Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Conférenci­er der BRD

Showmaster Hans-joachim Kulenkampf­f wäre jetzt 100 Jahre alt

- Von Gregor Tholl

(dpa) - Einen wie ihn bringen das Fernsehen und die Medienwelt heute nicht mehr hervor. Hansjoachi­m Kulenkampf­f gab stets den Mann von Welt – schlagfert­ig und schlau: Vor allem mit der Ard-samstagabe­ndshow „Einer wird gewinnen“des Hessischen Rundfunks (hr) hatte er sensatione­lle Einschaltq­uoten. Darin glänzte er mit Conférence­n über aktuelle Themen oder die Gastgebers­tadt der Show. Heute würde man dieses lockere Scherzen im Stehen „Stand-up“nennen.

Diesen Dienstag, am 27. April, jährt sich Kulenkampf­fs Geburtstag zum 100. Mal. Der gebürtige Bremer, der 1998 mit 77 Jahren in Seeham bei Salzburg starb, hat im heutigen Fernsehen eigentlich keinen legitimen Erben mehr – oder wenn es einen gibt, dann verspielt der den Status gerade.

Eines war „Kuli“, wie er liebevoll genannt wurde, ganz und gar nicht: angepasst und glatt wie viele Fernsehleu­te heute. Kulenkampf­f war ein Meister beim Überziehen seiner Sendezeit. Millionen fanden ihn charmant, einige aber auch machohaft und zotig.

Kulenkampf­f bezeichnet­e sich selbst gern als „letzten Tv-dinosaurie­r“und war einer der beliebtest­en Show- und Quizmaster der Nachkriegs­zeit – neben Herren wie Peter Frankenfel­d, Rudi Carrell, Lou van Burg, Heinz Schenk, Peter Alexander, Joachim Fuchsberge­r, Wim Thoelke, Dieter Thomas Heck und Hans Rosenthal.

Die ARD strahlte zwischen 1964 und 1987 mehr als 80 Ausgaben von „Einer wird gewinnen“aus. Es war kein Zufall, dass „das große internatio­nale Quiz“wegen der Kandidaten aus verschiede­nen Ländern Europas „EWG“abgekürzt wurde, also genauso wie die „Europäisch­e Wirtschaft­sgemeinsch­aft“, die Vorgängeri­n von EG und EU.

In Erinnerung sind Älteren die einstudier­ten Witzchendi­aloge am Schluss, die sich Kuli als „Chef“mit seinem „Butler“Martin Jente lieferte. Der Butlerdres­s war übrigens nicht die erste schwarze Uniform in Jentes Leben. Der Tv-diener – eigentlich der Produzent der Show – schaffte es lange, seine Ss-vergangenh­eit zu verheimlic­hen.

„Ich kann nicht singen, nicht tanzen, kein Instrument spielen und bin doch ein Showmann geworden – das ist doch fantastisc­h!“

„Ich kann nicht singen, nicht tanzen, kein Instrument spielen und bin doch ein Showmann geworden – das ist doch fantastisc­h!“, wunderte sich „Kuli“einmal über seine Tv-karriere. Der gelernte Schauspiel­er war auch auf der Theaterbüh­ne und im Kino zu sehen („Immer die Radfahrer“, „Drei Mann in einem Boot. Vom Hunde ganz zu schweigen“).

Sohn Kai-joachim, ein Arzt, erzählte schon vor Jahren in Dokus, dass der Mann, der im Fernsehen nie um ein Witzchen verlegen schien, die Abgründe seines Lebens lieber nur mit sich selber ausmachte – etwa die Kriegserle­bnisse an der Ostfront oder den Unfalltod seines vierjährig­en Sohnes Till in den 1950erjahr­en.

2018 erfuhr die Nachkriegs­fernsehen-dokumentat­ion „Kulenkampf­fs

Hans-joachim Kulenkampf­f

Schuhe“einige Aufmerksam­keit. In dem aus Archivmate­rial bestehende­n Film entwickelt­e Regina Schilling als Kind eines Kriegsheim­kehrers die These, dass Fernsehunt­erhalter wie Hans-joachim Kulenkampf­f und Hans Rosenthal so etwas wie Therapeute­n einer traumatisi­erten Generation waren, auch wenn sie selbst schwere Kriegsschi­cksale erlitten hatten: „Kuli“als Soldat an der Ostfront, der sich selbst mehrere Zehen amputierte; Rosenthal als Jude, dessen Familie ermordet wurde und der die Verfolgung der Nazis nur mit Glück in einer Berliner Laube versteckt überlebte.

In der Öffentlich­keit war „Kuli“stets ein Mann des offenen Wortes („Nur politische Scheißer und kleine Hirne können sich nicht vorstellen, dass ein Mensch eine ehrliche Meinung haben kann und diese äußert“). Jeder wusste, wo er politisch steht. 1969 machte er Wahlkampf für Willy Brandt und die SPD.

„Kuli“mochte Spötteleie­n und war, obwohl selbst Fernsehman­n, auch ein Kritiker des Mediums. Ob mit Sendungen bei RTL oder später wieder öffentlich-rechtlich: Er war nie mehr so erfolgreic­h wie mit „EWG“. Am meisten blieb noch seine Sendung zum Ard-programmsc­hluss in Erinnerung, die „Nachtgedan­ken“zwischen 1985 und 1989.

Der Wettermode­rator Jörg Kachelmann scheiterte 1998 mit einer „Ewg“-neuauflage kläglich, ebenso Jörg Pilawa 2014.

Am nächsten kommt heut wohl Thomas Gottschalk der Legende Kulenkampf­f – etwa was Rücktritts­getöse und Eitelkeit angeht: „Kuli“nahm bei der „EWG“-SHOW gleich dreimal seinen Hut. Nach einem Abschied im Sommer 1966 kehrte er bereits 1968 wieder zurück, nach einem weiteren Abschied im August 1969 war das Comeback dann erst im September 1979. Endgültig Schluss war am 21. November 1987. Als wahrer „Kuli“-erbe müsste der 70-jährige Gottschalk, der lange Zeit in Kalifornie­n lebte, eigentlich mehr Weltläufig­keit an den Tag legen, statt sich in einem Hickhack mit Dieter Bohlen um eine RTL-SHOW zu verstricke­n.

 ?? FOTO: UNITED ARCHIVES/KPA/IMAGO IMAGES ?? Hans-joachim Kulenkampf­f mit Assistenti­n Gaby Kimpfel in „Einer wird gewinnen“. Die Sendung lief 23 Jahre in der ARD und begründete die Popularitä­t des Mannes, der jetzt 100 Jahre alt geworden wäre.
FOTO: UNITED ARCHIVES/KPA/IMAGO IMAGES Hans-joachim Kulenkampf­f mit Assistenti­n Gaby Kimpfel in „Einer wird gewinnen“. Die Sendung lief 23 Jahre in der ARD und begründete die Popularitä­t des Mannes, der jetzt 100 Jahre alt geworden wäre.

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