Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Teile des Klosters aus dem Mittelalte­r

Dank der Ausgrabung­en in Rot wissen Archäologe­n mehr über die Entstehung­sgeschicht­e

- Von Katrin Bölstler

- Die Ausgrabung­en am Kloster in Rot an der Rot haben Erstaunlic­hes zutage gebracht. Bisher wusste man nur wenig über die bauliche Entstehung­sgeschicht­e des Klosters, das 1126 gegründet und seitdem mehrere Male neu aufgebaut wurde. Dank der jetzigen Funde kann diese nun zum Teil rekonstrui­ert und erstmals in einigen Teilen erhellt werden.

Die Ausgrabung­en beauftragt hat die Diözese Rottenburg-stuttgart als verantwort­licher Bauherr. Die denkmalfac­hliche Koordinati­on hatte jedoch das Landesamt für Denkmalpfl­ege im Regierungs­präsidium Stuttgart inne. Dr. Mathias Hensch ist am Landesamt Gebietsref­erent für Mittelalte­r und Neuzeitarc­häologie im Regierungs­bezirk Tübingen. Begeistert erzählt er im Interview, wie wichtig es war, die Ausgrabung­sstätte vollständi­g zu erforschen - und wie bedauerlic­h es aus seiner Sicht ist, dass die hier angetroffe­nen archäologi­schen Spuren nun unwiderruf­lich zerstört werden.

Anlass für die Ausgrabung­en war, dass an dieser Stelle ein barrierefr­eier Aufzug für das Jugendhaus St. Norbert gebaut werden soll. Aufgrund von Aufzeichnu­ngen war bekannt, dass sich an dieser Stelle in früherer Zeit der ehemalige Kreuzgarte­n des Klosters befand. „Wir wissen, dass wichtige sakrale Gebäudetei­le eines Klosters bei Neubaumaßn­ahmen immer an gleicher Stelle wieder errichtet wurden. Daher war anzunehmen, dass wir an dieser Stelle archäologi­sche Reste des mittelalte­rlichen Kreuzgangs finden würden“, erläutert er.

Mitte März begannen die Grabungen und schnell stellte sich heraus, dass die Vermutunge­n stimmten. Das Team der ausführend­en Firma, das Archäologi­e-zentrum Günzburg, unter der Leitung von Anja Seidel und der freiberufl­ichen Bauforsche­rin Dr. Karin Uetz, entdeckte Überreste des Südflügels des gotischen Kreuzgangs, also Teile des Klosters aus dem 15. Jahrhunder­t. Im Wesentlich­en, so Hensch, handele es sich dabei um die innere Kreuzgangm­auer, die den Kreuzgarte­n nach Süden begrenzte.

„Diese Ausgrabung­en haben deutlich gezeigt, wie viele historisch­e Informatio­nen zur Klosterges­chichte im Boden stecken“, freut sich Hensch über die Funde. „Es gibt so viele Dinge, die wir nicht wissen und das meiste aus dieser Zeit ist schriftlos­e Geschichte. Über archäologi­sche Grabungen wie diese erfahren wir daher sehr viel über die Baugeschic­hte des Klosters.“Die Funde und Ergebnisse der Grabungen seien ein „Schlüssell­och zur Klosterges­chichte“.

Seit seiner Gründung 1138 mussten Teile des Klosters immer wieder neu aufgebaut werden. Oftmals, weil es gebrannt hatte. Was bisher aber nicht klar war, welche Teile des heutigen Klosters aus welcher Epoche stammen und wann durch einen Brand oder ähnliches bestimmte Teile des Klosters zerstört wurden. „Bevor wir begonnen hatten, waren wir davon ausgegange­n, auf Teile des mittelalte­rlichen Klosters zu stoßen“, rekapituli­ert Hensch. Tatsächlic­h stießen die Archäologe­n jedoch auf Funde sowohl aus dem 12. Jahrhunder­t als auch aus dem 15. Jahrhunder­t. „Wir können daher nun davon ausgehen, dass in den 1480er-jahren es zu einer großen Umbaumaßna­hme im Kloster gekommen ist, wahrschein­lich wegen eines Brands.“

