Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gedenkort für verstorbene Kinder
Gedenkstätte für Sternenkinder soll Stütze und Anlaufstelle für Familien sein
- Weiße Keramiksterne sind rund um den Baum an Stäben in den Boden gesteckt, darauf stehen Namen. Auch die Blätter des Baums haben die Form von Sternen. Sabine Jakob ist glücklich, dass es diesen Ort gibt. Und sie ist traurig, weil dieser Ort weiter wachsen wird. Jeder Stern steht für ein totes Kind. Mehr als 100 Namen hat Pastoralreferent Christoph Esser bei der Einweihung vorgelesen.
Am Sonntag vor dem Schwörmontag ist die Gedenkstätte vor der katholischen Kirche zur Heiligen Familie in Donaustetten eingeweiht worden. Im angrenzenden Gemeindehaus trifft sich die Selbsthilfegruppe Sternenkinder Ulm. Eltern, die kurz vor, bei oder kurz nach der Geburt ein Kind verloren haben, kommen zusammen. Sie tauschen sich aus, geben sich Halt und ihren Kindern Raum. Jetzt gibt es für die Sternenkinder auch einen Ort, der für jeden zugänglich und gut sichtbar ist. Ein Gedenkort an einem öffentlichen Platz, nicht an einem Friedhof. „Das ist etwas Einzigartiges“, findet Sabine Jakob. Auch Tage nach der Zeremonie ist sie noch bewegt.
Die Ehingerin bildet mit Gabi Richter und Barbara Conrad-grüner das Leitungsteam der Gruppe. Sie und ihr Mann Manfred Bierer-jakob haben vier Kinder, nur eines lebt. In ihrer Ansprache bei der Einweihung der Gedenkstätte sagte Sabine Jakob: „Durch das gemeinsame Reden mit den anderen Sternenkinder-eltern und durch den Austausch über die unterschiedlichen Erfahrungen und Gefühle haben wir gemerkt, wie unsere Trauer leichter geworden ist, der Schmerz weniger wir können wieder leichter atmen.“
Für viele ist der Tod eines ungeborenen oder neugeborenen Kindes ein Tabuthema, diese Erfahrung haben die Eltern der Selbsthilfegruppe immer wieder gemacht. Die Gruppe will dieses Tabu aufbrechen und hofft, dass auch der gut sichtbare Gedenkort dabei hilft. Die Gedenkstätte in Donaustetten soll aber auch auf eine andere Weise helfen. Manche Kinder seien nie bestattet worden, beschrieb Barbara Conrad-grüner bei der Feier. Andere seien durch Umzüge der Familie weit entfernt. In ihrer Rede sagte sie: „Dieser Ort hier kann für all diejenigen von uns eine Möglichkeit sein, mit dem eigenen Kind, das so oft von der Außenwelt übersehen wird, in Erscheinung zu treten. Ein Ort, der es ermöglicht, als Mama, Papa, Oma der Opa eines Kindes gesehen zu werden.“
Die Gruppe hat einen Amberbaum ausgewählt, weil seine sternförmigen Blätter als Symbole für die Sternenkinder stehen. „Die Rinde ist warm und weich, sie spendet auf ihre Art Trost“, schilderte Conrad-grüner. Im Herbst leuchteten die Blätter in den schönsten Farben und Amberbäume würden als Schutzbäume für Haus, Hof, Mensch und Tier bezeichnet.
Schon einmal hatte die Selbsthilfegruppe überlegt, einen Baum für die Kinder zu pflanzen. Das war vor sechs Jahren, zum zehnjährigen Bestehen, erinnert sich Sabine Jakob. Aus der Idee wurde damals nichts. Doch der Kirchengemeinderat von
Donaustetten erinnerte sich daran, als er sich entschloss, den Platz vor dem Gotteshaus umzugestalten. Die Sternenkindergruppe bekam dort nicht nur einen Baum. Zur Gedenkstätte gehört auch eine Stele mit dem Gedicht „Aufhebung“von Erich Fried. „Sein Unglück / ausatmen können / tief ausatmen / sodass man wieder / einatmen kann“, heißt es darin. Rings um Baum und Stele sind Keramiksterne gruppiert. Kleine, auf denen Namen geschrieben sind. Und ein großer mit der Aufschrift „Für alle Sternenkinder“. Bald soll auch eine Sitzbank dazukommen, das Ulmer Selbsthilfebüro Korn hat sie gespendet.
Zur Feier kamen auch die drei Gründerinnen der Gruppe, die seit 16 Jahren besteht. Und Eltern, zu denen der Kontakt eigentlich längst abgerissen ist. Mehr als 50 Menschen kamen, viele Familien hatten ihre Kinder mitgebracht. Wie viele Namen der verstorbenen Buben und Mädchen vorgelesen wurden, bewegte auch die Kleinen. „Sechsjährige haben gesagt, dass sie gar nicht wussten, wie viele Sternenkinder es gibt“, berichtet Sabine Jakob. Mütter, Väter und Geschwister der Kinder steckten weiße Keramiksterne zum Baum. Viele machten Familienfotos mit ihrem Stern, erzählt Sabine Jakob. Weitere Sterne werden dazukommen. Für jede Familie, die sich der Sternenkindergruppe anschließt.