Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zwischen Reisefieber und Corona-sorgen
Wo der Andrang beim Sommertourismus im Südwesten groß ist – und wo nicht
(lsw) - Kurz vor den Ferien noch eine Unterkunft im Schwarzwald buchen? Das könnte dieses Jahr schwierig werden. „Insgesamt ist die Nachfrage in den klassischen Urlaubsregionen für die Sommerzeit aktuell hoch“, sagt der Sprecher der Tourismus Marketing Gmbh Baden-württemberg in Stuttgart, Martin Knauer. „In beliebten Ferienorten kann es sogar schwer werden, noch ein Zimmer zu finden.“Doch das große Interesse am Urlaub im eigenen Land beschränkt sich im Südwesten auf einige wenige Gegenden – weshalb sich für Kurzentschlossene zum Beispiel ein Städtetrip lohnen könnte.
Land vor Stadt
„Schwarzwald statt Schwarzmeer“– so fasst Hansjörg Mair, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus Gmbh, zusammen, was Urlaubern möglicherweise gerade durch den Kopf geht. Im Schwarzwald profitiere man von der Verunsicherung mancher Deutscher, die wegen der unsicheren Corona-lage lieber im eigenen Land Urlaub machten. Zuletzt hätten die Buchungen stark angezogen, sagt Mair. Vielleicht komme man in diesem Sommer sogar wieder an die Zahlen des Vor-corona-jahres 2019 heran. Auch am Bodensee seien Unterkünfte in den Sommerferien „gut gebucht“, sagt die Geschäftsführerin der Deutsche Bodensee Tourismus Gmbh, Ute Stegmann.
Städtetrips haben im Südwesten dagegen weiter einen schweren Stand. Trotz des weltberühmten Münsters würden im Sommer wohl deutlich weniger Besucher in Ulm übernachten als vor Corona, sagt der Sprecher der Ulm/neu-ulm Touristik Gmbh, Dirk Homburg. „Die Menschen möchten aktuell jetzt im Sommer noch in die Natur, raus aus ihren Wohnungen, in die Weite. Da spielt eine Städtereise mit Sightseeing und Kultur- und Shoppingerlebnissen eher eine untergeordnete Rolle.“In Freiburg sei das Gastgewerbe durch Corona nach Jahren des Wachstums wieder beim Stand von 2007 gelandet, sagt René Derjung, Sprecher der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe Gmbh & Co. KG. Dieses Jahr sehe die Lage verglichen mit anderen Städten wieder etwas besser aus – allerdings wegen der Umgebung: „Die Stadt profitiert vor allem von der weltbekannten Marke „Schwarzwald“.“
Camping vor Hotels
Viel draußen sein, für sich selbst kochen, mit eigenem Bad reisen – das sei einfach sehr coronakonform, sagt Kurt Bonath, Vorstand des Landesverbands der Campingwirtschaft Baden-württemberg. Besonders beliebt seien derzeit Plätze mit Familienbädern – also abschließbaren Bädern
zur exklusiven Nutzung. „Da hat es noch mal einen Schub gegeben in der Pandemiezeit.“Ebenfalls zu beobachten sei ein Trend zu neuen Wohnmobilstellplätzen. „Das hat angezogen, und die verbessern sich laufend“, sagt Bonath. Zwar spiele in dieser Saison das Wetter nicht so richtig mit, „aber die Buchungen sind sehr gut“.
Bei den Hotels im Südwesten sieht die Lage dagegen weniger rosig aus. „Gewinner“gebe es in der Branche nicht – weder auf dem Land noch in der Stadt, sagt der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Baden-württemberg, Daniel Ohl. Alle litten, „es gab krisenbedingte Betriebsschließungen“. Zahlen dazu stünden zwar noch aus. Doch viele Betriebe hätten sich verschulden müssen, um weitermachen zu können. Krisenbedingt habe sich im Südwest-gastgewerbe ein Schuldenberg von schätzungsweise mehr als einer Milliarde Euro aufgetürmt. Jetzt hoffen die Hoteliers im Südwesten zumindest auf eine Wiederholung der vergleichsweise recht gut verlaufenen Sommersaison 2020.
Inland vor Ausland
Reisten vor Corona noch überdurchschnittlich viele Gäste aus dem Ausland nach Baden-württemberg, werden die Besucher dieses Jahr „erneut zu einem weit überwiegenden Teil aus dem Inland kommen“, sagt der
Sprecher der Tourismus Marketing Gmbh Baden-württemberg, Martin Knauer. Vor allem außereuropäische Märkte spielten „kaum eine Rolle“.
Besonders spürbar ist das in Heidelberg: Neben Niederländern, Schweizern und Briten zählen Usamerikaner und Chinesen dort zu den bedeutendsten Gruppen der Auslandstouristen. 2020 brach die Übernachtungszahl von ausländischen Besuchern im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 70 Prozent ein, wie die Stadt mitteilt. Nun hoffe man auf kurzfristige Buchungen. Damit sei zu rechnen, weil viele Gäste wegen der sich ständig ändernden Corona-vorgaben einfach nicht mehr wüssten, welche Regeln gerade wo gelten.