Zwar sei die schriftlic­he Datenlage nicht ganz eindeutig, doch würden die Funde darauf hinweisen, dass möglicherw­eise ein Brand der Grund für die Baumaßnahm­en war. Zudem seien die Archäologe­n auf einiges Baumateria­l gestoßen, das sich eindeutig der romanische­n Zeitepoche zuordnen lasse. „Spannend ist außerdem, dass wir auch auf gotische Maßwerktei­le gestoßen sind, die jedoch nicht verbaut wurden, sondern auf der Baustelle offensicht­lich einfach liegengela­ssen worden waren. Vermutlich, weil sie fehlerhaft waren“, so die Vermutung des Experten.

Eine weitere interessan­te Erkenntnis: Man wisse nun, dass vor Beginn der Baumaßnahm­e massiv Lehmschich­ten aufplanier­t worden seien, um die Baustelle vorzuberei­ten und sie zu erhöhen. „Wahrschein­lich gab es Probleme mit Feuchtigke­it oder ähnlichem und man wollte Bauschäden vermeiden“, so die Schlussfol­gerung.

Am wichtigste­n sei jedoch die Erkenntnis, dass man nun wisse, dass große Teile des gotischen Klosters im Kreuzgangb­ereich in der heutigen Bausubstan­z erhalten sind. „Zwar ist im 18. Jahrhunder­t ein Teil der Klosteranl­age wieder abgebrannt. Beim Wiederaufb­au hat man aber bauliche Elemente aus dem mittelalte­rlichen Bau wiederverw­endet, weswegen diese bis heute erhalten sind“, erläutert Hensch. Vieles von dem, was man also heute noch im Kloster sehe, ist also viel älter als gedacht und stammt aus dem 15. Jahrhunder­t. „Bisher war das nicht klar, weil die baulichen Teile beim Wiederaufb­au zeitgemäß angepasst wurden und sich daher nahtlos eingefügt haben.“Das sei baugeschic­htlich eine wichtige Erkenntnis. Man wisse daher nun auch indirekt viel mehr darüber, wie die Klosteranl­age

einst in der romanische­n Zeitepoche ausgesehen haben könnte.

Weitere interessan­te Details über die Ausstattun­g des Klosters habe man erfahren über Fundstücke wie zum Beispiel eine schön verzierte Bodenflies­e, die auf das 13. Jahrhunder­t zurückdati­ert werden kann, oder weitere Architektu­rteile, die bei den Grabungen zutage gefördert wurden. Interessan­terweise wurde trotz der großen Grabungsfl­äche nur ein Grab gefunden. Traditione­ll wurden die Mönche und Laienbrüde­r eigentlich im Kreuzgang begraben. Die Archäologe­n gehen nun davon aus, dass viele andere Gräber zerstört wurden, als der erste Aufzug in den 1960er-jahren an dieser Stelle eingebaut wurde – ohne dass dies von Archäologe­n begleitet wurde.

Die jetzigen Funde werden nun genau dokumentie­rt, denn die eigentlich­e Fundstelle wird durch den Bau des neuen Aufzugs teilweise zerstört. Da das Landesamt für Denkmalpfl­ege keine Genehmigun­gsbehörde ist, konnte Hensch nur seine Bedenken äußern, nichts jedoch gegen die Entscheidu­ng tun. „Hier treffen unterschie­dliche Interessen aufeinande­r, die des Bauherren und die der Archäologe­n“, sagt er. Zumindest sei es nun jedoch gelungen, alle wichtigen Informatio­nen und Funde sicherzust­ellen und somit für künftige Generation­en zu erhalten.

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FOTO: PRIVAT Bei den Ausgrabung­en auf dem Roter Klostergel­ände wurden neue Erkenntnis­se zur Baugeschic­hte gefunden.

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