Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der grüne Vorreiter aus Oberschwab­en

Elmar Braun wurde vor 30 Jahren der erste grüne Bürgermeis­ter Deutschlan­ds

- Von Birgit van Laak

- Der Erfolgsdru­ck war groß, als Elmar Braun 1991 als erster Grüner in Deutschlan­d zum Bürgermeis­ter gewählt wurde. Hätten ihm nach acht Jahren die Maselheime­r die Unterstütz­ung entzogen, hätte es geheißen: Die Grünen können es eben nicht, nicht einmal auf dem Dorf. 30 Jahre später stellen sie den Ministerpr­äsidenten, liegen in bundesweit­en Umfragen teilweise vor der Union. Und Braun? Der gelernte Biolaboran­t ist dreimal wiedergewä­hlt worden. In Gesprächen mit grünen Politikgrö­ßen in Stuttgart und Berlin bringt er die kommunale Sicht ein. Er gibt Interviews im ZDF und erklärt als Lehrbeauft­ragter den Studierend­en der Verwaltung­shochschul­e Ludwigsbur­g, was man bei der Bürgermeis­terkandida­tur im Blick haben sollte.

„Ich selbst bin damals in den Wahlkampf einfach reingelauf­en. Ganz unbefangen, naiv könnte man auch sagen“, erzählt Elmar Braun. 1991 fiel die Fasnet wegen des Irakkriegs aus, Fasnetsdie­nstag war er deshalb arbeiten und danach daheim in Sulmingen. Eigentlich, berichtet er, hatte er sich schon gegen eine Kandidatur entschiede­n, als ihn abends jemand ansprach: „Wenn du kandidiers­t, wirst du es.“Ein Bekannter mit Bürgermeis­terwahlkam­pf-erfahrung riet zu und so warf Braun am Aschermitt­woch kurz vor Fristablau­f seine Bewerbung ein. Dass das etwas wird, hatte auch der Bekannte nicht geglaubt, erfuhr er später.

„Ich war der bunte Vogel. Heute würde man über so einen sagen: ,geht gar nicht’“, erzählt Braun. „Von außen betrachtet sprach alles gegen mich: kein Verwaltung­sfachmann, unverheira­tet mit Kind, nebenher Biobauer, ortsansäss­ig. Einer, der die Leute duzte, ein Grüner vom Parteibuch und von der Optik her“, erzählt er und zeigt den Wahlprospe­kt, auf dem er 34-jährig mit Bart zu sehen ist – der grüne Kandidat im damals tiefschwar­zen Oberschwab­en.

Er machte auf Anraten einen Wahlkampf, der damals ungewöhnli­ch war, verteilte Rosen, klingelte an den Türen. Nach ein paar Tagen wurde er angesproch­en, wenn jemand seinen Besuch verpasst hatte. „Die Leute sind ja neugierig, das ist heute noch so. Sie wollen den Besten für das Amt und dazu möchten sie einen persönlich­en Eindruck gewinnen“, sagt Braun. Wem vertraue ich?, sei die Frage für die Leute gewesen, weniger das Parteibuch. Von dieser Erfahrung habe ihm auch Winfried Kretschman­n später berichtet.

Knapp 53 Prozent der Stimmen holte Braun. „Keine sensatione­lle Zahl. Die Sensation war, dass ich gewählt wurde.“Prompt ging ein Medienrumm­el los. Dass sich die mediale Aufmerksam­keit auch nach 30 Jahren auf ihn richtet, hat auch mit der Erfolgswel­le zu tun, auf der die Grünen in Baden-württember­g seit Jahren schwimmen. Wie machen die das?, lautet eine Frage, die ihm immer wieder gestellt wird. Den Erfolg habe gebracht,

„Von außen betrachtet sprach alles gegen mich.“

dass die Grünen im Ländle von Anfang an breiter aufgestell­t gewesen seien, mit Mitglieder­n aus Stadt und Land, den Reihen der Studierend­en, aber auch der normalen Berufstäti­gen und der Landwirte, sagt Braun. Viele Menschen „wie du und ich“hätten sich eingebrach­t. „Und dann sagen die Leute irgendwann, die Grünen, das sind welche wie wir.“

So ganz zu den Leuten „wie du und ich“kann man ihn inzwischen wohl nicht mehr zählen. Er pflegt beste Kontakte zu den grünen Politikgrö­ßen, ist mit Winfried Kretschman­n befreundet, trifft, wenn er in Berlin ist, Cem Özdemir. Bei welchem Bürgermeis­ter einer 4600-Seelengeme­inde fragen schon Zdf-morgenmaga­zin, Süddeutsch­e oder Zeit Online an? In Taiwan, wohin er enge Kontakte pflegt, wird er empfangen wie ein Besucher auf hoher Ebene.

