Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Stiko-chef verärgert über Impfverweigerer
Ulmer Virologe warnt vor vierter Welle – Spanien und Niederlande nun Hochinzidenzgebiete
- Die Impfkampagne in Deutschland hat trotz steigender Coronafallzahlen massiv an Fahrt verloren. Nachdem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Lothar Wieler, Chef des Robert-koch-instituts (RKI), die Bevölkerung mit eindringlichen Appellen zur Immunisierung aufgerufen haben, zeigte sich am Freitag auch Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), besorgt. Am Freitag lag die Sieben-tage-inzidenz bei 13,2, seit zwei Wochen steigen die Werte.
Das Coronavirus breitet sich hierzulande aktuell vor allem unter jungen Menschen aus. „Der derzeitige
Anstieg der Inzidenz ist vor allem in den Altersgruppen der 15- bis 34-Jährigen zu beobachten“, heißt es im aktuellen Rki-lagebericht. Die Siebentage-inzidenz in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen lag demnach in der Berichtswoche bei 32 – und damit fast doppelt so hoch wie in der Vorwoche. In der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen lag der Inzidenzwert bei 25, bei den 30- bis 34-Jährigen bei 18. Zum Vergleich: Die älteren Bürgerinnen und Bürger, die zu Beginn der Pandemie besonders stark betroffen waren, haben aktuell weit weniger unter den Infektionen zu leiden. Das RKI führt dies auf die höhere Impfquote in dieser Altersgruppe zurück.
Stiko-chef Mertens ist die Quote jedoch generell noch längst nicht hoch genug. „Unser ganz zentrales Problem in Deutschland ist die Impfquote
bei den 18- bis 59-Jährigen“, sagte der Ulmer Virologe der „Schwäbischen Zeitung“. „Es ist unverständlich dumm, wenn sich diese Menschen jetzt nicht rasch impfen lassen.“Davon, so Mertens, werde die Schwere der nächsten Infektionswelle „entscheidend abhängen“. Nötig für eine flache Welle sei eine Quote von „mindestens 75 Prozent in dieser Gruppe“. In Deutschland sind nach Rki-angaben vom Freitag aktuell 40,3 Millionen Menschen (48,5 Prozent) vollständig gegen das Coronavirus geimpft, circa 50,4 Millionen (60,6 Prozent) haben mindestens eine Impfdosis erhalten.
Unterdessen hat die Eu-arzneimittelbehörde (EMA) nach dem Vakzin aus dem Hause Biontech/pfizer auch den Corona-impfstoff des Usherstellers Moderna für Kinder und
Jugendliche von 12 bis 17 Jahren empfohlen. Die Ema-experten bewerteten am Freitag in Amsterdam die entsprechenden Studiendaten positiv und machten den Weg frei für die Zulassung des Präparats.
Derweil hat die Bundesregierung Spanien und auch die Niederlande am Freitag wie erwartet zu Hochinzidenzgebieten erklärt. Die Entscheidung folgt auf einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen in beiden Ländern. Seit Ende Juni sind die Corona-zahlen praktisch überall in Spanien rapide in die Höhe geschossen. Binnen eines Monats wurden rund 475 000 Neuinfektionen gezählt, die Sieben-tage-inzidenz stieg von 42 im Juni auf jetzt 333. Auf Mallorca lag die Inzidenz zuletzt sogar bei 365. In den Niederlanden liegt die Inzidenz bei 361.