Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Impfpanne bei Hausarzt: Kollegen sind sauer
Betroffene Patienten stehen Schlange - und bringen Verständnis auf
- Weil der Kühlschrank in der Hausarzt-praxis von Dr. Christian Kröner wenige Grad zu warm eingestellt war, könnten bis zu 5000 Corona-impfungen womöglich unwirksam gewesen sein. Ob dem wirklich so ist, will der „Impfluencer“, wie er sich selbst nennt, mithilfe von Antikörpertests feststellen. Betroffene, die am Mittwoch vor seiner Praxis Schlange stehen, stehen hinter dem Allgemeinmediziner. Doch nicht alle haben Verständnis für den Fehler. Ein Hausarzt-kollege in Neu-ulm ist „sauer“. Ein anderer sagt hingegen: „Das hat er nicht verdient.“
Dr. Alexander Babiak hat seine Praxis zwar in der Neu-ulmer Stadtmitte. Auswirkungen der Panne bekomme er dennoch zu spüren, „auf negative Art und Weise“, sagt er. Patienten, die sich in Pfuhl haben eine Spritze geben lassen, würde nun zu ihm in die A4-gemeinschaftspraxis kommen und einen Antikörpertest verlangen. „Die Patienten teilen uns mit, sie seien von dort zu uns geschickt geworden“, sagt Babiak. Doch das sei nicht abgesprochen. Aus heiterem Himmel seien mehrere Dutzend Patienten aufgetaucht. „Das hat uns völlig kalt erwischt.“Abgesehen davon, dass noch niemand ganz konkret wisse, wie solche Antikörpertest zu deuten seien, ist laut Babiak auch die Kostenfrage nicht geklärt. Derartige Tests werden von der Krankenkasse nämlich nicht bezahlt, sagt der Allgemeinmediziner. Wenn er die Patienten darauf aufmerksam mache, würde diese mit Unverständnis reagieren. Schließlich habe Kröner ja angekündigt, dass er die Kosten übernimmt. Wie das aber konkret ablaufen soll, ist Babiak ein Rätsel. „Wir sollen nun den Scherbenhaufen zusammenkehren, der bis zu uns rüberschwabbt. Das macht mich sauer“, sagt er. Der Hausarzt hätte sich gewünscht, dass wenigstens eine kurze Absprache stattfindet.
Kröner ist sich dessen bewusst. Aber er komme gerade einfach nicht hinterher, sagt er. Noch am Mittwochabend wolle er ein entsprechendes Erstattungsformular auf seiner Internetseite veröffentlichen.
Dr. Johannes Höß, Allgemeinmediziner mit einer Praxis im Neu-ulmer Donau-center, fühlt mit seinem Kollegen aus Pfuhl. „Das ist voll die Katastrophe“, sagt er. Zwar hätte er sich medial „nicht so hineingekniet“. „Aber ich finde es lobenswert, was er da macht. Ich stehe in der Sache hinter ihm“, so Höß. Und in dem Fall jetzt gehe ja nicht um Bereicherung oder Korruption. „Er hat es gut gemeint, aber es ging jämmerlich schief.“Er habe ihm vollste Solidarität zugesichert - auch schon damals, als Kröner wegen seines Info-zettels zur Corona-impfung angefeindet wurde. Und jetzt wieder nach den Morddrohungen. „Das ging nicht nur gegen ihn. Das ging gegen uns alle“, sagt Höß.
Dass es in der laufenden Impfkampagne zu einem derartigen Fehler kommt, sei nur eine Frage der Zeit gewesen. „Land unter“habe geherrscht. Auch seine Mitarbeiter seien teilweise überfordert gewesen. „Der Druck war gigantisch. Da war eigentlich klar, dass Essentielles flöten geht.“Auch seinem Team hätte ein derartiger Fehler unterlaufen können, „bei dem Chaos, das da war“.
Höß habe dem Kollegen Kröner seine Unterstützung angeboten. Sollte sich im Zuge der Antikörpertests herausstellen, dass mehrere Impfungen nachgeholt werden müssten, könnten diese in seiner Praxis durchgeführt werden. „Wir nehmen ihm Patienten ab, wenn er was loswerden muss“, sagt Höß. Auch wenn er Kröner für einen Kämpfer hält, könnte ihm die Panne teuer zu stehen kommen. Die Kosten für die Tests könnten sich auf 200 000 Euro belaufen, rechnet Höß vor. Sollte dann auch noch eine Klage der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) hinzukommen, könnte die Praxis gar pleite gehen.
Dr. Klaus Thamasett liegt mit seiner Praxis in Offenhausen nochmal ein Stück näher dran. Der Hausarzt, der auch als Sprecher seines Berufsstandes im Kreis Neu-ulm fungiert, erzählt ebenfalls von Patienten, die zwar bei Kröner in Pfuhl geimpft wurden, für den Antikörpertest nun aber bei ihm aufschlagen. Wie Babiak erkläre er diesen zwar, dass sie die Kosten dafür selber tragen müssten und nur der Pfuhler Hausarzt diese übernehme. Viele aber, erzählt er, würden dennoch bleiben und die 40 Euro zahlen. „Sie haben das Vertrauen verloren“, sagt er. Und auch wenn der „Impfluencer“ein polarisierender Mensch sei: „Das hat er nicht verdient“, sagt Thamasett. „Vorher war er der Star. Und jetzt traut man ihm nicht mal die Blutabnahme zu.“Auch er habe ihm Hilfe angeboten.
Zum Vorfall selbst könne Thamasett gar nicht so viel sagen. Dass aber Kröner sage, dass seine Mitarbeiter Fehler gemacht hätten, empfindet er als „keinen guten Stil“. Schließlich trage er die Verantwortung. Allerdings gebe Kröner nun auch alles, um einigermaßen unbeschadet aus der Sache herauszukommen. Und dafür „scheut er keine Kosten und Mühen“. Was da auf ihn zukomme, „das ist eine Katastrophe“.
Der Fall könnte auch Fragen ins Bewusstsein der Menschen rufen, die bisher nur die wenigsten hatten, meint Thamasett: Wie wirksam war meine Impfung wirklich? Und was ist, wenn eben durch solche Antikörpertests eine geringe Wirksamkeit nachgewiesen wurde? Bekomme ich dann eine dritte Impfung? Wer zahlt die? Laut dem Hausarzt-sprecher ist das alles noch nicht geklärt. Bislang bekomme er beispielsweise nur zwei Impfungen pro Patienten bezahlt. Die Fragen hat er bereits der KVB gestellt, bislang aber keine Antwort erhalten.
Die betroffenen Patienten, die am Mittwochmorgen rund zwei Stunden vor der Praxis auf einen Antikörpertest warteten, machen Kröner keinen Vorwurf. Die meisten bleiben auch angesichts stundenlanger Wartezeit entspannt. Studentin Isabelle Gilles sagt: „Ich mache mir eigentlich keine Sorgen um meinen Impfschutz.“Doch weil sie bald verreisen will, möchte sie eben auf Nummer sicher gehen.