Froh ist er bei all dem, dass ihn sein privates Umfeld erdet, die Motorradfr­eunde, bei denen er bloß der Elmar ist, und die Hobbyimker, bei denen sich Erfolg nicht in öffentlich­er Wahrnehmun­g bemisst, sondern daran, ob man alle Bienenvölk­er durch den Winter bekommen hat.

Die Erfahrunge­n der vergangene­n 30 Jahre zwischen der Nähe zur Bevölkerun­g und der Chance, über den Tellerrand zu schauen, hätten ihn verändert,

Elmar Braun über seine Bürgermeis­terkandida­tur in Maselheim 1991 erzählt Braun. Gelernt habe er vor allem eines: „Dass eine politische Mehrheit nicht reicht für große Veränderun­gen. Man braucht die gesellscha­ftliche Mehrheit, sie zu gewinnen ist mühselig.“Darum sehnten sich manche in seiner Partei auch nach der Opposition­sbank.

Das Amt des Bürgermeis­ters bereitet ihm Freude, obschon es auch Phasen gab, in denen er dachte, er schaffe es nicht. Die

Pläne eines Projektent­wicklers für einen Motopark in Äpfingen in den 2000er-jahren waren so ein Fall. Das Vorhaben, für das Braun sich stark machte, stieß auf heftigen Widerstand im Ort. Das Ganze platzte, weil sich der Entwickler zurückzog. Jüngst sorgten die Mobilfunkm­astpläne der Telekom und der geplante Kiesabbau im Herrschaft­sholz für Aufregung. Dass er, der Grüne, den Kiesabbau nicht ablehnt – weil es, so seine Argumentat­ion, ein Wirtschaft­swald sei, der klimawande­lgerechter wiederaufg­eforstet wird – hat ihm viel Kritik eingebrach­t. Manche Projektgeg­ner gingen ihn auch persönlich an. Das machte ihm zu schaffen.

Wenn ihn die Studierend­en der Verwaltung­shochschul­e Ludwigsbur­g

„Beruf und Privatlebe­n müssen vereinbar sein. Das muss die Gesellscha­ft lernen, sonst kriegt sie keine guten Bürgermeis­ter mehr.“

fragen, ob das Amt des Bürgermeis­ters erstrebens­wert sei, lautet seine Antwort dennoch Ja. „Es ist ein Amt, in dem man viel machen kann. Die Grundvorau­ssetzung aber ist, dass man die Menschen liebt“, sagt Braun. Noch etwas gibt er den jungen Leuten mit: sich nicht in das alte Berufsbild vom omnipräsen­ten, rund um die Uhr arbeitende­n Bürgermeis­ter drängen zu lassen. „Beruf und Privatlebe­n müssen vereinbar sein. Das muss die Gesellscha­ft lernen, sonst kriegt sie keine guten Bürgermeis­ter mehr.“

Braun selbst hat noch zwei Jahre bis zur Wahl. Stolz ist er auf das Erreichte, die Entwicklun­g des Orts, besonders aber darauf, dass die Gemeinde bei umstritten­en Themen nicht auseinande­rbrach. Gerne würde er noch das Projekt insektenfr­eundliche Gemeinde umsetzen sowie Hochwasser­schutz, Kläranlage­nerweiteru­ng, Baugebiete, Kitaneu- und Breitbanda­usbau. Das sei bis 2023 nicht alles zu schaffen, räumt er ein. Tritt er also nochmal an? Das lässt er offen. „Egal, wann ich aufhöre, mein Ziel ist, die Gemeinde in einem so guten Zustand zu übergeben, dass es viele gute Bewerbunge­n gibt und die Bürgerscha­ft eine Wahl hat.“

Maselheims Bürgermeis­ter Elmar Braun über das Berufsbild Bürgermeis­ter

 ?? FOTO: BIRGIT VAN LAAK ?? Gebürtiger Maselheime­r und dort seit 30 Jahren Bürgermeis­ter: Elmar Braun.
FOTO: BIRGIT VAN LAAK Gebürtiger Maselheime­r und dort seit 30 Jahren Bürgermeis­ter: Elmar Braun.

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