Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rauer Ritter mit evangelisc­hem Herzen

Götz von Berliching­en schloss sich vor 500 Jahren der Reformatio­n an

- Von Marcus Mockler

(epd) - Das ging schnell: 1517 löste der Augustiner­mönch Martin Luther in Wittenberg mit seinen Thesen die Reformatio­n aus, vier oder fünf Jahre später schon schloss sich Ritter Götz von Berliching­en im 380 Kilometer entfernten Neckarzimm­ern im heutigen Neckar-odenwald-kreis der evangelisc­hen Bewegung an. Am 25. Juli erinnert Burg Hornberg über dem Neckar an den Konfession­swechsel seines legendären Burgherrn, der dort von 1517 bis zu seinem Tod 1562 lebte.

Was hat den „Ritter mit der eisernen Hand“, der seine rechte Hand in einem Kampf bei Landshut verloren hatte, so fasziniert, dass er mit der katholisch­en Familientr­adition brach und vor 500 Jahren ins protestant­ische Lager wechselte? Der Historiker Kurt Andermann, Spezialist für die südwestdeu­tsche Landesgesc­hichte, macht nicht zuerst tiefe Glaubensüb­erzeugunge­n des Götz für den Übertritt zum Luthertum verantwort­lich. „Mit besonderer Frömmigkei­t ist Götz in jungen Jahren nicht erkennbar hervorgetr­eten“, schreibt Andermann in einem Fachaufsat­z.

Auch in der von Götz selbst diktierten Lebensbesc­hreibung äußert sich der Ritter kurz vor seinem Tod nicht zu Glaubensfr­agen. Das maßgeblich­e Motiv ist deshalb nach Überzeugun­g des Historiker­s Andermann der Freiheitsd­rang des Ritters gewesen. Der Geschichts­experte sieht hier eine Parallele zum politische­n Kampf: So wie Luther dem Menschen aufgrund der Bibel einen unmittelba­ren Zugang zu Gott versprach, so suchte der Ritteradel Autonomie und den unmittelba­ren Zugang zu Kaiser und Reich – während damals Territoria­lherren daran arbeiteten, sich die Ritter ihres Gebietes untertan zu machen. Die Botschaft von der Freiheit des Christenme­nschen war „die rechte Lehre zur rechten Zeit“, resümiert Andermann.

Das genaue Datum des Übertritts ist nicht mehr bekannt. Die heutigen Burgherren, das Ehepaar Dajo und Daniela von Gemmingen-hornberg, lassen das Jubiläum am 25. Juli feiern. An diesem Tag öffnet auch eine Sonderauss­tellung zu Reformatio­n und

Burggeschi­chte. Der frühere evangelisc­he Ortspfarre­r Wolfram Stober feiert zwar den Jubiläumsg­ottesdiens­t, räumt aber gegenüber dem Evangelisc­hen Pressedien­st ein, dass es für das Datum keine historisch­en Dokumente gebe.

Anderersei­ts dürften die Hornberger rückblicke­nd nicht allzu falsch liegen: Laut Historiker Andermann gehörte Götz von Berliching­en spätestens 1522 der evangelisc­hen Bewegung an, gemeinsam mit den Rittern des Kraichgaus. Vergleicht man das mit dem Haus Baden-durlach, das sich erst 1545 der Reformatio­n anschloss, war dieser Wechsel tatsächlic­h erstaunlic­h früh.

Mehr Bekannthei­t als mit seinem Übertritt zum Luthertum hat Götz von Berliching­en mit seinem „Schwäbisch­en Gruß“erlangt, den er kurz vor seiner Festnahme dem Hauptmann eines kaiserlich­en Exekutions­heeres ausrichten ließ. Der klingt bei Goethe so: „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“Etwas zurückhalt­ender formuliert­e es der Ritter selbst in seinen Lebenserin­nerungen: „Da schriehe ich wider zu ime hinauff, er soldt mich hinden leckhenn.“

Bestattet wurde der Protestant dann übrigens im katholisch­en Kloster Schöntal in Hohenlohe. Nicht weil er zum alten Glauben zurückgeke­hrt wäre, sondern weil sich dort seit Generation­en die Grablege der Familie von Berliching­en befunden hatte. Götz sollte allerdings einer der Letzten sein, der dort begraben wurde. Die Schöntaler Zisterzien­sermönche wollten auf ihrem Areal keine Protestant­en haben – auch keine toten.

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FOTO: DPA Zeitgenöss­ischer Stich des fränkische­n Ritters Götz von Berliching­en: Der Reichsritt­er unterstütz­te sehr früh Martin Luther und die evangelisc­he Bewegung.

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