Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Aus alt mach neu

Outdoor-branche setzt auf Recycling-kleidung – Am Grundprobl­em ändert das aber nur wenig

- Von Josefine Kaukemülle­r

(dpa) - Ob Taschen aus Lkw-planen oder Hosen aus Altreifen: Hersteller von Outdoor-klamotten setzen verstärkt auf das Prinzip der Kreislaufw­irtschaft, bei dem Abfall weitervera­rbeitet und als Rohstoff für Produkte wiedereing­esetzt wird. So will der Outdoorher­steller Vaude aus Tettnang am Bodensee im Jahr 2022 Trekking-hosen auf den Markt bringen, die aus recyceltem Polyamid hergestell­t sind. Dieser vom Chemiekonz­ern BASF gelieferte Kunststoff stammt über einen Zwischensc­hritt aus Altreifen. Bei der Us-outdoor-modefirma Patagonia werden aus recycelten Fischernet­zen Mützen produziert, künftig sollen auch Jacken daraus entstehen.

Aus alt mach neu – dieser Devise folgt auch der Schweizer Taschenund Accessoire-hersteller Freitag. Die Firma aus Zürich hat zum Beispiel farbenfroh­e Taschen aus Lkwplanen im Sortiment. „Wer heute zukunftsfä­hige Konzepte liefern will, muss den Kreis schließen“, sagt eine Unternehme­nssprecher­in mit Blick auf das Prinzip der Kreislaufw­irtschaft. Seit 2014 hat Freitag eine Kleiderlin­ie aus Hanf und Leinen, die Firmenanga­ben zufolge samt Label und Hemdknöpfe­n vollständi­g biologisch abbaubar ist.

Auf einen möglichst nachhaltig­en Umgang mit Ressourcen setzt auch die Outdoor-firma Jack Wolfskin. „Wir arbeiten intensiv daran, einen Kreislauf in unserem Produktion­sprozess herzustell­en, in dem Abfälle wieder zu Rohstoffen werden“, sagt eine Sprecherin. In den Kollektion­en kommen demnach etwa recycelte Plastikfla­schen zum Einsatz. Besonders nachhaltig sei beispielsw­eise eine Rucksack-linie, in der alle Kunststoff­e aus recycelten Materialie­n sind – die Polsterung zum Beispiel ist aus Algenschau­m, einem nachwachse­nden Rohstoff.

Der Gesamtverb­and der deutschen Textil- und Modeindust­rie erkennt generell einen Bewusstsei­nswandel bei Verbrauche­rn hin zu Kleidung aus recyceltem Material. Es habe ein „Jahrzehnt der textilen Kreislaufw­irtschaft“begonnen, heißt es vom Branchensp­rachrohr.

In der Abfallwirt­schaft kommen solche Ideen gut an. Es sei jede Initiative gut, die helfe, Materialkr­eisläufe zu schließen, sagt ein Sprecher des Entsorgerv­erbandes BDE. Solche Vorhaben und Produkte dürften aber keine Ausnahmeer­scheinunge­n bleiben. „Wir müssen auch sehen, dass das auf Dauer angelegt ist – kontinuier­lich und für alle Stoffe, Ströme oder möglichst alle Materialie­n.“Generell sei eine Mindestein­satzquote von Recycling-rohstoffen sinnvoll – auch in der Fashionbra­nche.

Er sieht die Industrie in der Pflicht, um beim Einsatz solcher Stoffe voranzukom­men. „Es ist letztlich immer eine Frage der Produktpol­itik

– welches Material setzt der Hersteller ein? Ist es recyclingf­ähig oder sogar Recyclingm­aterial? Das kann er ja nur alleine entscheide­n.“Zur idealen Kreislaufw­irtschaft gehöre, „dass schon mit der Produktide­e die Entsorgung mitgedacht wird“.

Der Textilverb­and betont hierzu: „Man muss unterschei­den zwischen der werthaltig­en Textilindu­strie, die Lösungen für die Kreislaufw­irtschaft entwickelt, und Fast Fashion.“In ersterer gebe es zahlreiche Bemühungen, Rohstoffe so lange und häufig wie möglich zu nutzen. Mit Fast Fashion ist die relativ günstige Kleidung großer Modeketten gemeint, die Umweltschü­tzern ein Dorn im Auge ist – weil dieses Geschäftsm­odell dazu führe, dass die Menschen viel mehr Klamotten als früher kauften und dadurch die Umwelt belastet werde.

Initiative­n der Outdoor-branche zur Nachnutzun­g von Materialie­n finden Umweltschü­tzer generell positiv. Indra Enterlein vom Nabu weist aber darauf hin, dass chemisches Recycling in der Textilbran­che nicht unproblema­tisch sei. „Da werden unter hohem Energieauf­wand Rohstoffe niedriger Qualität erzeugt, die mit frischen fossilen Rohstoffen gemischt werden, um dann Kunststoff­textilien herzustell­en.“Es sei fraglich, ob so ein hoher Aufwand bei so schnellleb­igen Produkten wie Textilien Sinn mache.

Mit Blick auf die Modebranch­e insgesamt ist Enterlein besorgt: „Der Textilbere­ich ist mit die umweltvers­chmutzends­te Industrie, die wir überhaupt haben.“Noch immer würden zu selten hochwertig­e Materialie­n eingesetzt, die sich gut recyceln ließen. Letztlich helfe vor allem Verzicht: „Die Lösung kann nur sein: einfach weniger. Wenn man sich jede Saison komplett neu eindeckt, das Textil zwei-, dreimal trägt, dann ist es einfach per se nicht umweltfreu­ndlich. Selbst wenn es aus Recycling-material besteht.“

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FOTO: MOHD KHAIRUL FIKIRI OSMAN/DPA Plastikmül­l am Strand von Pantai Batu Buruk in Malaysia: In Kollektion­en der Firma Jack Wolfskin werden recycelte Flaschen verarbeite­t.

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