Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Altheim will Rückhalteraum aktivieren
Flussgebietsmodell mit Nutzen-kosten-analyse soll Aufschluss über die Wirksamkeit geben
- Die Unwetter in diesem Sommer und insbesondere der extreme Starkregen vom 23. Juni mit 64 Litern pro Quadratmeter veranlasst die Gemeinde Altheim zum schnellen Handeln. Vor allem die Situation am Soppenbach in Heiligkreuztal, aber auch in Altheim und Waldhausen sei zeitweise bedrohlich gewesen, so Bürgermeister Martin Rude in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates im Dorfgemeinschaftshaus in Heiligkreuztal.
Ein solches Hochwasser habe es in den letzten 75 Jahren nicht gegeben. Zahlreiche Keller seien unter Wasser gestanden. Die Klosteranlagen seien in einem bisher nicht dagewesenen Maße betroffen gewesen. In Waldhausen sei das Stück eines Hanges abgerutscht. Schäden richtete auch zusammenkommendes Oberflächenwasser an. So habe sich unterhalb von Altheim im Bereich des Biberbaches ein großer See gebildet.
Überlegungen für einen effizienten Hochwasserschutz in Heiligkreuztal sind nicht neu. Altheims Bürgermeister Martin Rude und Franz Xaver Schwörer vom gleichnamigen Ingenieurbüro hatten dazu in der Vergangenheit meherere Gespräche geführt. Herangezogen wurde dazu auch eine Abhandlung des Architekten und Altheimer Ehrenbürgers Max Haaf aus den 1960er-jahren über die Wasserwirtschaft zu Klosterzeiten und die damals bestehenden Weiher. Er beschreibt darin, wie das Wasser im „Langen“sowie im „Oberen Weiher“zurückgestaut worden ist, um die Klostermühle zu bewirtschaften und wie sie bei Hochwasser zum Schutz des Klosters vor Hochwasser eingesetzt wurden. Der Damm der beiden früheren Stau-weiher aus dem 16. Jahrhundert ist noch vorhanden, informierte Rude. Lediglich im Bereich des Durchlasses vom Soppenbach sei er durchstochen. Die Gemeinde will jetzt untersuchen lassen, welche
Möglichkeiten eine Rückhaltung dort bietet.
Starkregenereignisse wie jüngst könnten zwar nicht gänzlich kontrolliert werden, doch gebe es Möglichkeiten, sich besser auf derartige Ausnahmezustände vorzubereiten. Zu den ersten mit dem Ingenieurbüro Schwörer angestellten Überlegungen zähle eine Reaktivierung des Rückhalteraumes oberhalb von Heiligkreuztal, nämlich des früheren Langen und des Oberen Weihers. Der Obere Weiher befand sich nördlich von Beuren und reichte bis zum Wald zwischen Binzwangen und Heuneburg, der Lange Weiher lag oberhalb des Hofes Reich.
Werden die beiden bestehenden Querdämme dieser ehemaligen Weiher reaktiviert und jeweils mit einem Abflussbauwerk ausgestattet, könnten bis zu 120 000 Kubikmeter Rückhaltevolumen geschaffen und eine wirksame Reduzierung des Hochwasserscheitels für Heiligkreuztal erreicht werden, erläuterte Franz Xaver Schwörer. Da der Soppenbach ein wichtiger Zufluss des Biberbaches ist, wirke sich eine Rückhaltung auch mindernd auf den Scheitelabfluss des Biberbaches aus. Dies kommt sowohl Andelfingen als auch Altheim zugute.
Um die Eignung der Methode zu prüfen, aber auch, um Zuschussmittel zu erhalten, ist ein Flussgebietsmodell mit einer Kosten-nutzen-analyse und einem Standsicherheitsnachweis des vorhandenen Damms notwendig. Hierbei werde unter Anwendung eines hydrologischen Rechenmodells erkundet, bei welchen Regenereignissen sich welche Auswirkungen für das Gewässer ergeben. Solche Rechenmodelle werden vom Land mit bis zu 70 Prozent bezuschusst. Wichtig dabei ist, dass die Kosten der Reaktivierung von Rückhaltebecken
niedriger sind als die durch ein hundertjährliches Hochwasser auf Nutzungsdauer der Anwesen hochgerechneten Schadenskosten.
Nach der Bewilligung des zu beantragenden Zuschusses soll das Ingenieurbüro Winkler und Partner Gmbh, Stuttgart, mit der Erstellung des Flussgebietsmodells beauftragt werden, beschloss der Gemeinderat. Es hat dafür ein Angebot für knapp 40 000 Euro eingereicht. Parallel dazu geht wegen des dortigen Fauna-, Flora-, Habitatgebietes zur Natura 2000-Prüfung ein Auftrag an das Büro für Landschaftsökologie Josef Grom in Altheim zur Artenschutzuntersuchung und Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Finanzierung sei über den aktuellen Haushalt abgesichert, so Rude.
Vor der Beschlussfassung war Franz Xaver Schwörer auf die Vorüberlegungen
zur Hochwasserrückhaltung am Soppenbach eingegangen und hatte dessen Einzugsgebiet von 17,67 Quadratkilometern und einer Länge von 10,52 Kilometern dargelegt. Anhand der Aufzeichnungen von Roland Roth an der Niederschlagsstation Riedlingen fand am 23. Juni ein über hundertjährliches Regenereignis statt. Der Vergleich der tatsächlichen Überschwemmungssituation des Soppenbaches sowie des Biberbaches mit der Berechnung der Hochwassergefahrenkarte zeigt, dass nach dem 23. Juni eine über das HQ 100 hinausgehende Ausuferung des HQ extrem mit etwa dem Eineinhalbfachen des hundertjährlichen Hochwasserereignisses erreicht worden ist. Um solche Hochwasserereignisse beherrschen zu können, sei es notwendig, das Wasser schon oberhalb der gefährdeten Ortslagen aufzufangen.
Durch die Aktivierung von Rückhaltevolumen am Soppenbach reduziere sich auch der Scheitelabfluss des Biberbachs. Die Notwendigkeit dafür wurde ebenfalls bei dem Starkregenereignis am 23. Juni deutlich. Die Hochwassergefahrenkarte mit Ansichten von der Oberen und der Unteren Mühle und der Donaustraße in Altheim dazwischen machen es augenfällig.
Was die Umsetzung anbelangt, so muss die Konzeption aus dem Flussgebietsmodell zur Entwurfsplanung weiterbearbeitet und als Genehmigungsplanung eingereicht werden. Als Kostenprognose für die Aktivierung des Langen Weihers gab Schwörer rund 300 000 Euro an. Falls die Standsicherheitsuntersuchung des vorhandenen Dammabschnittes Maßnahmen erfordern, wird es teurer.
Dass Verbesserungen nicht von heute auf morgen zu erreichen sind, wird schon in dem Angebot zur Flussgebietsuntersuchung deutlich, für die eine Bearbeitungszeit von 15 Monaten angegeben wird.