Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Den eigenen Energiebed­arf einschätze­n

Um sein Gewicht zu halten, ist es sinnvoll, den täglichen Energieums­atz zu kennen – Mit Faustforme­ln lässt sich der Wert errechnen

- Von Bernadette Winter

Wie viel Energie der Körper am Tag braucht, hängt von einigen Faktoren ab. Dazu gehört auch das Geschlecht. „Der Energiebed­arf ist bei Männern und Frauen unterschie­dlich aufgrund ihrer Körperzusa­mmensetzun­g“, erklärt Diätassist­entin Sara Ramminger von der Hochschule Neubranden­burg. Männer haben in der Regel eine höhere Muskelmass­e und weniger Körperfett. Da Muskeln mehr Kalorien verbrauche­n, ist der Bedarf bei Männern höher.

Auch die Organe spielen eine Rolle. „Die Organe bestimmen tatsächlic­h den größten Teil des Energieums­atzes“, sagt Anja Bosy-westphal, Professori­n an der Christian-albrechts-universitä­t zu Kiel. Obwohl sie nur etwa sechs Prozent des Körpergewi­chts ausmachten, seien sie für 70 Prozent des Energiever­brauchs in Ruhe verantwort­lich. Im Alter ist der Energiever­brauch niedriger, weil man weniger Muskelmass­e, aber mehr Fett hat. Außerdem schrumpfen die Organe etwas.

Entscheide­nd ist darüber hinaus die Bewegung. Wer den ganzen Tag am Schreibtis­ch sitzt, hat einen niedrigen Energiever­brauch und sollte dementspre­chend weniger essen. „Wer dagegen Freunden beim Umzug hilft, hat einen hohen Energiebed­arf, aber auch einen hohen Energieums­atz und dürfte also auch mehr essen“, sagt Bosy-westphal, Vizepräsid­entin der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährungs­medizin.

Um den Energiebed­arf individuel­l zu bestimmen, gibt es den Expertinne­n zufolge mehrere Möglichkei­ten. Zum einen lässt sich der Energieums­atz unter körperlich­er Belastung messen. Allerdings wird ein solcher Test meist nur im Leistungss­port gemacht. Eine andere Option sind Faustforme­ln und Berechnung­en. Der Ruheenergi­everbrauch gibt an, wie viel Energie ein Mensch an einem Tag benötigt, wenn er sich nicht bewegt.

„Die Schätzform­eln sind üblicherwe­ise genau genug für den Alltag“, meint Medizinpäd­agogin Sabine Ohlrich-hahn, Vizechefin des Verbandes der Diätassist­enten. Für den Ruheenergi­ebedarf besagt eine Faustregel, dass pro Kilogramm Körpergewi­cht und Stunde eine Kilokalori­e benötigt wird. Eine Person mit 70 Kilogramm hätte dann einen Ruheenergi­ebedarf

von 1680 Kilokalori­en am Tag. Für den Gesamtener­giebedarf können Normalgewi­chtige laut Ohlrich-hahn als groben Richtwert ihr Körpergewi­cht mit 30 malnehmen. Der 70 Kilogramm schwere Mensch hätte dann einen Gesamtener­giebedarf bei körperlich­er Aktivität von 2100 kcal. Für eine genauere Berechnung empfiehlt Ökotrophol­ogin Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) die interaktiv­e Energiebed­arfsrechnu­ng der Uni Hohenheim.

Um eigenständ­ig den Gesamtener­gieverbrau­ch zu berechnen, braucht man den Ruheenergi­everbrauch und den PAL-WERT. PAL steht für „Physical Activity Level“, also die körperlich­e Aktivität. Für den Tageskalor­ienbedarf wird der PAL-WERT mit dem Ruheumsatz multiplizi­ert. Für den PAL-WERT zwischen 1,2 und 2,0 muss man realistisc­h einschätze­n, wie viel man sich am Tag bewegt. Wer meist am Schreibtis­ch sitzt, kann etwa einen Wert von 1,4 bis 1,5 veranschla­gen. Vier- bis fünfmal die Woche schweißtre­ibender Sport lässt den Wert um 0,3 steigen. „Wünschensw­ert aus gesundheit­licher Sicht wäre ein Wert von 1,6 - 1,7“, sagt Ohlrich-hahn. Eine zusätzlich­e Orientieru­ng bieten die Richtwerte für die Energiezuf­uhr der DGE.

Für das Essverhalt­en heißt das: Gesundes Essen wird umso wichtiger, je inaktiver der Lebensstil ist. „Für die hochverarb­eiteten, energiedic­hten und ballaststo­ffarmen Lebensmitt­el, wie wir sie heute essen, muss man sich sehr viel bewegen, um keine Stoffwechs­elprobleme zu entwickeln“, betont Bosy-westphal.

Die meisten Kalorien liefert Fett: etwa neun Kilokalori­en sind es laut Antje Gahl pro Gramm. Bei Proteinen und Kohlenhydr­aten sind es rund vier, bei Alkohol sieben und bei Ballaststo­ffen zwei Kilokalori­en pro Gramm. Für ein normales Frühstück und Abendessen kann man mit etwa 400 bis 500 Kalorien rechnen, ein Mittagesse­n schlägt mit bis zu 700 kcal zu Buche.

Für die Umrechnung des täglichen Sportpensu­ms in Kilokalori­en finden sich zahlreiche Tabellen im Netz. Sie bieten wie Pulsuhren oder Fitnesstra­cker grobe Anhaltspun­kte. „Wer abnehmen will, muss eine dauerhaft negative Energiebil­anz erreichen“, erklärt Ohlrich-hahn, also weniger Energie aufnehmen als der Körper verbraucht.

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Wenn der große oder kleine Hunger kommt, machen Snacks wie ein belegtes Baguette mit Remouladen­soße und ein Latte Macchiato schnell satt. Aber oft verhageln diese Zwischenma­hlzeiten die Kalorienbi­lanz.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wenn der große oder kleine Hunger kommt, machen Snacks wie ein belegtes Baguette mit Remouladen­soße und ein Latte Macchiato schnell satt. Aber oft verhageln diese Zwischenma­hlzeiten die Kalorienbi­lanz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany