Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Wir sind nicht einem Shareholder verpflichtet“
Migros-chefin Nold über die Struktur des Lebensmittelhändlers, nachhaltige Produkte und den Lieferanten Nestlé
- Bei den Antworten nimmt sich Ursula Nold immer wieder Zeit, die 52-Jährige wählt ihr Worte genau, spricht überlegt und präzise – und lässt ab und an ihren Blick aus dem Konferenzraum in der Migros-zentale über Zürich bis hin zum Zürichsee schweifen. Im Interview mit Hendrik Groth und Benjamin Wagener betont die Managerin zwei Dinge immer wieder: die nicht zuletzt in der genossenschaftlichen Organisation begründete besondere Beziehung der Schweizer Bevölkerung zu dem Handelsunternehmen Migros und der von Nold beschworenen Tatsache, dass der Schweizer Lebensmittelmarkt keinesfalls eine Idylle, sondern ein „hochkompetitiver Wettbewerb“sei. Und zwischen den Zeilen wird eine dritte Sache deutlich: Auch sie liebt die Migros – so wie das Millionen von Schweizern ebenfalls tun.
Wenn Schweizer gefragt werden, was die wichtigsten Unternehmen ihres Heimatlandes sind, fällt sehr häufig der Name Migros. Was ist der Grund?
Mit den regionalen Genossenschaften und dem Migros-genossenschafts-bund ist die Migros ein Abbild der Schweiz. Das führt zu einer starken Nähe zu den Kundinnen und Kunden und zu einer wichtigen Verankerung in der Bevölkerung. Die Menschen in der Schweiz identifizieren sich stark mit der Migros.
Blickt man von außen auf den Schweizer Lebensmittelmarkt dann ist da die genossenschaftliche Migros und als Gegenentwurf der Lebensmittelweltkonzern Nestlé. Sind die beiden Unternehmen so gegensätzlich, wie es scheint?
Für uns ist der Lebensmittelhändler Nestlé gleichbedeutend wie der Biobauer im Zürcher Unterland. Er ist ein wichtiger Lieferant, mit dem wir auf Augenhöhe agieren.
Aber Sie haben den Anspruch, die Interessen aller Gruppen zu berücksichtigen, während Nestlé ein renditegetriebener Konzern ist, der nur den Profiten seiner Anteilseigner verpflichtet ist.
In der Struktur unterscheiden wir uns sicherlich grundlegend. Wir machen auch Gewinne, müssen aber keine Anteilseigner befriedigen, sondern wir investieren die Gewinne oder lassen sie der Gesellschaft zugutekommen. Sei es über faire Preise, faire Arbeitsbedingungen oder faire Verträge mit unseren Lieferanten. Pro Jahr investieren wir zudem 140 Millionen Franken ins Kulturprozent, weil wir immer ein Prozent des Umsatzes an die Gesellschaft zurückgeben wollen. Die schweizer Bevölkerung schätzt das gesellschaftliche Engagement der Migros.
Die Schweizer schätzen ihre Migros. Was bedeutet es denn dann für Sie persönlich, dieses Unternehmen zu führen? Ist Ihr Job für Sie der schönste Managerposten, den es in der Schweiz gibt?
Das ist sicher ein Privileg, in dieser Position in der beliebtesten Unternehmung der Schweiz tätig sein zu dürfen. Gleichzeitig bringt dies auch große Verantwortung mit sich. Denn die Menschen haben die berechtigte Forderung, dass die Migros den eingeschlagenen Weg weiterverfolgt und auch in Zukunft ein verlässlicher, nachhaltiger Partner bleibt. Und wir haben Verantwortung als Arbeitgeber, immerhin beschäftigen wir alleine in der Schweiz 90 000 Menschen.
Wie treten Ihnen die Bauern auf den Höfen gegenüber?
Partnerschaftlich, auf Augenhöhe. Und sie sind dankbar und stolz, dass sie ihre Produkte in der Migros verkaufen können.