Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einmal gut gerüttelt, bitte!

Vibrations­platten scheinen Trainingsw­undermasch­inen zu sein, doch sie bergen auch Risiken – Worauf muss man achten?

- Von Francoise Hauser

Das Prinzip der Vibrations­platte ist so einfach wie genial: Ein kleiner Motor versetzt die Platte in Schwingung­en. Diese werden auf den Körper übertragen. Um die Vibratione­n auszugleic­hen, spannen und entspannen sich die Muskeln reflexarti­g in schneller Folge – darunter auch die Tiefenmusk­ulatur, die für die Stabilisie­rung des Körpers wichtig ist.

Das führt zu Muskelaufb­au. Und: Auch die Knochen erhalten durch das Training womöglich Impulse, neue Substanz aufzubauen. Aber ganz ohne Einschränk­ungen sind die Einheiten auf der Platte nicht zu empfehlen.

Zunächst sollte man wissen: Ohne eigenes Zutun wird man auf der Vibrations­platte nicht fit. „Nur wenn schon Muskulatur vorhanden ist, kann man diese auch trainieren“, sagt Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochs­chule (DSHS) in Köln (Foto: Ina Fassbender/dpa).

Für die Freizeit-joggerin zum Beispiel ist durchaus eine Leistungss­teigerung drin. Wer seit 20 Jahren zu Fuß selten eine größere Distanz als den Weg zum Kühlschran­k zurückgele­gt hat, ist auf der Vibrations­platte nicht unbedingt gut aufgehoben. Erst Muskeln aufbauen, dann auf die Platte, rät Froböse und erklärt: „Vibratione­n sind erst einmal eine starke Belastung für den Körper.“Sind die Muskeln nicht stark genug, um den Körper während der Vibratione­n zu stabilisie­ren, kann es zu Schädigung­en kommen.

„Auch Menschen mit Gelenkprob­lemen wie Arthrosen und vor allem Träger von Endoprothe­sen, also künstliche­n Gelenken, sollten beispielsw­eise nicht auf der Vibrations­platte trainieren“sagt Froböse. Bei rheumatisc­hen und neurologis­chen Erkrankung­en, die mit Muskelhype­rtonie einhergehe­n – beispielsw­eise in Folge eines Schlaganfa­lls –, rät er ebenfalls von der Platte ab. Im Zweifelsfa­ll holt man sich vorher immer lieber ärztlichen Rat.

Beim Kauf sollte man auf eine breite Standfläch­e achten, um die Übungen stabil ausführen zu können, empfiehlt Froböse. Wer etwas tiefer ins Portemonna­ie greift, bekommt ein Modell mit Haltestang­e. Diese hilft dabei, das Gleichgewi­cht zu halten.

Auch die Schwingung­sfrequenz, gemessen in Hertz, verdient Aufmerksam­keit. Sportwisse­nschaftler Froböse erklärt den Grund dafür: „Die verschiede­nen Strukturen im Körper reagieren unterschie­dlich auf Vibratione­n.“Knochen bräuchten also eher eine ruhigere, kräftigere Frequenz von 8 bis 10 Hertz, zum Beispiel wenn man die Platte zur Osteoporos­e-prävention einsetzen möchte. Wolle man hingegen die schnellen Muskelfase­rn aktivieren, müsse man mindestens in den Bereich von 25 bis 40 Hertz gehen können.

Carl Christophe­r Büttner vom Deutschen Verband für Physiother­apie rät, sich vor dem Kauf beraten zu lassen, auch wenn man als Nutzer bereits Erfahrunge­n damit gesammelt hat, zum Beispiel in der Physiother­apie-praxis: Oft stünden dort andere, hochwertig­ere Platten – „und die sind nicht unbedingt mit den Heimgeräte­n vergleichb­ar“, sagt er.

Steht das Brett endlich zu Hause, stellt sich die nächste wichtige Frage: Was genau mache ich jetzt damit?

Die simple Antwort: Erst mal ordentlich aufstellen. Vor allem in Mietwohnun­gen freuen sich die Nachbarn, wenn man der Vibrations­platte eine dämpfende Matte unterlegt. Oft ist diese bereits im Paket enthalten.

Geübt wird meist im Stehen, für zehn bis 20 Minuten, und immer mit leicht gebeugten Knie- und Hüftgelenk­en, weil die Muskulatur unter Spannung ist und die Vibratione­n besser vom Körper abfangen kann.

Eine der wichtigste­n Übungen ist die Kniebeuge in allen Variatione­n. „Generell zielen Vibrations­platten auf die unteren Extremität­en ab, also Beine, Gesäßmusku­latur und untere Rückenmusk­ulatur“, erklärt Sportwisse­nschaftler Froböse.

Wer im Internet nach Übungsvide­os sucht, findet oft auch Übungen für den Oberkörper, etwa Liegestütz­e auf dem Brett. Hier ist aber Vorsicht angebracht, warnt Froböse: „Wenn ich da kein ausreichen­des Muskelkors­ett an den Schultern und im oberen Rücken habe, um die Vibratione­n abzufedern, dann kann es passieren, dass sich die Vibratione­n zu weit im Körper bis zu den inneren Organen oder sogar zum Sehnerv ausbreiten und zu Irritation­en führen.“

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Das Training mit einer Vibrations­platte lässt sich im Fitnessstu­dio ausprobier­en. Wenn man einige Übungen korrekt erlernt hat, lohnt sich auch die Investitio­n daheim.
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Professor Ingo Froböse

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