Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verheerend­e Explosion in Leverkusen­er Chemiepark

Todesopfer, mehr als 30 Verletzte und mehrere Vermisste – Anwohner rund um Müllverbre­nnungsanla­ge verängstig­t

- Von Ulli Brünger, Yuriko Wahl-immel und Erich Reimann

(dpa) - Die Detonation ist gewaltig, die Rauchwolke weithin sichtbar, die Anwohner sind verängstig­t: Bei einer verheerend­en Explosion in einer Müllverbre­nnungsanla­ge im Chempark Leverkusen sind mindestens zwei Mitarbeite­r ums Leben gekommen. Drei weitere wurden nach dem Unglück am Dienstag nach Angaben der Betreiberf­irma Currenta noch vermisst. Die Polizei zählte bis zum Abend 31 Verletzte. Fünf von ihnen wurden intensivme­dizinisch versorgt. Die Ursache für die Explosion war zunächst unklar.

„Wir sind tief betroffen über diesen tragischen Unfall“, sagte Chempark-leiter Lars Friedrich. Der Tod der Mitarbeite­r gehe den Beteiligte­n nahe. Das besondere Mitgefühl gelte vor allem den Angehörige­n, aber auch den Kollegen, die mit den Opfern zusammenge­arbeitet hätten.

Es seien schwere Stunden, viele Anwohner hätten Angst, berichtete Friedrich bei einem eilig anberaumte­n Presseterm­in am Nachmittag. Nach den vermissten Personen werde mit Hochdruck gesucht. „Wir haben Hoffnung, dass die Vermissten noch lebend gefunden werden.“

Leverkusen­s Oberbürger­meister Uwe Richrath (SPD) sprach von einem „tragischen Tag“für die Stadt mit ihren mehr als 167 000 Einwohnern, die eng mit der Chemie verbunden sei. Auch er selbst habe die Erschütter­ung gespürt.

Den Bewohnern des Rheinlande­s machte der Vorfall auch deshalb so große Sorgen, weil sie innerhalb weniger Wochen ein weiteres Mal bang auf die Warnmeldun­gen der Behörden blicken mussten. Jüngst hatte man ja schon die Hochwasser­katastroph­e erlebt – in Leverkusen etwa musste eine Klinik zeitweise geräumt werden. Nun erneut eine Gefahr, wieder vom Himmel.

Die gewaltige Explosion, die laut Zeugenauss­agen noch im Umkreis von gut zehn Kilometern zu hören war, ereignete sich nach Angaben des Betreibers gegen 9.30 Uhr im Tanklager des Entsorgung­szentrums Bürrig. Die Ursache war zunächst unklar. Eine gewaltige Rauchwolke stieg auf. Die Erschütter­ung war derart heftig, dass sogar mehrere Stationen des Geologisch­en Dienstes Nordrhein-westfalen sie messen konnten. Unter anderem sei sie an einer Station im Hespertal registrier­t worden – mehr als 40 Kilometer entfernt.

Nach der Explosion brannte das Tanklager mit Lösungsmit­teln stundenlan­g, ehe das Feuer am Mittag unter Kontrolle und weitgehend gelöscht war. „Die Löscharbei­ten mussten warten, bis eine Stromleitu­ng

vom Netz getrennt war“, erklärte die Stadt. Sogar die Feuerwehr im rund 60 Kilometer entfernten Dortmund warnte vor möglichen Geruchsbel­ästigungen durch die Rauchwolke.

Anwohner wurden vorsorglic­h aufgeforde­rt, geschlosse­ne Räume aufzusuche­n sowie Fenster und Türen geschlosse­n zu halten. Erst am Nachmittag hob Leverkusen die Warnung für die meisten Stadtteile wieder auf – nur im besonders betroffene­n Stadtteil Bürrig galt sie weiterhin. Die Stadt sperrte zudem vorübergeh­end nahe gelegene Spielplätz­e. Wegen des möglichen Schadstoff­ausstoßes wurden Anwohner zudem vor dem Verzehr von Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten gewarnt. Eine Einschätzu­ng, ob in den Niederschl­ägen nach dem Brand „relevante Stoffe“zu finden seien, sei nach Auskunft des Landesumwe­ltamtes (LANUV) noch nicht möglich.

Zahlreiche Einsatzkrä­fte der Werksfeuer­wehr, der Polizei sowie Luftmesswa­gen waren bei dem Unglück im Einsatz. Erste Luftmessun­gen der Umweltschu­tzeinheite­n im Kölner Norden ergaben laut Feuerwehr, dass keine Gefahr für die Bevölkerun­g bestand. Die Messungen würden fortgesetz­t. Gleichwohl wurden Autofahrer in der Region zunächst aufgeforde­rt, Fahrzeugfe­nster geschlosse­n zu halten.

Wegen der „größeren Schadensla­ge“wurden zahlreiche Autobahnen gesperrt. Von der Vollsperru­ng betroffen waren das Autobahnkr­euz Leverkusen-west, die A 1 zwischen dem Autobahnkr­euz Leverkusen und Köln-nord, die A 3 zwischen dem Autobahnkr­euz Leverkusen und dem Autobahndr­eieck Langenfeld sowie die A 59 zwischen Autobahnkr­euz Monheim-süd und Autobahnkr­euz Leverkusen-west, wie die zuständige Autobahn Gmbh mitteilte. Sofort eingestell­t wurden auch die Arbeiten an der unmittelba­r angrenzend­en Baustelle der Leverkusen­er Rheinbrück­e. Selbst die Rheinfähre „Fritz Middelanis“stellte den Betrieb zwischen Köln-langel und Leverkusen­hitdorf für mehrere Stunden ein.

Der Chempark ist nach Unternehme­nsangaben einer der größten Chemiepark­s Europas. An den drei Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-uerdingen sind über 70 Firmen angesiedel­t.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Nach der verheerend­en Explosion in einem Leverkusen­er Chemiepark waren am Dienstag Feuerwehr, Rettungskr­äfte und Polizei im Großeinsat­z.
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FOTO: ROBERTO PFEIL/AFP Eine dicke, weithin sichtbare Rauchsäule stand über dem Chemiepark. Nach der Explosion brannte das Tanklager mit Lösungsmit­teln stundenlan­g, ehe die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle bringen konnte.

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