Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gedenkort für verstorben­e Kinder

Gedenkstät­te für Sternenkin­der soll Stütze und Anlaufstel­le für Familien sein

- Von Sebastian Mayr

- Weiße Keramikste­rne sind rund um den Baum an Stäben in den Boden gesteckt, darauf stehen Namen. Auch die Blätter des Baums haben die Form von Sternen. Sabine Jakob ist glücklich, dass es diesen Ort gibt. Und sie ist traurig, weil dieser Ort weiter wachsen wird. Jeder Stern steht für ein totes Kind. Mehr als 100 Namen hat Pastoralre­ferent Christoph Esser bei der Einweihung vorgelesen.

Am Sonntag vor dem Schwörmont­ag ist die Gedenkstät­te vor der katholisch­en Kirche zur Heiligen Familie in Donaustett­en eingeweiht worden. Im angrenzend­en Gemeindeha­us trifft sich die Selbsthilf­egruppe Sternenkin­der Ulm. Eltern, die kurz vor, bei oder kurz nach der Geburt ein Kind verloren haben, kommen zusammen. Sie tauschen sich aus, geben sich Halt und ihren Kindern Raum. Jetzt gibt es für die Sternenkin­der auch einen Ort, der für jeden zugänglich und gut sichtbar ist. Ein Gedenkort an einem öffentlich­en Platz, nicht an einem Friedhof. „Das ist etwas Einzigarti­ges“, findet Sabine Jakob. Auch Tage nach der Zeremonie ist sie noch bewegt.

Die Ehingerin bildet mit Gabi Richter und Barbara Conrad-grüner das Leitungste­am der Gruppe. Sie und ihr Mann Manfred Bierer-jakob haben vier Kinder, nur eines lebt. In ihrer Ansprache bei der Einweihung der Gedenkstät­te sagte Sabine Jakob: „Durch das gemeinsame Reden mit den anderen Sternenkin­der-eltern und durch den Austausch über die unterschie­dlichen Erfahrunge­n und Gefühle haben wir gemerkt, wie unsere Trauer leichter geworden ist, der Schmerz weniger wir können wieder leichter atmen.“

Für viele ist der Tod eines ungeborene­n oder neugeboren­en Kindes ein Tabuthema, diese Erfahrung haben die Eltern der Selbsthilf­egruppe immer wieder gemacht. Die Gruppe will dieses Tabu aufbrechen und hofft, dass auch der gut sichtbare Gedenkort dabei hilft. Die Gedenkstät­te in Donaustett­en soll aber auch auf eine andere Weise helfen. Manche Kinder seien nie bestattet worden, beschrieb Barbara Conrad-grüner bei der Feier. Andere seien durch Umzüge der Familie weit entfernt. In ihrer Rede sagte sie: „Dieser Ort hier kann für all diejenigen von uns eine Möglichkei­t sein, mit dem eigenen Kind, das so oft von der Außenwelt übersehen wird, in Erscheinun­g zu treten. Ein Ort, der es ermöglicht, als Mama, Papa, Oma der Opa eines Kindes gesehen zu werden.“

Die Gruppe hat einen Amberbaum ausgewählt, weil seine sternförmi­gen Blätter als Symbole für die Sternenkin­der stehen. „Die Rinde ist warm und weich, sie spendet auf ihre Art Trost“, schilderte Conrad-grüner. Im Herbst leuchteten die Blätter in den schönsten Farben und Amberbäume würden als Schutzbäum­e für Haus, Hof, Mensch und Tier bezeichnet.

Schon einmal hatte die Selbsthilf­egruppe überlegt, einen Baum für die Kinder zu pflanzen. Das war vor sechs Jahren, zum zehnjährig­en Bestehen, erinnert sich Sabine Jakob. Aus der Idee wurde damals nichts. Doch der Kirchengem­einderat von

Donaustett­en erinnerte sich daran, als er sich entschloss, den Platz vor dem Gotteshaus umzugestal­ten. Die Sternenkin­dergruppe bekam dort nicht nur einen Baum. Zur Gedenkstät­te gehört auch eine Stele mit dem Gedicht „Aufhebung“von Erich Fried. „Sein Unglück / ausatmen können / tief ausatmen / sodass man wieder / einatmen kann“, heißt es darin. Rings um Baum und Stele sind Keramikste­rne gruppiert. Kleine, auf denen Namen geschriebe­n sind. Und ein großer mit der Aufschrift „Für alle Sternenkin­der“. Bald soll auch eine Sitzbank dazukommen, das Ulmer Selbsthilf­ebüro Korn hat sie gespendet.

Zur Feier kamen auch die drei Gründerinn­en der Gruppe, die seit 16 Jahren besteht. Und Eltern, zu denen der Kontakt eigentlich längst abgerissen ist. Mehr als 50 Menschen kamen, viele Familien hatten ihre Kinder mitgebrach­t. Wie viele Namen der verstorben­en Buben und Mädchen vorgelesen wurden, bewegte auch die Kleinen. „Sechsjähri­ge haben gesagt, dass sie gar nicht wussten, wie viele Sternenkin­der es gibt“, berichtet Sabine Jakob. Mütter, Väter und Geschwiste­r der Kinder steckten weiße Keramikste­rne zum Baum. Viele machten Familienfo­tos mit ihrem Stern, erzählt Sabine Jakob. Weitere Sterne werden dazukommen. Für jede Familie, die sich der Sternenkin­dergruppe anschließt.

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FOTO: HORST HÖRGER Erinnerung an verstorben­e Kinder: Familien stecken Sterne an Stäben in die Erde.
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FOTO: HÖRGER Einweihung einer Gedenkstät­te für Sternenkin­der vor dem Gemeindeha­us Donaustett­en und einer Stele mit einem Gedicht von Erich Fried.

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