Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bitteres Ende der Olympia-träume
Marco Mathis ist trotz Nominierung an einer alten Regel des Weltverbands gescheitert
- Das Ticket für die Olympischen Spiele in Tokio hat Marco Mathis eigentlich schon in der Tasche gehabt. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatte den 27Jährigen aus Meckenbeuren (Bodenseekreis) für den Bahnradvierer nominiert. Weil Mathis, der erst zu Beginn dieses Jahres wieder auf die Bahn zurückgekehrt ist, aber 2019 keine Weltcuppunkte geholt hatte, verwehrte ihm der Radsportweltverband UCI den Olympiastart.
Was Mathis von dieser Regelung hält, lässt er deutlich wissen: „Das ist Quatsch!“Darum geht es: Da die Olympischen Spiele in Tokio für den Sommer 2020 geplant waren, mussten die Sportler für eine Olympiaqualifikation laut Uci-regularien schon 2019 Uci-punkte gesammelt haben. „Ich war 2019 noch Straßenradprofi, da bin ich gar nicht auf der Bahn gefahren“, sagt Mathis. Nach der Rückkehr auf die Bahn hatte der mehrfache deutsche Meister im Bahnradsport und U23-zeitfahrweltmeister von 2016 die Kriterien des BDR erfüllt und wurde daher auch auf die Olympialiste gesetzt. „Wir wussten um die alte Regel“, meint
Mathis. Sowohl der Sportler als auch die deutschen Funktionäre dachten aber, dass die UCI – wie andere Verbände auch – ihre Qualifikationskriterien anpassen würde.
Doch das tat der Weltverband nicht. „Ich war schon sehr enttäuscht, weil ich seit Januar alles darangesetzt habe, bei den Olympischen Spielen dabei sein zu können“, sagt Mathis. So bitter die Nachricht für den früheren Profi des Worldtour-teams Cofidis ist, so unsinnig wirkt die Regel, wenn man auf die Details schaut. 2019 hätte Mathis zehn Uci-bahnpunkte holen müssen. „Dafür hätte er nicht einmal ins Ziel kommen müssen, die Punkte gibt es schon fürs Antreten“, sagt Richard Dämpfle. Der frühere Chef des Mountainbiketeams Centurion-vaude ist seit Jahren ein Förderer von Mathis. „Mit dieser nicht nachvollziehbaren Regelauslegung haben die Herren der UCI diesem jungen Deutschen den olympischen Traum genommen“, schimpft Dämpfle.
Nicht nur Mathis war ein Leidtragender der Regelauslegung des Weltverbands. „Auch wer 2019 noch im Nachwuchs gefahren ist und durch die Verschiebung nun in Tokio hätte starten können, konnte sich nicht qualifizieren“, sagt Mathis. „Es waren zwei besondere Jahre, da hätte man den Sportlern schon eine Chance geben können.“Neben Liane Lippert, Laura Süßemilch und Emanuel Buchmann wäre Marco Mathis der vierte Radsportler aus der Region Bodensee/oberschwaben bei den Olympischen Spielen gewesen.
Dafür hatte der 27-Jährige nach seinem Abschied vom Straßenrennen hart gearbeitet. Immer wieder war er mit dem BDR im Trainingslager in Frankfurt an der Oder und auf Mallorca. Mit seinen Teamkollegen Domenic Weinstein, Theo Reinhardt, Felix Groß und Leon Rohde war Mathis richtig gut drauf – der deutsche Bahnradvierer gewann die Mannschaftsverfolgung beim Nations Cup in Hongkong. „Das war der erste und einzige Weltcup seit der WM 2020 in Berlin“, meint Mathis. „Mit meiner Leistung war ich sehr zufrieden.“
Der deutsche Verband auch – schließlich nominierte er den Meckenbeurener für Olympia. Doch dann gab es die große Enttäuschung. Sein Team ließ Mathis aber nicht im Stich. Auch wenn er nicht mit nach Tokio fliegen darf, ist er momentan wieder in Frankfurt an der Oder. Dort stehen die letzten Trainingseinheiten an, ehe der Bahnradvierer am Sonntag nach Japan startet. „Ich fühle mich als Teil dieser Mannschaft“, sagt Mathis. Domenic Weinstein sei seit vielen Jahren ein richtig guter Freund. „Außerdem sind sie jetzt nur noch zu viert, falls jemand ausfällt, hätten sie nicht mehr richtig trainieren können“, sagt Mathis.
Wie es für den 27-Jährigen weitergeht, weiß er noch nicht. Bei der Bahnradentscheidung werde er am Fernseher mitfiebern. „Im Sommer mache ich mir dann Gedanken, ob ich noch die Motivation habe, drei Jahre für die Olympischen Spiele in Paris zu arbeiten.“