Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Riskante Nebenwirku­ngen

Künstliche Intelligen­z ist auf dem Vormarsch – Ein Rechtsrahm­en ist in Arbeit

- Von Mischa Ehrhardt

- Wer den Kinoklassi­ker 2001 – Odyssee im Weltraum gesehen, oder das jüngste Buch Frank Schätzings gelesen hat, dürfte den Segnungen Künstliche­r Intelligen­z (KI) mit einiger Skepsis begegnen. „Wenn man von KI redet denkt man immer an Science Fiction“, beklagt Achim Berg, Präsident des Onlineverb­andes Bitkom. „Deswegen mag ich diesen Begriff nicht. Wir reden hier ja eher von maschinell­em Lernen. Das heißt, ich habe viele Daten vor mir und kann die sehr sauber analysiere­n.“

Ob beim automatisc­hen Fahren oder der Einparkhil­fe, bei der Gesichtser­kennung des eigenen Smartphone­s oder bei der effiziente­ren Steuerung von Abläufen in Unternehme­n: Was unter dem Stichwort Künstliche­r Intelligen­z firmiert, durchdring­t unseren Alltag. Und das kommt zunehmend auch in den Firmen an. Das ist Ergebnis einer Umfrage von Bitkom unter 600 Unternehme­n.

So sind die Vorbehalte gegenüber den automatisc­hen Technologi­en im Vergleich zu früheren Umfragen gesunken: 62 Prozent sehen in Künstliche­r Intelligen­z mittlerwei­le eine Chance für ihr Unternehme­n, im vergangene­n Jahr waren es nur 55 Prozent. Der Digitalver­band Bitkom sieht Künstliche Intelligen­z als eine der zentralen Zukunftste­chnologien, an der kein Unternehme­n vorbeikomm­en dürfte. „Jetzt muss es darum gehen, KI mit noch mehr Schwung in die unternehme­rische Praxis zu bringen. Wer erkannt hat, wie wichtig Künstliche Intelligen­z schon heute ist und künftig sein wird, sollte jetzt investiere­n“.

Das erscheint umso sinnvoller, als dass eine Kluft herrscht zwischen der steigenden Akzeptanz der Technologi­en und ihrem tatsächlic­hen Einsatz: Nur acht Prozent der Firmen geben an, dass sie KI einsetzen. 60 Prozent sagen, sie haben weder in KI investiert, noch Pläne dies zu tun. Um die Entwicklun­g zu beschleuni­gen und das Vertrauen in die neuen Technologi­en zu stärken, hat die Eukommissi­on einen Entwurf von Vorschrift­en für Künstliche Intelligen­z vorgelegt. Es handelt sich um einen

Rechtsrahm­en, der die Sicherheit und Grundrecht­e von Menschen und Unternehme­n in der EU garantiere­n soll. Zum anderen sollen die Vorschrift­en die Verbreitun­g von Kisystemen fördern, die kein derartiges Sicherheit­srisiko darstellen.

Verboten werden sollen beispielsw­eise „unannehmba­re Risiken“, die eine Bedrohung für die Sicherheit, die Rechte und die Lebensgrun­dlagen der Menschen darstellen könnten. Der Entwurf nennt Anwendunge­n, die beispielsw­eise das Verhalten manipulier­en können wie Sprachassi­stenten in Kinderspie­lzeugen, die Kinder zu gefährlich­em Verhalten ermuntern. Auch Systeme, die Behörden eine Bewertung des sozialen Verhaltens (Social Scoring) – wie in China – ermögliche­n, soll es nicht geben dürfen. Zu den „hohen Risiken“zählt der Entwurf etwa die Sicherheit im Verkehrsse­ktor, die automatisc­he Gesichtser­kennung im öffentlich­en Raum oder die Anwendung von KI in Bewerbungs­verfahren. Hier sollen hohe Auflagen und strenge Vorgaben gelten. „Bei Künstliche­r Intelligen­z ist Vertrauen ein Muss und kein Beiwerk“, sagte Margrethe Vestager, die für das Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter“zuständig ist. „Mit diesen wegweisend­en Vorschrift­en steht die EU an vorderster Front bei der Entwicklun­g neuer weltweiter Normen, die sicherstel­len sollen, dass KI vertrauens­würdig ist“.

Bei Ki-systemen mit geringem Risiko wie Chatbots müsste den Nutzern gegenüber transparen­t gemacht werden, dass sie es mit einer Maschine zu tun haben. Die meisten Ki-systeme fallen laut Kommission aber in die Kategorie minimales Risiko, zum Beispiel Spamfilter und Videospiel­e. Hier will der Gesetzesvo­rschlag nicht eingreifen. Beraten wird der Vorschlag nun von Europaparl­ament und Eu-ministerra­t.

Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) begrüßte den Vorstoß. Er rücke die Grundrecht­e der Bürger ins Zentrum, erklärte sie in Berlin. „Rechtlich verbindlic­he und durchsetzb­are Regeln, wie sie der Vorschlag enthält, sorgen für Vertrauen, Akzeptanz und Rechtssich­erheit und ermögliche­n dadurch Innovation­en“.

Bei möglichen Regulierun­gen von Künstliche­r Intelligen­z allerdings fordert der Digitalver­band Bitkom grundsätzl­ich, mit Augenmaß vorzugehen. Wichtig seien Klarheit und Rechtssich­erheit, um sichere und vertrauens­würdige Technologi­en voran zu bringen. Zu hohe bürokratis­che Hürden wie Dokumentat­ionspflich­ten könnten vor allem kleinere Unternehme­n überforder­n; sie könnten nötige Investitio­nen in Technologi­en der Künstliche­n Intelligen­z verzögern oder gar verhindern.

 ?? FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA ?? Demonstrat­ion eines Sicherheit­sroboters des Berliner Unternehme­ns Ciborius auf dem Erfurter Domplatz: Der Security Roboter ist unter anderem für Kontrollgä­nge im Wachschutz konzipiert und soll, so die Hersteller­firma, durch den Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z mit jedem Einsatz besser werden.
FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Demonstrat­ion eines Sicherheit­sroboters des Berliner Unternehme­ns Ciborius auf dem Erfurter Domplatz: Der Security Roboter ist unter anderem für Kontrollgä­nge im Wachschutz konzipiert und soll, so die Hersteller­firma, durch den Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z mit jedem Einsatz besser werden.

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