Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mehr Mannschaftsstärke für die Wehren
Feuerwehrbedarfsplan deckt in Uttenweiler Mängel bei der Tagesverfügbarkeit auf
- Neue Mitglieder anwerben, mehr Frauen und Migranten in die Feuerwehr, ein Gerätewart als Teilzeitkraft und langfristig ein gemeinsames Feuerwehrhaus für Dieterskirch und Sauggart: Mit Maßnahmen wie diesen sollen die Feuerwehren der Gemeinde Uttenweiler noch schlagkräftiger werden. Denn Handeln tut Not. Auch wenn die Gemeinde in den vergangenen Jahren viel in die Wehren investiert hat, deckte der in Auftrag gegebene Feuerwehrbedarfsplan Mängel bei der Tagesverfügbarkeit auf.
Die vielen Uniformierten im Publikum zeigten, wie groß das Interesse der Feuerwehren an diesem Tagesordnungspunkt des Uttenweiler Gemeinderats war. Bürgermeister Werner Binder nutzte die Anwesenheit der Feuerwehrkommandanten, um seinen Dank an die Ehrenamtlichen auszudrücken. „Die Feuerwehren sind motiviert und die müssen wir auch unterstützen“, so Binder. Auf welche Weise, darüber soll der Feuerwehrbedarfsplan Auskunft geben, mit dem der Gemeinderat im vergangenen Jahr das Büro Gtv-rettungsingenieure beauftragt hat.
Sven Volk, Fachbauleiter und Fachplaner Brandschutz beim Büro GTV, ging zunächst ausführlich auf die angewandten Methoden ein. Neben Material und Personal nannte er die Zeit als entscheidenden Faktor, um die Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr zu bewerten. Für die Beurteilung werden als Standard definierte Situationen zugrunde gelegt: bei Bränden ein Wohnungsbrand im Obergeschoss eines mehrgeschossigen Wohnhauses mit Menschenrettung, verrauchten Rettungswegen und der Gefahr der Brandausbreitung; bei Hilfeleistungen ein Verkehrsunfall außerhalb der Ortschaft mit eingeklemmter, mehrfach verletzter Person und der Gefahr eines Brandausbruchs. Um in beiden Situationen die beteiligten Personen rechtzeitig zu retten, bleiben der ersten Einheit der Feuerwehr gerade mal zehn Minuten, um nach der Alarmierung am Einsatzort einzutreffen. Diese Zielvorgabe sollte im gesamten Gemeindegebiet in 80 Prozent der Einsätze erreicht werden.
Die statistische Auswertung zeigt jedoch: In der Gemeinde Uttenweiler wurde dieses Ziel in den Jahren 1015 bis 2019 aber nur in 42 Prozent der Fällen erreicht. Im Durchschnitt traf die erste Einheit nach 11:06 Minuten ein. Bei mehreren parallelen Einsätzen sieht die Bilanz in diesem Zeitraum noch etwas schlechter aus. Hier lag die durchschnittliche Eintreffzeit bei 12:01 Minuten, so die Statistik des Fachbüros. Volk sieht das Problem zum einen in den „ländlichen Begebenheiten, aber es gibt auch Bedarf beim Material“.
Mängel erkennt der Rettungs- und Sicherheitsingenieur etwa bei den Feuerwehrhäusern: baulich, anlegentechnisch und auch organisatorisch. In Uttenweiler dürften diese nicht schwer zu beheben sein. Gravierende Mängel weisen aber die Feuerwehrhäuser in Dieterskirch und Sauggart aus. Deshalb schlägt Volk vor, „auf ein gemeinsames Feuerwehrhaus hinzuarbeiten“. „Also nicht die Wehren zusammenlegen, sondern Fahrzeuge und Räumlichkeiten zu teilen“, betonte Bürgermeister Binder, der diesbezüglich bereits mit den Kommandanten gesprochen hat. Auch bei der Ausstattung der Wehren stünden in den nächsten Jahren weitere Anschaffungen an, so Binder. „Wir sind aber noch nicht in die genaue Planung gegangen“, antwortete er auf die Frage des Offinger Ortsvorstehers
Leo Moll. In Corona-zeiten müsse man die Investitionen „Schritt für Schritt angehen“.
Organisatorisch sieht Ingenieur Volk die Wehren in Uttenweiler, Ahlen, Dieterskirch, Sauggart und Offingen jedoch gut aufgestellt. Alle Posten der Führungs- und Leitungskräfte sind besetzt. Auch der Ausbildungsstand der Feuerwehrleute sei gut. Als problematisch betrachtet Volk aber die Tagesverfügbarkeit unter der Woche: Für den Zeitraum von 8 bis 16 Uhr – also während der klassischen Arbeitszeiten – werden die Wehren größtenteils als „nicht alarmsicher“bewertet.
Auch hier sieht der Ingenieur eine der Ursachen im ländlichen Raum, wo Angestellte häufig zu ihrem Arbeitsort pendeln müssen und während der Arbeitszeit nicht am Ort zur Verfügung stehen. Früher engagierten sich häufig Landwirte in der Feuerwehr, antwortete Volk auf die Nachfrage von Georg Schrodi. Doch auch sie seien mittlerweile stärker eingebunden und weniger bereit, die anspruchsvolle Aufgabe zu übernehmen. „Zurzeit haben wir eine bessere Situation, weil mehr Leute im Homeoffice arbeiten“, so Volk. „Aber vielleicht muss man auch neue Konzepte finden.“Eine Lösung könnte sein, speziell in bestimmten Bevölkerungsgruppen für die Feuerwehr zu werben, bei Migranten etwa – und bei Frauen. Sie sind in den Feuerwehren der Gemeinde Uttenweiler bislang unterrepräsentiert bis gar nicht vorhanden. Auch schlug er vor, gezielt auf Arbeitgeber zuzugehen. Heute werde die Mitgliedschaft in der Feuerwehr geradezu zum „Einstellungsrisiko“, kritisierte Volk: „Es muss jedem Arbeitgeber bewusst sein, wenn sein Betrieb brennt, ist er von einer funktionierenden Feuerwehr abhängig.“Immerhin: In der Gemeindeverwaltung sind gleich zwei Feuerwehrleute beschäftigt, ergänzte Bürgermeister Binder. Beide wohnen nicht in Uttenweiler, nehmen hier aber an Übungen teil, um im Notfall die Uttenweiler Wehr zu unterstützen.