Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Raus aus dem Kreis Göppingen?
Hohenstadter Schultes soll prüfen, ob und wie die Gemeinde den Kreis wechseln kann
- Einen Landkreis verlassen und sich einem anderen anschließen? Wie das geht und ob das überhaupt geht, soll nun Günter Riebort, Bürgermeister von Hohenstadt prüfen. Das steckt hinter der möglichen „Auskreisung“von Hohenstadt aus dem Landkreis Göppingen und der möglichen „Einkreisung“in den Alb-donau-kreis.
In der jüngsten Gemeinderatssitzung in Hohenstadt erklärt Bürgermeister Riebort, worum es geht: Vor zwei Monaten hatte der Göppinger Kreistag beschlossen, dass die stationäre Versorgung in der Geislinger Helfenstein Klinik zugunsten einer ambulanten Versorgung zurückzufahren. Voraussichtlich im Jahr 2024 nach dem Bezug des Neubaus der Klinik am Eichert in Göppingen soll der stationäre Betrieb in in Geislingen eingestellt werden. Träger beider Kliniken ist der Landkreis.
Im Oberen Filstal sei dies als verkappte Schließung der Geislinger Klinik aufgefasst worden. Aber es ist wohl nicht das erste Problem, das man hier mit Göppingen hat. Riebort sagt: „Das war im Oberen Filstal nur das i-tüpfelchen an Ärgernissen.“
Da habe der Kreis jahrelang mit dem Slogan geworben „Ein Landkreis – zwei Klinken“. Und dann beschließe man gerade in der Pandemie, wo man doch froh sei über jedes Krankenhaus, das noch Patienten aufnehmen könnte, das Aus der stationären Versorgung in Geislingen.
Mehrere Gemeinden im Oberen Filstal haben bereits geäußert, den Landkreis Göppingen verlassen zu wollen. In Hohenstadt, das als einzige Gemeinde an den Alb-donau-kreis grenzt, fühle man sich eher der Laichinger Alb zugehörig. Der Schultes zählt auf: „Wir sind schulisch verbunden. Unsere Grundschule ist in Westerheim, die weiterführenden Schulen in Laichingen.“
Er nennt weiteres Verbindendes: „Zum Einkaufen fahren viele Hohenstadter nach Laichingen. Der Rettungsdienst kommt vom ASB aus Merklingen, der Rettungshubschrauber aus Ulm.“Selbst bei der Feuerwehr gebe es kreisübergreifende Zusammenarbeit:
„Die Drehleiter aus Laichingen ist auch für Hohenstadt zuständig.“Die nächste Drehleiter auf Göppinger Seite stehe in Geislingen, also deutlich weiter weg. Bezeichnenderweise stehen auf den Tischen der Ratsmitglieder, der Gäste und der Verwaltung Flaschen mit Apfelschorle von einer Firma mit Sitz in Machtolsheim.
Zudem gehört Hohenstadt im Jahr 2016 zu den acht Gründungsstädten und -gemeinden des Zweckverbands Verband Region Schwäbische Alb dessen Ziel „die Förderung und weitere Entwicklung der Region Oberes Filstal / Laichinger Alb“ist. Konkret geht es in erster Linie um die Realisierung des Bahnhofs Merklingen und des interkommunalen Industrieund Gewerbeparks an der A8.
„Mich hat es damals bei der Gründung des Zweckverbands sehr geärgert, dass vom Landkreis Göppingen keinerlei Reaktion kam – keine“, schimpft der Schultes. Weiter erklärt er: „Ja, der Bahnhof Merklingen liegt auf dem Gebiet des Alb-donau-kreises. Aber der Kreis Göppingen profitiert doch auch davon. Da hätte man schon einen Anerkennungsbeitrag geben können.“
Mit dem „Landkreis Göppingen“meine er nur den politischen Teil, stellt Riebort klar. Mit der Verwaltung sei die Zusammenarbeit sehr gut. Er stelle auch nicht in Abrede, dass die Klinik-entscheidung des Kreistags demokratisch gefallen sei. Das sei sie absolut. Aber auch eine Bürgerinitiative für den Erhalt der stationären Versorgung in Geislingen sei ein demokratisches Mittel.
