Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Sternchenthema
Kultusministerin lässt Schulen über Verwendung des Gendersymbols entscheiden
- Baden-württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) will den Schulen das Gendern freistellen. Das heißt: Künftig sollen Lehrkräfte mit ihren Klassen vereinbaren können, ob sie Genderzeichen wie Sternchen oder Doppelpunkte verwenden, um die Geschlechter in der Sprache gleichzustellen. Schopper will damit den geltenden Bildungsplänen gerecht werden und Kinder und Jugendliche für eine geschlechtergerechte Sprache sensibilisieren. Von Lehrer- und Elternverbänden und Opposition erntet sie dafür heftige Kritik. Und auch der schwarze Koalitionspartner zeigt sich irritiert.
„Es ist gut, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden, und das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist ja auch im Bildungsplan verankert“, sagte Schopper vor wenigen Tagen den „Stuttgarter Nachrichten“. „Und gut ist es auch, wenn Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Schreibweise bezüglich der Sonderformen beim Gendern vereinbaren.“Mit ihren Aussagen trat die neue Kultusministerin eine heftige Debatte los. Von einem „Ablenkungsmanöver“spricht etwa der Vorsitzende des Philologenverbands, die AFD gar von einem „ideologischen Offenbarungseid“. Auch Michael Mittelstaedt, der Vorsitzende des Landeselternbeirats ist empört. „Rechtschreibung wird nicht zwischen Lehrer und Schüler vereinbart – wir sind doch nicht im Zoo“, sagt er.
Dabei gelten in deutschen Schulen eigentlich klare Regeln: Es gilt das Amtliche Regelwerk für die deutsche Orthografie. Dessen Herausgeber, der Rat für deutsche Rechtschreibung, empfiehlt Genderzeichen wie den Stern bislang nicht. Erst im März dieses Jahres bekräftigte er diese Entscheidung noch einmal. Geschlechtergerechte Sprache sei eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne, argumentierte der Rat damals. Die Nutzung von Satz- oder typografischen Zeichen innerhalb von Wörtern beeinträchtige die Verständlichkeit, Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten. Schülern, aber auch Erwachsenen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben oder Menschen, die Deutsch als Fremdsprache
lernen, „sollte der Sprachund Schrifterwerb nicht erschwert werden“.
In Bayern wird das offenbar akzeptiert, wie ein Sprecher des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus bestätigt. Grundlage sei eben dieses Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung, sagt er. Die in Bayern zugelassenen Schulbücher unterlägen demnach diesen amtlichen Regelungen.
Das gilt zwar auch für die Bücher baden-württembergischer Schüler. Darüber hinaus könnte im Südwesten jedoch ein Flickenteppich entstehen, befürchtet Isabell Huber, Generalsekretärin der CDU Baden-württemberg. „Wir sollten keine Beliebigkeit in Wort und Schrift in unsere Schulen einziehen lassen“, sagt sie und plädiert dafür, sich an das Regelwerk über die deutsche Sprache zu halten. „Anstatt das Trennende mit Sternchen oder Binnen-is überzubetonen, spricht doch nichts dagegen, klassisch, schlicht und einfach beide Geschlechterformen zu nennen.“
Ähnlich sieht das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Die GEW begrüßt es, dass Schüler*innen selbst entscheiden dürfen, ob sie gendergerecht schreiben“, schreibt die Landesvorsitzende Monika Stein in einer Stellungnahme.
„Wichtig ist jedoch, dass das Kultusministerium jetzt eine landeseinheitliche, verbindliche Regelung schafft. Das kann nicht den jeweiligen Schulkonferenzen zugemutet werden.“
Der Verband Bildung und Erziehung Baden-württemberg (VBE) befürchtet darüber hinaus, den Ärger der Eltern abzubekommen: „Das Ministerium erweist den Schulen damit einen Bärendienst“, sagt Vbe-vorsitzender Gerhard Brand. „Wir hätten uns seitens des Kultusministeriums eine einheitliche Regelung gewünscht. Dadurch, dass jetzt jede Schule selbst entscheiden soll, setzt man sie dem Druck der meinungsstarken Elternschaft aus.“
Und tatsächlich halten auch die Eltern wenig von Schoppers Vorstoß. „Das sprachliche Gendern ist – ehrlich gesagt – eine Katastrophe“, sagt etwa Michael Mittelstaedt, der Vorsitzende des Landeselternbeirats. Die Wertschätzung des anderen Geschlechts auch im Sprachgebrauch funktioniere auch ohne Sternchen und Doppelpunkte. „Ich erwarte von Schule, dass sie lehrt, hierfür ein Gefühl zu entwickeln, das der Elterngeneration – da sie eben in diesbezüglich weniger sensibilisierten Zeiten in die Schule gegangen sind – häufig fehlt.“Es gehe auch darum, wie die Gesellschaft den Menschen, die in ihrer sexuellen Orientierung anders als die Norm sind, so gerecht wird, dass sie nicht darum fürchten müssen, diskriminiert zu werden. Laut Mittelstaedt ist auf allen Seiten Sensibilität gefragt und möglichst wenig Missionstätigkeit. Sein Fazit: „Mehr Anstrengung als ein Sternchen einzufügen, das muss Schule schon bringen.“
Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands, vermutet hinter Schoppers Idee den Versuch, von dringenderen – aber nicht getroffenen – Entscheidungen der Landesregierung abzulenken. Die Debatte um das Gendern an Schulen sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Schulen so unnötig wie ein Kropf, sagt er und fordert die Ausrüstung aller Schul- und Kita-räume mit Raumluftfiltern. „Die vierte Welle ist bereits voll im Anrollen.“
Darauf verweist auch Schoppers Vorvorgänger und SPD-CHEF Andreas Stoch. „Es gibt viele Möglichkeiten, Geschlechtersensibilität in Sprache zu zeigen und ich bin dafür, diese Debatte irgendwann zu führen. Aber im Moment haben viele Menschen, die mit Schule zu tun haben, das Bedürfnis, dass sehr viel grundlegendere Themen geklärt werden“, sagt er. „Und ich glaube, Frau Schopper hat in absehbarer Zeit andere Probleme als das Gendersternchen.“