Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zahl der Drogendelikte steigt weiter
Ermittler besonders besorgt über rasche Verbreitung von Crystal Meth
- Das Jahr 2020 wurde durch die Corona-pandemie geprägt. Kontaktbeschränkungen, Lockdowns, viel Zeit für sich in den eigenen vier Wänden. Wie hat sich das auf den Drogenkonsum ausgewirkt? Die Antwort fällt zweigeteilt aus. Kokain und Crystal Meth (Methamphetamin) boomen. Der Konsum von Heroin und Ecstasy ist hingegen rückläufig. Einen Überblick darüber gibt das Rauschgiftlagebild 2020, das der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, gemeinsam mit Daniela Ludwig, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, vorgestellt hat.
Besonders drastisch ist der Anstieg bei Crystal Meth, eine der gefährlichsten Drogen, weil sie sehr schnell süchtig machen kann – und diese Sucht enorme körperliche und psychische Schäden mit sich bringt. 21,1 Prozent mehr Konsumdelikte verzeichnete das BKA 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Das ist besonders bitter, weil sich die Regierung bei Crystal eigentlich auf einem guten Weg sah: „Vergangenes Jahr dachten wir noch“, sagt die Drogenbeauftragte Ludwig, „dass wir das Problem auf hohem Niveau im Griff haben.“Hier nimmt Ludwig auch die Politik in die Pflicht. Von den vielen Modellprojekten, die ins Leben gerufen wurden, um vor allem junge Menschen über die Gefahren von Crystal Meth aufzuklären, existiere fast keines mehr. „Prävention ist aber kein Kurzstreckenlauf, sondern ein Marathon.“
Während Crystal Meth zumindest in Deutschland ein vergleichsweise neueres Phänomen ist, das durch die Kultserie „Breaking Bad“einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, steht Kokain schon seit Jahrzehnten im Fokus von Ermittlern und Konsumenten. Die sehr aufputschende Droge, der eine geringe körperliche, aber hohe psychische Abhängigkeit nachgesagt wird, wurde im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent häufiger konsumiert. Hierbei handelt es sich laut Bka-präsident Münch um einen „kontinuierlichen Trend“seit vielen Jahren.
Mehr Crystal-meth- und Kokainkonsum führte im Jahr 2020 dann auch zu mehr Drogentoten: 1581 Todesfälle
zählte das BKA, ein Plus von 13,1 Prozent. Allerdings ist der Trend beim Rauschgiftkonsum nicht in jeder Hinsicht negativ. Für Heroin meldet das BKA einen Rückgang um 5,5 Prozent. Bei der Partydroge Ecstasy ermittelte das BKA 11,7 Prozent weniger Konsumdelikte als noch 2019. Ecstasy werde vor allem in Clubs und Diskotheken gehandelt und konsumiert, sagt Münch: „Den Rückgang kann man durchaus auf die Pandemie zurückführen.“
Corona spielt auch bei der Beschaffung ihrer Drogen durch die Konsumenten eine Rolle. Das Angebot im digitalen Markt habe um 20 bis 30 Prozent zugenommen, rechnet Münch und fügt hinzu: „Die Pandemie ist auch für die Digitalisierung von Kriminellen ein Katalysator.“Eine Entwicklung, die der Bka-präsident durchaus mit Sorge beobachtet. So werden nämlich auch immer mehr Drogen in Messengerdiensten verkauft, vor allem auf Telegram. „Die hohen Nutzerzahlen und Verfügbarkeit spricht möglicherweise auch Menschen an“, so Münch, „die vorher keinen Kontakt zu Rauschgift hatten.“
Insgesamt zählt das BKA für das Jahr 2020 rund 366 000 Delikte in Verbindung mit illegalen Drogen – eingerechnet ist hierbei auch der Handel –, womit das vergangene Jahr das zehnte in Folge mit einem Anstieg war. Der Konsum über alle Drogenarten hinweg stieg um 1,1 Prozent. Besonderen Anteil daran hat die Droge Cannabis, über deren Legalisierung oder Entkriminalisierung Politik und Wissenschaftler immer wieder heftig streiten.
Wie würde der Lagebericht aussehen, wenn Cannabis legal wäre? Mehr als die Hälfte der Delikte würde nicht mehr in der Statistik auftauchen, sagt Münch, betont aber: „Damit wäre kein Problem gelöst, sie sehen es nur nicht mehr.“Die Drogenbeauftragte findet, dass eine Liberalisierung von Cannabis „der völlig falsche Weg“wäre.
Vorstellen könne sie sich aber, den Konsum als Ordnungswidrigkeit einzustufen, nach dem Vorbild Portugals. Grundsätzlich gelte, sagt Ludwig: „Wir können diesen Trend nur brechen, wenn wir deutlich mehr Menschen davon überzeugen, keine Drogen zu nehmen.“