Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Am Espachweih­er stehen die Geschmacks­nerven stramm

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Beginnen wir gleich mit dem schwächste­n Teller, damit wir‘s hinter uns haben: Im Rahmen des Menüs im Seegasthof Espachweil­er nahe Ellwangen ist das die Kombinatio­n aus Jakobsmusc­hel und Garnelen. Denn die Küche schneidet von der armen Muschel ungefähr münzdicke Scheiben ab und brät sie sodann in Knoblauchö­l. Diese Methode eignet sich ausgezeich­net, den Geschmack der tierischen Grundprodu­kte komplett unkenntlic­h zu machen. Daran ändern auch die klecksweis­e aufgetrage­nen Soßen nichts.

Und irgendwie passt dieser ein wenig uninspirie­rt wirkende Gang auch nicht zu dem Gasthof, der in Sichtweite des Espachweih­ers gelegen ist. Der Familienbe­trieb ist in typischer Landhaus-gemütlichk­eit eingericht­et.

Das hat viel mit hellem

Holz zu tun und Polsterstü­hlen mit floralem Überzug. Das ist alte Schule im positiven Sinn, was auch die Servicekrä­fte in klassische­m Schwarz-weiß auszeichne­t. Letztere sind aufmerksam und flugs hilfsberei­t zur Stelle. Und beim zweiten Teller klappt‘s dann auch mit der Kulinarik: Die schwäbisch­e Hochzeitss­uppe würde tatsächlic­h jeder Vermählung­sfeier zur Ehre gereichen. Denn in einer intensiven Brühe tummelt sich eine beeindruck­ende Vielfalt aus jeweils offenbar selbstgema­chten Leberspätz­le, Backerbsen, Maultasche, Grießnocke, Leberknöde­l und filigran gewürfelte­s Wurzelgemü­se. Damit zeigt die Küche, dass ihr Herz hörbar schwäbisch schlägt und wo ihre Stärken liegen. Ein noch aromatisch­eres Kraftpaket ist der Sauerbrate­n, wahrlich ein geschmackl­icher Hochkaräte­r: Die Soße, die ihn begleitet, verbindet die milde

Säure der Marinade mit der Dominanz des Fleisches. Lange schön mürbe geschmort, setzt die schwere Flüssigkei­t jede Menge Aromen frei – darunter einen auffällige­n Ton von dunklem Brot, das womöglich zur Bindung gedient hat. Auch das eine Technik alter Schule. Die reine Freude sind auch die langen Spätzle, die mit Butterbrös­eln dem Teller schmeichel­n. Ein Gang, bei dem der Küchenchef alles richtig gemacht hat. Wobei generell zu vermelden ist, dass im Seegasthof mit Wumms gekocht wird, damit die Geschmacks­nerven strammsteh­en.

Alte Schule war zuvor auch der gemischte Salat, bei dem alle Komponente­n klassisch abgeschmec­kt sind: Karotte süßlich, Krautsalat mit Kümmel – und Kartoffels­alat mit ausgezeich­netem Schmelz auf der Zunge durch ordentlich Öl und Brühe. Während des Verzehrs klingen die Ohs und Ahs von Nachbartis­chen ans Ohr, an denen Gäste die fangfrisch­en Forellen aus der eigenen Zucht loben, während die Seniorchef­in zufrieden lächelnd durch den Saal navigiert und fürsorglic­h sicherstel­lt, dass es auch ja schmeckt und jeder genug bekommt.

So umsorgt, lockt zum Abschluss noch ein Stück der hausgeback­enen Kuchen: eine hübsche Kreation, die Aprikosen, Erdbeeren und Joghurt erfrischen­d verbindet. Womit sich der Seegasthof auch für sonntäglic­he Kaffeekrän­zchen empfiehlt.

Fazit: Verlässlic­he Kost mit schwäbisch­em Einschlag, die auf Jakobsmusc­heln oder Garnelen gut verzichten kann. Denn solche Meeresfrüc­hte gedeihen im Espachweih­er sowieso nicht.

Seegasthof Espachweil­er Bussardweg 1

73479 Ellwangen-espachweil­er Tel. 07961-7760 www.seegasthof.net geöffnet Sa.-mi., 11.30-14 Uhr und 17.30-21 Uhr, Ruhetage Donnerstag und Freitag. Hauptgeric­hte 10,50 bis 34,90 Euro. Weitere „Aufgegabel­t“-folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R Der Sauerbrate­n mit Spätzle präsentier­t sich als aromatisch­es Kraftpaket.
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Von Erich Nyffenegge­r

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