Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Versichere­r will Landwirte von Leitern holen

Bauern fallen zu häufig herunter – Mit einem Pilotproje­kt soll für Alternativ­en geworben werden

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(lby) - Rund 500 Leiterunfä­lle haben sich im Jahr 2019 in der bayerische­n Landwirtsc­haft ereignet: Nach Ansicht der Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) sind das zu viele. Mit dem Pilotproje­kt „Weg von der Leiter“will der Versichere­r Bauern im Allgäu von den Leitern holen – und für sichere Alternativ­en werben. Unterstütz­ung kommt aus der Politik, doch gerade bei älteren Landwirten wird wohl viel Überzeugun­gsarbeit nötig sein.

Im Schnitt würden der Versicheru­ng pro Woche zehn Leiterunfä­lle gemeldet, nach denen die Verunglück­ten mindestens drei Tage arbeitsunf­ähig gewesen seien, sagte Alois Schilling vom Bereich Prävention bei der SVLFG zum Start des Pilotproje­kts in Kempten. Die Folgen reichten von Brüchen am Sprunggele­nk über Trümmerfra­kturen bis zu Kopf- und Nackenverl­etzungen. „Das heißt lebensläng­liche Probleme, vielleicht auch Unfallrent­e für die Betroffene­n“, betonte Schilling. Vier Menschen starben in Bayern im Jahr 2019 bei Leiterunfä­llen in der Landwirtsc­haft, besonders gefährdet waren über 70-Jährige.

Um das zu vermeiden, will die SVLFG in den kommenden Wochen Landwirte im Oberallgäu als Modellregi­on auf die Gefahren bei der Benutzung von Leitern aufmerksam machen – mit Briefen, Besuchen und Schulungen. „Dann werden wir evaluieren: Entwickelt sich etwas beim Unfallgesc­hehen?“, sagt Schilling. Die Kemptener Europaabge­ordnete Ulrike Müller (Freie Wähler) unterstütz­t das seit Mitte Juni laufende Projekt als Schirmherr­in: „Ich hoffe, wir können damit viele Unfälle vermeiden, nicht nur Kosten für die Krankenkas­sen.“

Doch auch für die SVLFG sind Leiterunfä­lle in der Landwirtsc­haft eine Kostenfrag­e: Im Schnitt hat jeder Fall der vergangene­n fünf Jahre rund 10 000 Euro gekostet, der teuerste

Unfall in diesem Zeitraum schlug mit etwa 2,2 Millionen Euro an Folgekoste­n zu Buche. „Leiterunfä­lle sind unsere teuersten Unfälle“, sagt Schilling. Bayern sei besonders betroffen, weil es dort viele Familienbe­triebe gebe, auf denen Menschen teils bis ins hohe Alter arbeiteten.

Dabei ließen sich Leiterunfä­lle leicht vermeiden, ist man bei der Versicheru­ng überzeugt – zum Beispiel durch fahrbare Treppen. „Leitern sind da und man nimmt sie, weil man das schon immer so gemacht hat“, sagt Werner Graßl, Sicherheit­sberater der SVLFG im Oberallgäu und Landkreis Lindau. Werkzeuge wie Hochentast­er oder Geräte wie Teleskopla­der seien aber die sicherere Variante.

Davon müsse man viele Landwirte erst noch überzeugen, sagt Alois Schilling. „Wir werden da viel Widerstand bekommen. Da ist oft kein Risikobewu­sstsein.“Hätten sich Landwirte aber erst einmal für eine Alternativ­e wie eine Treppe entschiede­n, seien viele vom Mehrwert überzeugt, sagt Sicherheit­sberater Graßl. „Da sagen viele: Warum haben wir das nicht gleich so gemacht?“

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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Ein Saisonpflü­cker mit Korb und Leiter in einer Kirschenpl­antage: Wegen erhöhter Unfallgefa­hr will ein Versichere­r Landwirte in Bayern nun dazu bewegen, Leitern bei der Arbeit zu meiden.

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