Es gebe aber auch Argumente, die gegen einen Austritt aus dem Landkreis Göppingen sprechen, sagt Riebort. So müsse man sich im Falle einer „Auskreisung“neue Partner und einen neuen Gemeindeverwaltungsverband suchen, obwohl man mit dem derzeitigen Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Oberes Filstal total zufrieden sei, versichert Riebort mit einem Seitenblick auf Frieder Götz, den kommissarischen Geschäftsführer des GVV, der mit den Haushaltsunterlagen neben ihm sitzt.
Wie es nun weitergeht? Der Schultes wird das Pro und Contra abwägen und zu Papier bringen. Das Prüfungsergebnis will er dann im September oder Oktober vorstellen.
Ob es letztlich zu einer „Aus- und einer Einkreisung“der Gemeinde kommt, sei sehr fraglich, räumt Günter Riebort ein und sagt: „Letztlich müssten sowohl der abgebende Landkreis und der aufnehmende Landkreis als auch der Landtag zustimmen.“
Er nennt es auch „ein Säbelrasseln“und sagt: „Jetzt prüfen wir das mal und dann sind wir weiter. Wir möchten als kleine Gemeinde im Oberen Filstal wahrgenommen werden.“
Ob die kleine Gemeinde im Oberen Filstal im Alb-donau-kreis überhaupt willkommen wäre? Wir fragen im Landratsamt nach. Die Antwort dürfte aus Hohenstadter Sicht ernüchternd wirken. Kreissprecher Bernd Weltin schreibt, es habe Anfragen zu aktuellen Beratungen und Beschlüssen in anderen Kommunen im Landkreis Göppingen gegeben. Aber : „Zu den Diskussionen in Kommunen im Landkreis Göppingen über einen möglichen Landkreiswechsel wird das Landratsamt Alb-donau-kreis zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellung nehmen. Diese aktuellen Diskussionen sind eine Angelegenheit, die die betreffenden Kommunen beziehungsweise den Landkreis Göppingen selbst betreffen.“
Der Göppinger Landrat Edgar Wolf nimmt wie folgt Stellung: „Es gibt mehrere Auskreisungsinteressenten im Oberen Filstal. Ich nehme sie sehr ernst als Signal der Enttäuschung und des Protestes in der Raumschaft gegen den Umwandlungsplan der Helfenstein Klinik.“
Er sagt weiter: „Ich bedauere diese Auskreisungsinitiativen, weil die Gemeinden im Oberen Filstal und auch die Stadt Geislingen prägende Bestandteil des Landkreises Göppingen sind. Ohne diese Gemeinden und ohne diese Stadt kann ich mir den Kreis Göppingen gar nicht vorstellen.“
Er habe volle Verständnis für die Enttäuschung was die Umwandlung der Helfenstein Klinik angeht. Aber es gebe neben diesem trennenden Thema doch viele verbindende Themen, die man in den vergangenen Jahren im Kreis Göppingen gemeinsam angepackt habe. Er setze sich doch für ein gutes Miteinander ein. So sei die Entwicklung und Förderung einer „Kreisidentität“eines der zwölf Leitthemen des Kreises. Er lege nun mal großen Wert auf die Zusammenarbeit zwischen den 38 Gemeinden des Kreises Göppingen.
Er sei auch selbst immer wieder in den Gemeinden unterwegs, um mit den Leuten vor Ort zu sprechen, erklärt Wolf. Die Gemeinde Hohenstadt habe bisher von seinem Kreisbesuchsangebot keinen Gebrauch gemacht, sagt er. Daher sei er insgesamt ein wenig enttäuscht von der Auskreisungsinitiative, sagt der Landrat.