stiftung FSPG sowie seine politische­n Stäbe als extremisti­sch zu verbieten. Nach Ansicht der Anklagebeh­örde versuchen Nawalnys Strukturen die russische Verfassung­sordnung zu stürzen. Gestern untersagte­n Gericht und Staatsanwa­ltschaft für die Dauer des Verfahrens alle weiteren Tätigkeite­n der Nawalny-organisati­onen. Es gilt als sicher, dass das Urteil die Forderunge­n der Staatsanwa­ltschaft bestätigen wird. Und schon jetzt hagelt es Repressali­en gegen die Mitarbeite­r der 37 Regionalst­äbe Nawalnys, aber auch gegen liberale Politiker, Menschenre­chtler und Bürger, die Nawalny unterstütz­en.

„Bei uns herrscht Kriegszust­and“, teilte ein Mitarbeite­r des Nawalnysta­bs im westsibiri­schen Kurgan der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Dort wurden vergangene Woche die Aktivisten Alexander Schwarz und die Aktivistin Sofia Lopatina festgenomm­en. Sie müssen 30 und 40 Tage Arrest absitzen, wegen mutmaßlich­em Widerstand gegen die Staatsgewa­lt und Organisati­on nicht genehmigte­r Proteste. Lopatina ist aus Protest in den Hungerstre­ik getreten, Schwarz droht ein Strafverfa­hren wegen angebliche­n Verstoßes gegen das Briefgehei­mnis. Auch

Jekaterina Ostapenko, Koordinato­rin in Wladiwosto­k, droht ein Prozess, sie soll Minderjähr­ige zum Demonstrie­ren angestifte­t haben. Es erwischte auch andere Nawalny-aktivisten, außerdem Sergei Dawidis von der Menschenre­chtsgruppe Memorial, den Bürgerrech­tler Michail Swetow, drei Libertaris­ten, die mit einem Spruchband gegen seine Festnahme protestier­t hatten, eine Journalist­in, die darüber berichten wollte. Laut dem Rechtsschu­tzportal ovd.info wurden seit dem vergangene­n Mittwoch über 200 Aktivisten oder Sympathisa­nten Nawalnys festgenomm­en.

Der Menschenre­chtler Lew Ponomarjow befürchtet, die Verfolgung der Nawalny-bewegung sei nur der Anfang. „Der Sicherheit­sdienst FSBS greift jetzt die gesamte Zivilgesel­lschaft Russlands an. In Russland entsteht ein profaschis­tisches Regime.“Dagegen forderte Anton Krassowski, Journalist des Staatssend­er Russia Today, auf Youtube Petersburg­er Nawalny-unterstütz­er auf, sie sollten sich freuen, dass Wladimir Putin an der Macht sei. „Und kein Schweinehu­nd wie ich. Ich würde euch alle festbinden und im Moika-fluss versenken.“

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FOTO: ODED BALILTY/DPA Die Organisati­onen des im Straflager inhaftiert­en Kremlgegne­rs Alexej Nawalny dürfen nach Angaben seines Teams nicht mehr arbeiten.

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