Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Erfahrung oder Jugend?
Auch in der Region ist die Altersgrenze für Fußball-schiedsrichter umstritten
- Große Diskussionen löst derzeit die Frage aus, ob weiter starr an der Altersgrenze für Fußball-schiedsrichter festgehalten werden soll. Auslöser ist die Personalie Manuel Gräfe. Er hat vergangenes Jahr die Altersgrenze von 47 Jahren erreicht und muss - nach den Statuten des Deutschen Fußball-bundes (DFB) - mit dem Saisonende als Feldschiedsrichter in Deutschlands Eliteliga ausscheiden, wie übrigens auch Guido Winkmann (Kerken) und Markus Schmidt (Stuttgart). Mehrere Profis und Experten haben sich inzwischen dafür ausgesprochen, dass Gräfe (Gräfe: „Ich fühle mich fit und konnte selbst dem hohen Tempo aller Top-spiele diese Saison problemlos folgen.“), weiterpfeifen darf.
Doch was sagen die Schiedsrichter aus der Region? Bezirksobmann Anton Guth, oberster Schiedsrichter im Bezirk Donau, meint: „Natürlich könnte ein Schiedsrichter auch mit 50 noch in der Bundesliga pfeifen, sofern er fit ist. Auch Knut Kircher, der vor einigen Jahren altersbedingt aufhören musste, hätte problemlos weitermachen können. Aber es gibt nun mal die Altersgrenze von 47“, sagt Guth, der sich aber auch nicht erschließen kann, warum die ausgerechnet bei 47 liegt.
Und diese Altersgrenze gilt bis in den mittleren Amateurbereich - bis einschließlich zur Landesliga. „In den Bezirks- und Kreisligen gibt es diese Grenze nicht. Dort muss ich halt meinen Fitness- und Leistungstest bestehen, um weiterpfeifen zu dürfen“, weiß Guth. „Zwar gibt es in Bezirks- und Kreisligen keine Altersgrenze, aber da sollten auch die Schiedsrichter so selbstkritisch sein und sich sagen: Die Bezirksliga ist nicht mehr machbar“, appelliert er.
Denn es gibt Gruppen, die auf Leistungstests verzichten, schon um nicht noch ärger in Personalnöte zu kommen.
Der DFB sei unflexibel, werfen Kritiker dem Verband vor und er poche auf willkürliche Richtlinien. Ein Blick über den deutschen Tellerrand zeigt, dass in anderen Ländern die Altersregelungen lockerer gehandhabt werden. In der Premier League pfeifen mit Mike Dean (52) und Martin Atkinson (50) sogar Referees, die weitaus älter als Gräfe und Co. sind, und das in der angeblich schnellsten Liga der Welt. In den Niederlanden ist der 48 Jahre alte Björn Kuipers an der Pfeife und sogar für die EM nominiert. Die Statuten des DFB sind also härter als die des europäischen Verbandes?
Dem Trio aus England und den Niederlanden kommt vor allem die Erfahrung zugute. Unlängst sprachen sich mehrere Profis für den Verbleib Gräfes aus, wie Christian Günter (Freiburg) und Oliver Baumann (Hoffenheim).
Ex-profi Sandro Wagner, inzwischen Experte beim Streamingdienst DAZN, sagte sogar: „Der (Gräfe, d. Red.)darf auch aus dem Mittelkreis pfeifen, wenn er über der Altersgrenze ist.“
„Die Altersgrenze hat natürlich Vor- und Nachteile“, sagt Gaetano Falcicchio, Spitzenschiedsrichter der Gruppe Saulgau. Falcicchio pfeift regelmäßig in der Regionalliga und ist als Assistent in der 3. Liga im Einsatz. „Zum einen gibt es natürlich nicht viele Schiedsrichter wie Manuel Gräfe, die du bedenkenlos zu jedem Spiel der Bundesliga schicken kannst. Andererseits sehe ich das auch aus einer anderen Warte, von seiten der Nachwuchsförderung. Die Plätze ganz oben sind begrenzt und wenn wir den Nachwuchs fördern wollen, macht die Altersgrenze schon Sinn“, sagt der 32-Jährige. Der Schiedsrichter des FV Fulgenstadt ist als Regionallotse eingesetzt und schult regelmäßig Förderkader des WFV. Und weil die Plätze begrenzt seien, blockierten die älteren Schiedsrichter - sollten die ihre Karriere fortsetzen dürfen - die jungen Schiedsrichter, denen man dann nicht die Aufstiegsmöglichkeiten bieten könne, so Falcicchio. Und die Regionalliga und die Oberliga seien nun mal Förderligen, sagt Falcicchio. „Und wenn du nicht bis 25 in der 3. Liga bist, kannst du es nicht mehr ganz nach oben schaffen“, sagt er.
Peter Lehleiter ist seit zehn Jahren an der Pfeife. Er hat nach seiner Zeit als Spieler und Trainer im „zarten“Alter von 43 Jahren einen Neulingskurs bei der Gruppe Saulgau absolviert und leitet Spiele in der Bezirksund Kreisliga, ist einer der Ex-spieler,
die so gesucht sind als Schiedsrichter. Er hat Verständnis dafür, dass Gräfe gerne die eine oder andere Saison dranhängen würde. „Warum soll Gräfe nicht noch fünf Jahre in der Bundesliga pfeifen? Solange er fit ist, kann er das. Natürlich sind die jungen Schiedsrichter läuferisch stärker, aber er hat die Erfahrung. Und fit ist er. Ich schaue viel englischen Fußball. Dort sind viele Schiris älter.“Die Fitness werde ohnehin Jahr für Jahr überprüft. „Die Schiris haben es schon selbst gut im Gespür, wenn es nicht mehr reicht.“
Lehleiter selbst, inzwischen 53 Jahre alt, wolle noch ein paar Jährchen in der Bezirks- und Kreisliga dranhängen. „Ich kann mir gut vorstellen, das bis 60 zu machen.“Auch wenn die Dinge, die von außen ins Spiel getragen würden, in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. „Manchmal komme ich schon heim und frage mich: Warum tust du dir das an? Ich habe auch schon mal zu einem Zuschauer gesagt: Jetzt nimmst du die Pfeife, ich schaue zu und schreie rein.“
Bei ihm selbst sei das Verständnis für die Schiedsrichter gewachsen. „Ich bin heute, wenn ich auf einen Sportplatz komme, viel ruhiger. Es ist gut, beide Seiten zu kennen. Aber ich würde auch den Schiedsrichtern empfehlen, die Gegenseite kennenzulernen“, und die Erfahrung zu sammeln, die ein Trainer mache. Aber: „Die Schiedsrichter in den unteren Ligen haben es viel schwerer, weil sie alleine sind.“