Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der goldene Tanz auf dem Vulkan
Olympische Dressur-kür verspricht Spannung – Zwei Deutsche im Mittelpunkt
(SID) - Das Psychospiel um Einzelgold bei den Olympischen Spielen in Tokio in der Dressur ist eröffnet. Das Duell Isabell Werth gegen Jessica von Bredow-werndl verspricht Hochspannung auf dem Viereck. Bevor es im deutschen Duell um die Goldmedaille im Einzel geht, werden sich die beiden aber zunächst erst einmal gemeinsam Gold mit der Mannschaft sichern – Konkurrenz ist nicht in Sicht.
Isabell Werth war in mehrfacher Hinsicht nicht groß ins Schwitzen gekommen. Die Hitze in Tokio? „Ist okay.“Die grandiose Vorstellung ihrer Teamkollegin Jessica von Bredow-werndl im Grand Prix de Dressage? „Eine Einlaufprüfung, es ging ja nicht um Gold.“Das Psychospielchen der beiden weltbesten Dressurreiterinnen ist eröffnet – beim goldenen Tanz auf dem Vulkan kann es am Ende nur eine geben.
Vorher, daran dürfte kein Zweifel bestehen, werden sich die deutschen Reiterinnen Werth, „JBW“und Dorothee Schneider im Grand Prix Special am Dienstag das Mannschaftsgold abholen. Kein Team ist in Sicht, das diese geballte Ladung Weltklasse bei normalem Verlauf auch nur annähernd gefährden könnte. Bei den Briten klafft hinter der dreimaligen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin eine viel zu große Lücke, in der dänischen Equipe kann nur Cathrine Dufour einigermaßen mithalten.
Und deshalb rückte die Grandprix-kür, in der es am Mittwoch um den renommiertesten Titel in der Dressur geht, schnell in den Fokus. Werth, mit sechs Gold- und vier Silbermedaillen die erfolgreichste Reiterin der olympischen Geschichte, war bisher „nur“einmal Olympiasiegerin im Einzel, 1996 in Atlanta mit dem legendären
Gigolo. Von Bredow-werndl erlebt in Tokio ihre ersten Olympischen Spiele überhaupt.
Und „JBW“legte im Grand Prix gleich mal so richtig vor. 84,379 Prozentpunkte, absoluter Bestwert, an den auch Isabell Werth nicht heranreichte. Werth nahm es fast schon aufreizend locker: „Natürlich sind
„So eine Kür-entscheidung hatten wir lange nicht.“
wir Risiko geritten, aber nicht volles Risiko.“Die Bremse habe sie nicht reingehauen, „nein, so nun auch nicht“, aber es wurde ganz klar, was sie meinte: Ihr Herzenspferd Bella Rose kann mehr, als es bislang gezeigt hat. Viel mehr.
Die Dressur spielt sich auch im Kopf ab, so wie jede Sportart, die nicht hundertprozentig objektiv messbar ist. Werth erlebt in Tokio ihre sechsten Spiele, sie kennt alle Tricks und beherrscht sie perfekt. Von Bredowwerndl ist 17 Jahre jünger, ohne
Deutschlands Ersatzreiterin Helen Langehanenberg
Olympia-erfahrung, aber gesegnet mit einzigartigem Talent. „Unfassbar spannend“werde dieses Finale, sagte Ersatzreiterin Helen Langehanenberg. „So eine Kür-entscheidung hatten wir lange nicht.“
Gut möglich, dass die deutschen Reiterinnen alle drei Medaillen im Einzel abräumen, denn auch Dorothee Schneider und ihr kraftvoller Wallach Showtime bewegen sich auf allerhöchstem Niveau. Ein Fehler bei der Galopp-pirouette kostete Schneider im Grand Prix eine bessere Platzierung, ohne den wäre das deutsche Trio geschlossen über der 80-Prozent-marke gelandet. Und so wurde am Ruhetag vor dem Grand Prix Special an ein, zwei Kleinigkeiten
gefeilt. Bella Rose, Werths charismatische Fuchsstute mit der markanten weißen Blesse, mit der nach Aussage ihrer Reiterin „immer ein bisschen mehr möglich ist“, wirkte im Grand Prix nicht ganz losgelassen – aber Werth wollte ja auch nur „einen sicheren, fehlerfreien Ritt“hinlegen.
Dalera wäre ihrer Reiterin Jessica von Bredow-werndl in einer Piaffe „fast abgehauen, aber dann kam sie Gott sei Dank zurück“. Und Showtime hatte offenbar keine große Lust auf die Galopp-pirouette, aber „wir werden jetzt deshalb im Training keine 40 Pirouetten drehen“, versicherte Schneider. Erfolg macht eben selbstbewusst. Und erfolgreich sind die Deutschen ohne Frage.