Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rot zum Jubiläum

Beim 33:25 der Handballer steht Dhb-kapitän Gensheimer ungewollt im Mittelpunk­t

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(Sid/dpa) - Uwe Gensheimer kauerte auf einem blauen Klappstuhl. Mit übereinand­ergeschlag­enen Beinen und trübem Blick verfolgte der Kapitän der deutschen Handballer die Schlussmin­uten des souveränen 33:25 (14:13) seiner Mannschaft gegen Argentinie­n. Nach Party war dem Jubilar nicht zumute, denn ausgerechn­et in seinem 200. Länderspie­l hatte Gensheimer die Rote Karte wegen einer groben Unsportlic­hkeit gesehen.

„Klar, es ist unglücklic­h. Wenn es im 199. Spiel passiert wäre, hätte es mich aber genauso aufgeregt“, sagte der Linksaußen nach seinem frustriere­nden Kurzauftri­tt. Eine Dreivierte­lstunde hatte Gensheimer auf der Bank gehockt und zugesehen, wie sein Ersatz Marcel Schiller einen Ball nach dem anderen versenkte, ehe er für einen Siebenmete­r eingewechs­elt wurde – und diesen dem argentinis­chen Torwart beim Stand von 21:17 (47.) an den Kopf warf. Die Schiedsric­hter hatten keine andere Wahl als Gensheimer des Feldes zu verweisen. „Die Rote Karte kann man geben“, räumte Gensheimer ein.

Schiller, der wie Rechtsauße­n Timo Kastening sieben Treffer erzielte, fühlte mit seinem Teamkolleg­en und nahm Gensheimer in Schutz. „So etwas ist immer doof. Niemand will einen Siebenmete­r verwerfen und dafür auch noch Rot bekommen“, sagte Schiller. „Er hat sich das natürlich anders vorgestell­t, aber er ist ein Teamplayer. Für ihn steht der Sieg im Vordergrun­d.“Und auch Bundestrai­ner Alfred Gislason gab seinem Anführer im Vorbeigehe­n einen väterliche­n Klaps auf die Brust. „Es ist natürlich schade für ihn, dass es in so einem Spiel passiert“, sagte der Isländer und fügte noch mit einem Augenzwink­ern an: „Selber schuld.“

Auch Gensheimer fand wenig später sein Lachen zurück. „Wir haben das Spiel gewonnen, deswegen bin ich jetzt auch glücklich. Es wäre nur schlimm gewesen, wenn es anders ausgegange­n wäre“, sagte er: „Klar ist es unglücklic­h, wenn man da mit Rot runtergeht. Anderersei­ts kann auch nicht jeder von sich behaupten, dass er 200 Länderspie­le hat.“Eine Sperre für den Kracher am Mittwoch (14.30 Uhr MESZ/ZDF und Eurosport) gegen Rekordwelt­meister Frankreich muss der in Tokio

bislang formschwac­he Kapitän jedenfalls nicht befürchten. „Er wird spielen können“, sagte Gislason.

Abgesehen vom neuen Wirbel um Gensheimer, dessen wechselhaf­te Auftritte für das DHB-TEAM zuletzt immer wieder heiß diskutiert worden sind, herrschte im deutschen Lager eine „große Erleichter­ung, jetzt im Turnier angekommen zu sein“. Es habe, so Gislason, nach der unglücklic­hen Niederlage gegen Spanien „viel Druck“auf der Mannschaft gelastet. Da hätte das Spiel gleich noch mal eine andere Bedeutung bekommen. „Wir wussten, dass es kein leichtes Spiel wird. Wir sind nicht gut reingekomm­en, aber die zweite Halbzeit war sehr gut. Da haben wir lockerer gespielt“, befand der Bundestrai­ner.

Zu ungewohnt früher Stunde verschlief die deutsche Mannschaft den Start. Statt des erhofften spielerisc­hen Feuerwerks gab es viele Fehlwürfe und technische Fehler. So dauerte es fast fünf Minuten, ehe Kastening das erste Tor erzielte. Besser wurde es danach zunächst nicht. Im

Uwe Gensheimer

Gegenteil: Gegen die kompakten und kampfstark­en Südamerika­ner, die zum Auftakt gegen Frankreich mit 27:33 verloren hatten, fand die deutsche Mannschaft im Angriff kaum Lösungen.

Erst nach 22 Minuten gelang dank eines 4:0-Laufs zum 9:8 die erste Führung, die aber erst Mitte der zweiten Halbzeit entscheide­nd ausgebaut werden konnte. Im Angriff wurde nun mehr Druck gemacht und die Abwehr mit einem gut aufgelegte­n Torwart Andreas Wolff dahinter stand stabiler. „Wir haben das am Ende souverän gelöst“, sagte Torwartkol­lege Johannes Bitter.

Mit dem Pflichtsie­g gegen Argentinie­n mochten sich die Dhb-stars aber nicht länger als nötig aufhalten. „Jetzt wollen wir gegen Frankreich gewinnen“, sagte Schiller. Für die anvisierte Medaille muss sich die deutsche Mannschaft allerdings noch steigern. Vor allem die Chancenaus­wertung ließ am Montag erneut zu wünschen übrig.

Gislason weiß das. Doch auch der Isländer verspürt große Lust auf die kniffligen Aufgaben, die jetzt anstehen. „Wir wissen alle, dass die Spiele gegen Frankreich und Norwegen Big Points sein können“, sagte er: „Wir gehen da sehr hungrig ran.“

„Wenn es im 199. Spiel passiert wäre, hätte es mich aber genauso aufgeregt.“

 ?? FOTO: JOSÉ MÉNDEZ/IMAGO IMAGES ?? Kapitän Uwe Gensheimer wird sein 200. Länderspie­l wohl nie vergessen, nach wenigen Momenten auf der Platte war schon wieder Schluss.
FOTO: JOSÉ MÉNDEZ/IMAGO IMAGES Kapitän Uwe Gensheimer wird sein 200. Länderspie­l wohl nie vergessen, nach wenigen Momenten auf der Platte war schon wieder Schluss.

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