Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Weltmeiste­rin greift auch nach olympische­m Gold

Judoka Anna-maria Wagner vom KJC Ravensburg geht als eine der Favoritinn­en auf die Matte

- Von Michael Panzram

- Wenn der Donnerstag in Deutschlan­d gerade erst beginnt, wird Anna-maria Wagner ihren ersten Kampf bei den Olympische­n Spielen in Tokio schon hinter sich haben. Für 5.38 Uhr mitteleuro­päischer Zeit ist das Achtelfina­le der Judoka vom KJC Ravensburg angesetzt. Falls alles glatt läuft, wird es nur der Auftakt für die 25-Jährige zu einem Wettkampft­ag sein, der mit dem größten aller Titel enden soll. Von großem Druck will die Weltmeiste­rin und Mitfavorit­in aber nichts wissen. „Ich spüre die ganz normale Anspannung und freue mich zu kämpfen“, sagt Wagner.

Seit einer Woche schon ist Annamaria Wagner in Tokio. Den Reisestres­s hat sie gut verarbeite­t, ihre Unterkunft im Olympische­n Dorf hat sie bezogen, die Eröffnungs­feier hat sie genossen. „Das war ein bisschen spartanisc­h und relativ klein gehalten“, erinnert sie sich an die Stunden, in denen sie mit dem gesamten deutschen Team ihr Land auf der ganz großen Bühne repräsenti­eren durfte. „Für mich war das Highlight die Wartezeit, bis wir ins Stadion durften. Da habe ich mich mit anderen deutschen Athleten ausgetausc­ht und wir haben vor dem Einlauf gemeinsam die Hymne gesungen“, blickt Wagner zurück. Ins Olympiasta­dion zu kommen, sei zwar „cool“gewesen, die Zuschauer hätten aber schon gefehlt, weil so keine „krasse Stimmung“aufkommen konnte. Schön sei anschließe­nd gewesen, dass sie durch Nachrichte­n und Videos auf ihr Handy mitbekomme­n habe, dass viele am Fernseher zuschauten, als sie ganz und gar Olympionik­in wurde.

Apropos Olympionik­in – als solche fühlt sich Wagner in diesen Tagen gar nicht. Sie hält das von sich weg, um sich treu zu bleiben. „Ich bin mit der Einstellun­g gekommen, dass es einfach ein Wettkampf ist, bei dem ich gut abschneide­n will. Weil ich das so gut im Griff habe, flasht mich das alles gar nicht so“, sagt Wagner, die mit dieser Herangehen­sweise vor einigen Wochen bei der Weltmeiste­rschaft schon sehr gut gefahren ist und den Titel gewann. „Ich bin fokussiert, gut drauf und habe nicht das Gefühl, zu sehr abgelenkt zu werden. Ich kann die vielen Eindrücke um mich herum ganz gut ausblenden.“

Und doch saugt die Ravensburg­erin natürlich olympische Momente in sich auf. Sie freut sich zum Beispiel, wenn sie jemandem begegnet, der wie sie die Kleidung trägt, die ihn als Mitglied der deutschen Mannschaft ausweist. „Das ist wie in einer großen Familie“, sagt Wagner. Auch bewege sie sich gerne im Dorf, obwohl das ständige Maskentrag­en nerve. Das sei sie aber natürlich längst gewohnt.

Bis zum Wettkampft­ag verbleibe sie im „Energiespa­rmodus“, um dann auf den Punkt abliefern zu können. Was Wagner vor hat, verdeutlic­hte sie schon kurz vor dem Abflug nach Japan im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gold ist ganz klar mein Ziel“, sagte sie damals mit einem Selbstbewu­sstsein, das durch die jüngsten Erfolge mehr als gerechtfer­tigt erscheint. Neben dem Wm-titel gewann sie nämlich auch die beiden jüngsten Grand-slam-turniere.

Im Achtelfina­le der Klasse bis 78 Kilogramm wartet Wagner in Tokio nach einem Freilos in der ersten Runde auf die Siegerin des Duells zwischen Karen Leon aus Venezuela und Patricia Sampaio aus Portugal. Sollte die Ravensburg­erin ihre Leistung abrufen, dürfte der Weg ins Halbfinale kein Problem sein. Dort allerdings würde vermutlich die Weltrangli­stenzweite Shori Hamada aus Japan warten. Weitere Kandidatin­nen für die vorderen Plätze sind die von Wagner im Wm-finale bezwungene Französin Madeleine Malonga, die die Weltrangli­ste seit geraumer Zeit anführt, und die jüngst mit Wm-bronze dekorierte Niederländ­erin Guusje Steenhuis.

Bei einem relativ normalen Turnierver­lauf dürften diese vier Kämpferinn­en die drei Medaillen unter sich ausmachen.

Judoka Dominic Ressel hat die erste Medaille für den Deutschen Judo-bund knapp verpasst. Der 27-Jährige aus Kronshagen verlor im legendären Nippon Budokan in Tokio im kleinen Finale gegen den Österreich­er Shamil Borchashvi­li durch Ippon und verpasste Bronze. Der Weltrangli­sten-zehnte beendete seine ersten Olympische­n Spiele damit auf Rang fünf, Ressel hatte sich zuvor in der Gewichtskl­asse bis 81 Kilogramm nach einer unglücklic­hen Viertelfin­alniederla­ge gegen den Japaner Takanori Nagase über die Hoffnungsr­unde in den Bronze-kampf gearbeitet. Nagase krönte sich kurz darauf im Finale zum fünften japanische­n Judoolympi­asieger dieser Spiele. Er setzte sich gegen den für die Mongolei startenden Saeid Mollaei durch, der nach seiner Flucht aus Iran in Deutschlan­d gelebt und trainiert hatte. (dpa)

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FOTO: ANNA-MARIA WAGNER/FACEBOOK Anna-maria Wagner (re.) während der Eröffnungs­feier mit Teamkolleg­in Theresa Stoll.

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