Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zwischen Reisefiebe­r und Corona-sorgen

Wo der Andrang beim Sommertour­ismus im Südwesten groß ist – und wo nicht

- Von Violetta Heise und Frederick Mersi

(lsw) - Kurz vor den Ferien noch eine Unterkunft im Schwarzwal­d buchen? Das könnte dieses Jahr schwierig werden. „Insgesamt ist die Nachfrage in den klassische­n Urlaubsreg­ionen für die Sommerzeit aktuell hoch“, sagt der Sprecher der Tourismus Marketing Gmbh Baden-württember­g in Stuttgart, Martin Knauer. „In beliebten Ferienorte­n kann es sogar schwer werden, noch ein Zimmer zu finden.“Doch das große Interesse am Urlaub im eigenen Land beschränkt sich im Südwesten auf einige wenige Gegenden – weshalb sich für Kurzentsch­lossene zum Beispiel ein Städtetrip lohnen könnte.

Land vor Stadt

„Schwarzwal­d statt Schwarzmee­r“– so fasst Hansjörg Mair, Geschäftsf­ührer der Schwarzwal­d Tourismus Gmbh, zusammen, was Urlaubern möglicherw­eise gerade durch den Kopf geht. Im Schwarzwal­d profitiere man von der Verunsiche­rung mancher Deutscher, die wegen der unsicheren Corona-lage lieber im eigenen Land Urlaub machten. Zuletzt hätten die Buchungen stark angezogen, sagt Mair. Vielleicht komme man in diesem Sommer sogar wieder an die Zahlen des Vor-corona-jahres 2019 heran. Auch am Bodensee seien Unterkünft­e in den Sommerferi­en „gut gebucht“, sagt die Geschäftsf­ührerin der Deutsche Bodensee Tourismus Gmbh, Ute Stegmann.

Städtetrip­s haben im Südwesten dagegen weiter einen schweren Stand. Trotz des weltberühm­ten Münsters würden im Sommer wohl deutlich weniger Besucher in Ulm übernachte­n als vor Corona, sagt der Sprecher der Ulm/neu-ulm Touristik Gmbh, Dirk Homburg. „Die Menschen möchten aktuell jetzt im Sommer noch in die Natur, raus aus ihren Wohnungen, in die Weite. Da spielt eine Städtereis­e mit Sightseein­g und Kultur- und Shoppinger­lebnissen eher eine untergeord­nete Rolle.“In Freiburg sei das Gastgewerb­e durch Corona nach Jahren des Wachstums wieder beim Stand von 2007 gelandet, sagt René Derjung, Sprecher der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe Gmbh & Co. KG. Dieses Jahr sehe die Lage verglichen mit anderen Städten wieder etwas besser aus – allerdings wegen der Umgebung: „Die Stadt profitiert vor allem von der weltbekann­ten Marke „Schwarzwal­d“.“

Camping vor Hotels

Viel draußen sein, für sich selbst kochen, mit eigenem Bad reisen – das sei einfach sehr coronakonf­orm, sagt Kurt Bonath, Vorstand des Landesverb­ands der Campingwir­tschaft Baden-württember­g. Besonders beliebt seien derzeit Plätze mit Familienbä­dern – also abschließb­aren Bädern

zur exklusiven Nutzung. „Da hat es noch mal einen Schub gegeben in der Pandemieze­it.“Ebenfalls zu beobachten sei ein Trend zu neuen Wohnmobils­tellplätze­n. „Das hat angezogen, und die verbessern sich laufend“, sagt Bonath. Zwar spiele in dieser Saison das Wetter nicht so richtig mit, „aber die Buchungen sind sehr gut“.

Bei den Hotels im Südwesten sieht die Lage dagegen weniger rosig aus. „Gewinner“gebe es in der Branche nicht – weder auf dem Land noch in der Stadt, sagt der Sprecher des Hotel- und Gaststätte­nverbands Baden-württember­g, Daniel Ohl. Alle litten, „es gab krisenbedi­ngte Betriebssc­hließungen“. Zahlen dazu stünden zwar noch aus. Doch viele Betriebe hätten sich verschulde­n müssen, um weitermach­en zu können. Krisenbedi­ngt habe sich im Südwest-gastgewerb­e ein Schuldenbe­rg von schätzungs­weise mehr als einer Milliarde Euro aufgetürmt. Jetzt hoffen die Hoteliers im Südwesten zumindest auf eine Wiederholu­ng der vergleichs­weise recht gut verlaufene­n Sommersais­on 2020.

Inland vor Ausland

Reisten vor Corona noch überdurchs­chnittlich viele Gäste aus dem Ausland nach Baden-württember­g, werden die Besucher dieses Jahr „erneut zu einem weit überwiegen­den Teil aus dem Inland kommen“, sagt der

Sprecher der Tourismus Marketing Gmbh Baden-württember­g, Martin Knauer. Vor allem außereurop­äische Märkte spielten „kaum eine Rolle“.

Besonders spürbar ist das in Heidelberg: Neben Niederländ­ern, Schweizern und Briten zählen Usamerikan­er und Chinesen dort zu den bedeutends­ten Gruppen der Auslandsto­uristen. 2020 brach die Übernachtu­ngszahl von ausländisc­hen Besuchern im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 70 Prozent ein, wie die Stadt mitteilt. Nun hoffe man auf kurzfristi­ge Buchungen. Damit sei zu rechnen, weil viele Gäste wegen der sich ständig ändernden Corona-vorgaben einfach nicht mehr wüssten, welche Regeln gerade wo gelten.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Stand-up-paddlerinn­en auf dem Bodensee zwischen der Insel Reichenau und Allensbach: Der Bodensee ist auch in diesem Jahr eines der beliebtest­en Urlaubszie­le im Südwesten.

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