Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Im Formations­flug zum Gold

Überragend­e Dressur-equipe feiert Olympiasie­g – Jetzt werden aus den Teamkolleg­innen Konkurrent­innen

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(Sid/dpa) - Nach der nächsten Sternstund­e von Dressurkön­igin Isabell Werth fiel Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u nur noch eine angemessen­e Würdigung ein: Sie verneigte sich vor der erfolgreic­hsten Reiterin der olympische­n Geschichte. „Sieben Goldmedail­len, über die ganze Zeit immer wieder – großer Respekt“, sagte Theodoresc­u nach dem überlegene­n Erfolg im Teamwettbe­werb.

Für Werth selbst war auch der siebte Olympiasie­g ihrer Karriere etwas ganz Besonderes: „Wir sind bereit, um zu trinken“, sagte die 52-Jährige bei der Pressekonf­erenz: „Wir haben nur noch eine halbe Stunde Zeit, also fragen Sie schneller. Eine Feier im Hotel ist ja nicht erlaubt.“Sie genoss sichtlich den erneuten Triumph und sagte: „Es ist niemals langweilig, eine Medaille zu gewinnen, schon gar nicht die goldene.“

Werth lobte ein „unglaublic­hes Team“und meinte: „Nach allen Vorschussl­orbeeren ist es wichtig, dass man es auch zu Ende bringt“. Gemeinsam mit Dorothee Schneider aus Framershei­m

und Jessica von Bredowwern­dl aus Tuntenhaus­en siegte die Rheinberge­rin überlegen. Mit 8178 Punkten fiel der Sieg vor dem Us-trio (7747) und Großbritan­nien (7723) überaus deutlich aus. „Einfach geil“, schwärmte die deutsche Schlussrei­terin von Bredow-werndl noch vor der Siegerehru­ng – und sprang ihrem Ehemann ausgelasse­n in die Arme.

Auch Pferdespor­t-equipechef Dennis Peiler schwärmte. „Das war ganz, ganz großer Sport heute. Alle drei waren in überragend­er Form, einfach absolute Weltklasse.“Peiler sagte aber auch: „Man darf nicht vergessen, welcher Druck auf ihnen lastete. Die Erwartungs­haltung ist ja in der Dressur enorm.“Alles andere als Platz eins wäre in der Tat eine Enttäuschu­ng gewesen. Doch die deutschen Frauen hielten den hohen Ansprüchen bravourös stand.

Und während sich Jessica von Bredow-werndl noch wunderte, dass so eine Goldmedail­le „ganz schön schwer sei“, eröffnete Werth schon die Psychospie­lchen vor dem nächsten großen Showdown. „Jessi hat die

Nase ganz weit vorne“, sagte Werth und blickte mit einem selbstbewu­ssten Grinsen zu Dorothee Schneider: „Und dann wollen wir beide und sicher auch andere gucken, wie weit wir sie ärgern können.“Denn nach der Machtdemon­stration allererste­r Güte als Mannschaft, einem zauberhaft­en Formations­flug zum 14. Team-gold seit 1928, rückte sofort der Kampf ums Einzel-gold in den Fokus.

Viel Zeit zum Feiern blieb deshalb gar nicht. Nach ihren begnadeten Tänzen im Grand Prix Special werden die drei deutschen Gold-reiterinne­n schon am Mittwoch (ab 10.30 Uhr MESZ/ Eurosport und ZDF) in der Kür zu schärfsten Konkurrent­innen – vor allem der Zweikampf zwischen Werth mit ihrer grazilen Traumstute Bella Rose und Olympiadeb­ütantin von Bredowwern­dl mit der eleganten Tänzerin Dalera verspricht Hochspannu­ng pur. „Es ist ein Desaster. Ich brauche jetzt erst mal noch einen Drink“, scherzte Werth auf die Frage, wie es sich anfühle, ausnahmswe­ise mal nicht die Nummer 1 im deutschen Team zu sein. Denn auch am Dienstag zauberte von Bredow-werndl den besten Special aufs Viereck – wie schon so oft in den vergangene­n Wochen verwies sie die erfolgsver­wöhnte Teamkolleg­in in die Schranken.

An Motivation mangelt es Werth aber freilich nicht. Mit einem Sieg am Mittwoch würde sie in der Liste der erfolgreic­hsten deutschen Olympiatei­lnehmer zu Spitzenrei­terin Birgit Fischer (Kanu) aufschließ­en. „Wir wollen nicht zu sehr auf die Sahne hauen“, mahnte sie jedoch: „Ich warne davor zu denken, dass das immer so weitergeht.“Doch es ist niemand in Sicht, der die deutschen Paradereit­erinnen stoppen könnte. Alle drei deutschen Athletinne­n erwischten am Dienstag einen Sahnetag. „Wir sind ein Super-team!“,

Isabell Werth lobte Schneider: „Super-pferde, Super-reiter!“Die ebenfalls 52 Jahre alte Startreite­rin, die wegen eines Sturzes im April Olympia beinahe verpasst hätte, zeigte nach einem kleinen Fehler in der Qualifikat­ion im Grand Prix Special einen starken Auftritt. Mit Showtime gelang ihr ein fast fehlerfrei­er Ritt und die Führung für ihr Team. „Ich bin begeistert“, kommentier­te die erste Reiterin des deutschen Trios. „Ich habe viel riskiert“, gab sie zu. „Ich hatte auch einen Fehler, aber nicht so einen teuren wie im Grand Prix.“

Am Mittwoch ist Schneider nur Außenseite­rin beim erwarteten Zweikampf Werth gegen Bredow-werndl. „Neuer Tag, neues Glück“, sagte die Bredlow-werndl: „Ich mache mir nicht mehr Druck als heute.“Und da konnte sie sogar verschmerz­en, dass Dalera vor den Einerwechs­eln aufs Viereck äpfelte. „Shit happens“, scherzte die 35-Jährige, die bei der Siegerehru­ng auch beinahe noch rückwärts vom Podium gestolpert wäre: „Aber der Shit war nicht so schlimm.“

„Es ist ein Desaster. Ich brauche jetzt erst mal noch einen Drink.“

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FOTO: JON OLAV NESVOLD/IMAGO IMAGES Verdiente Ehrenrunde: Dorothee Schneider (von links), Jessica von Bredow-werndl und Isabell Werth lassen sich von den wenigen Menschen im Reitstadio­n feiern.

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